Bronze statt Holz
Biathlon-Staffel rettet Medaille trotz vieler Schießfehler – Schweden ist Olympiasieger
PYEONGCHANG (dpa) - Der Traum von Olympia-Gold erfüllte sich zwar nicht, trotzdem hüpften die deutschen Biathleten nach dem dramatischen Staffelrennen freudig auf das Podest. Mit Bronze feierte das Quartett in der Besetzung Erik Lesser, Benedikt Doll, Arnd Peiffer und Simon Schempp am Freitag in Pyeongchang zumindest einen versöhnlichen Abschluss bei den Winterspielen. „Es hat nicht zu 100 Prozent hingehauen. Schlussendlich können wir sagen: Hauptsache eine Medaille. Damit sind wir super zufrieden“, sagte Schlussläufer Schempp. Sensationssieger Schweden und Norwegen waren im letzten Olympia-Rennen in Südkorea nicht zu schlagen.
Zwischenzeitlich auf Goldkurs, dann raus aus den Medaillen, später Silber im Blick – und am Ende die Medaille abgesichert. Simon Schempp & Co. erlebten ein nervenaufreibendes Auf und Ab. Beim letzten Schießen hatte der Uhinger noch die Chance auf Rang zwei. Nach einer Strafrunde war er jedoch chancenlos und kam ganze 2:07,1 Minuten hinter Schweden ins Ziel.
Drei Strafrunden sind zu viel
Der deutsche Trainer Wolfgang Pichler feierte mit Schweden hingegen den größten Erfolg seiner Karriere. „Eine Männer-Staffel bei Olympia zu gewinnen, das ist was Großes“, sagte der 63 Jahre alte Ruhpoldinger und wurde von Schwedens König Carl Gustaf umarmt: „Der ist überaus zufrieden“, sagte Pichler.
Bundestrainer Mark Kirchner genoss die vierte Olympia-Medaille seines Männer-Teams gewohnt still. Aber drei Strafrunden und zehn Nachlader waren einfach zu viel, um den avisierten ersten Staffelsieg seit zwölf Jahren einzufahren. Kirchner war nach dem Fehlschuss-Festival bei erneut schwierigen Windbedin- gungen, in dem einzig die Schweden ohne Extrarunde blieben, „heilfroh, dass es für eine Medaille gereicht hat“.
Die DSV-Skijäger feierten die erhoffte Medaille, nachdem es zuvor in der Damen-Staffel mit Platz acht und Rang vier in der dramatischen Mixed-Staffel herbe Enttäuschungen gegeben hatte. „Das war ein Wechselbad der Gefühle, von der Goldmedaille bis zur Holzmedaille war in diesem Rennen alles möglich. Ich bin glücklich, dass ich endlich die Medaille habe“, sagte Lesser. Damit beenden die Biathleten die Wettbewerbe als erfolgreichste Nation mit insgesamt sieben Medaillen. Es gab dreimal Gold, einmal Silber und dreimal Bronze. „Wir wollen Gold“, hatte Lesser vor dem finalen Rennen ganz offensiv als Ziel ausgegeben. Und vier Jahre nach Silber in Sotschi, als Schempp im Schlussspurt gegen den Russen Anton Schipulin knapp verlor, startete Deutschland stark. Ohne die wegen des Dopingskandals erstmals bei einer Olympia-Staffel fehlenden Russen brachte Lesser sein Team mit 18,4 Sekunden in Front.
Doch als Ersten erwischte es Doll. Zwischenzeitlich hatte der Schwarzwälder den Vorsprung auf gut 40 Sekunden ausgebaut. Aber beim Stehendschießen musste Doll gleich zweimal in die Strafrunde. Aus dem komfortablen Polster wurde ein Rückstand von 37,2 Sekunden. „Ich war vom Kopf her nicht ganz da“, sagte Doll.
Peiffer fehlerlos
Peiffer, der in der Mixed-Staffel als Schlussläufer die Goldmedaille aus der Hand gegeben hatte, zeigte diesmal seine Klasse. Mit zwei fehlerfreien Einlagen brachte er sein Team als Dritter mit nur noch 13,7 Sekunden Rückstand auf Norwegen und Schweden wieder auf Medaillenkurs. „Die Mixed ging auf meine Kappe, die Mädels wurden gestern etwas vom Winde verweht und bei uns heute war es auch nicht ganz einfach. Wir können froh sein, auf dem Podest stehen zu dürfen und freuen uns sehr über Bronze“, sagte der 30Jährige.
