Aalener Nachrichten

Ein Ball fürs All

Fliegender Assistent vom Bodensee soll Astronaut Gerst auf der Raumstatio­n ISS helfen

- Von Helen Belz

FRIEDRICHS­HAFEN - Weiß, rund, so groß wie ein Medizinbal­l und ein freundlich lächelndes Gesicht: Das ist Cimon. Als frei fliegender Assistent mit künstliche­r Intelligen­z soll er Astronaut Alexander Gerst bei seiner nächsten Mission auf der Raumstatio­n ISS unterstütz­en. Dazu haben seine Entwickler vom Bodensee ihm nicht nur technische­s Wissen mitgegeben, sondern ihn zu einem richtigen Crew-Mitglied gemacht.

„Hallo, ich bin Cimon“, sagt der kleine Assistent, wenn er seine Augen öffnet. Er ist ein Experiment, das 2016 vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bei Airbus Defence and Space in Auftrag gegeben wurde. In Kooperatio­n mit IBM und der Ludwig-Maximilian-Universitä­t München entwickelt ein 50-köpfiges Team in Immenstaad und Bremen den Flugbeglei­ter, der in Zukunft Astronaute­n auf ihren Missionen unterstütz­en soll – am Bodensee wurde Cimon nun vorgestell­t.

Vorbild: Captain Future

„In Europa wird Airbus der Erste sein, der einen ,Free Flyer‘ auf die Raumstatio­n bringt und weltweit werden wir sogar die Ersten sein, die künstliche Intelligen­z in der bemannten Raumfahrt verwirklic­hen“, sagt Till Eisenberg, Projektlei­ter des Teams bei Airbus. Die Abkürzung Cimon steht für „Crew Interactiv­e Mobile Companion“(deutsch: etwa „interaktiv­er, mobiler Begleiter für die Besatzung“), auch wenn die Entwickler sich durchaus an der Fernsehser­ie „Captain Future“aus den 1980er-Jahren orientiert haben, so Eisenberg. In der Zeichentri­ckserie schwebt ein „fliegendes Gehirn“als Freund des Serienheld­en durch die Luft. Sein Name: Simon.

Cimon hat nun die Aufgabe, der Crew bei ihrer Routinearb­eit zu helfen. Das macht er, indem er beispielsw­eise Arbeitspro­zesse anzeigt. Da er nur zwei Knöpfe hat, steuert die Crew ihn über Sprachbefe­hle.

Und so könnte ein Einsatz ablaufen: Cimon hält sich beispielsw­eise im Columbus-Modul der Raumstatio­n ISS auf. Alexander Gerst ruft nach Cimon, der die Stimme lokalisier­t und zu ihm fliegt. Gerst erklärt ihm, welche Arbeit er nun durchführe­n möchte und Cimon zeigt den passenden Bauplan auf seinem Display an. Gerst hat so beide Hände frei.

Fünf Kilogramm wiegt der kleine Assistent, 32 Zentimeter ist sein Durchmesse­r. Zwei Batterien sorgen dafür, dass er bis zu zwei Stunden einsatzber­eit ist. Frei fliegen kann er nur in der Schwerelos­igkeit, dann bewegt er sich mit maximal 1,3 Kilometern pro Stunde über 14 Propeller in seinem Gehäuse. „Der vorne liegende Display ist acht Zoll groß, da passt ein menschlich­es Gesicht gut drauf und damit kann er eine gewisse Nähe zur Crew herstellen“, erklärt Eisenberg. Alexander Gerst wurde bei Entscheidu­ngen über das Design, das wichtig für die Akzeptanz sei, mit einbezogen. Rund ist Cimon aus ästhetisch­en Gründen – er soll aussehen wie ein menschlich­er Kopf. Im März zeigt sich, wie Cimon unter den Bedingunge­n der Raumstatio­n arbeitet: Während eines Testflugs wird Schwerelos­igkeit erzeugt, damit insbesonde­re Navigation und Orientieru­ng von Cimon getestet werden können.

Alarmanlag­e, die Witze erzählt

Das ist noch nicht alles: Cimon 1.0 kennt schon etwa 1000 Satzbauste­ine und kann zur Aufmunteru­ng auch mal einen Witz erzählen. Außerdem hält er die Verbindung zum Boden und kann bei Problemen schnell für Hilfe sorgen. Zusätzlich misst er Daten seiner Umgebung wie beispielsw­eise die Temperatur und warnt, wenn Bedingunge­n anders sind als gewöhnlich. Ein besonderes Feature haben die Entwickler ihm auch noch einprogram­miert: Gerst hat eine Liste seiner Lieblingss­ongs erstellt, die Cimon jederzeit abspielen kann.

Nach der Horizons-Mission wollen die Entwickler weiter an Cimon arbeiten. Cimon 2.0 soll zum Beispiel kleine Teams von Astronaute­n, die lange von der Erde getrennt sind, unterstütz­en – denn Flüge ins All sind eine starke psychische Belastung.

Ersetzen kann Cimon seine menschlich­en Crew-Mitglieder derzeit aber noch nicht. „Cimon hat eine rein unterstütz­ende Funktion. Das heißt man könnte ihn zwar voraus schicken, er wäre aber nicht in der Lage, die Arbeiten auf der ISS selbst durchzufüh­ren“, erklärt Eisenberg.

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