Auch der routinierte Schlussläufer Schempp hatte kein Glück. Er hatte leicht angeschlagen auf die MixedStaffel verzichtet und war immer noch nicht wieder top fit. Zwischenzeitlich auf neun Sekunden rangekommen, patzte der Uhinger gleich bei seinem ersten Schießen. Der 29Jährige verlor fast eine Minute auf die Konkurrenten – Gold war damit unerreichbar. Ihle verpasst Chance: Nico Ihle horchte in seinen Körper und suchte vergeblich nach dem Schmerz. „Ich erwarte, dass die Beine tot sind, richtig brennen und ich kaum noch atmen kann“, sagte der beste deutsche Eissprinter nach dem erneuten Fehlschlag in Pyeongchang: „Das war hier nicht so.“Stattdessen spürte Ihle Frust über die verpasste letzte Medaillenchance. Er hatte das Rennen des Lebens laufen wollen. „Das war es irgendwie nicht“, sagte Ihle. Achter über 1000 m – wie über 500 m rief er sein Potenzial nicht ab. „Für den achten Platz kann ich mir gar nichts kaufen. Das Ziel war ein Top-3-Ergebnis, das gebe ich ganz ehrlich zu“, sagte Ihle. In 1:08,93 Minuten trennte den Chemnitzer fast eine Sekunde von Kjeld Nuis (1:07,95), der den Niederlanden das siebte Eisschnelllauf-Gold bescherte. Im Sprintbereich sind das Welten. Die deutschen Eisschnelllauf-Männer warten seit 2002 auf eine Olympiamedaille. Pechstein noch im Massenstart: Claudia Pechstein, die fünfmalige EisschnelllaufOlympiasiegerin, fiebert der Rückreise ins heimische Berlin-Köpenick entgegen. Schon am Sonntag besteigt sie in Seoul den Flieger. Die Teilnahme an der Schlussfeier schenkt sie sich. Ihre bislang enttäuschenden siebten Winterspiele lässt sie Hundeliebe: Hollands Eisschnellläufer Jan Blokhuijsen hat sich für seine Bemerkungen über den Umgang mit Hunden in Südkorea entschuldigt. „Behandelt bitte in diesem Land die Hunde besser“, hatte er nach dem Gewinn von Bronze in der Teamverfolgung bei der Pressekonferenz gesagt. „Es war nicht meine Absicht, Südkorea zu beleidigen. Ich mache mir Sorgen über das Wohlergehen von Tieren“, twitterte Blokhuijsen später. Hundefleisch gilt in Südkorea als Delikatesse. Blokhuijsen und seine Verlobte PennyLee Hartsuijker teilen ihr Haus in Friesland mit drei Hunden. Respekt vor der Kollegin: Skicrosserin Julia Eichinger weiß selbst, wie bitter Kreuzbandrisse sind. Umso beeindruckter zeigte sich die 25-Jährige vom schnellen Comeback der Sotschi-Olympiasiegerin Marielle Thompson. „Die Frau lebt auf einem anderen Stern. Wahnsinn“, sagte Eichinger. Nur vier Monate nach der schlimmen Knieverletzung trat die Kanadierin in Pyeongchang an, war in der Platzierungsrunde Schnellste, scheiterte dann aber im Achtelfinale nach einem unglücklichen, harmlosen Sturz. Soweit sie wisse, sei die Gewinnerin von 2014 mit einem neuen Verfahren operiert worden, sagte Eichinger. Die Bayerin startete nach ihrer auf dem Eis ausklingen. Im Massenstart (12 Uhr MEZ) will sie ins Finale vorstoßen – mindestens. „Die jungen Küken sind etwas forscher, was die Taktik angeht. Ich habe mir vorgenommen, das Gleiche zu tun“, sagte Pechstein über das „LotterieRennen“. Der Massenstart steht erstmals im Olympiaprogramm. Die Rennen sind dynamischer und müssen taktischer gelaufen werden als Einzelstrecken. Bei Weltmeisterschaften und im Weltcup hat sich das Format bewährt. Auch Pechstein hat gute Erfahrungen gesammelt, Anfang Dezember gewann sie in Calgary ein Weltcup-Rennen. Wie damals muss sie versuchen, sich früh abzusetzen und den Vorsprung ins Ziel zu retten. Kommt es zum Massensprint, wird Pechstein gegen die junge Konkurrenz das Nachsehen haben. Ehre für Paralympicsteam: Die Mannschaft des Deutschen Behindertensportverbands wird am 4. März auf ihrem Weg zu den Paralympics von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verabschiedet. Steinmeier wird den 20 Athleten und vier Begleitläufern in Frankfurt die besten Wünsche für die Spiele in Pyeongchang vom 9. bis 18. März mitgeben. Dort finden 80 Wettbewerbe in sechs Sportarten statt: Para-Eishockey, Rollstuhl-Curling, Ski alpin, Snowboard, Biathlon und Langlauf. zweiten schweren Knieverletzung vom Juli 2016 erst im vergangenen Dezember wieder. Glücksbringer: So musste es ja klappen. Skicross-Olympiasiegerin Kelsey Serwa hatte gleich drei Glücksbringer dabei. Einen Stein von ihrer Zimmerpartnerin Brittany Phelan, die Silber gewann. Einen Stein von ihrem Freund Stan und einen in Herzensform von ihrer Mutter, den die Kanadierin während des Rennens in der Innentasche der Jacke bei sich trug. Ihr Freund Stan war sogar vor Ort unter den Zuschauern ein Glücksbringer, obwohl sie ihm eigentlich untersagt hatte, nach Südkorea zu kommen. Schließlich war es in Sotschi mit Silber für sie auch ohne ihn erfolgreich gelaufen. „Ich bin so glücklich, dass er nicht auf mich gehört hat“, sagte die 28-jährige Serwa. Entschuldigung: Auf Silber hatte Jocelyne Larocque so gar keine Lust. Die Medaille hing nur kurz um ihren Hals, da streifte Kanadas Eishockeyspielerin sie noch während der Siegerehrung nach der Final-Niederlage gegen die USA wieder ab. Eine Aktion, für die sich die 29-Jährige schnell via offizieller TeamMitteilung entschuldigte. Ihre Emotionen hätten sie überwältigt, es sei nicht respektlos gemeint.