Aalener Nachrichten

„Die Diesel-Technologi­e ist hervorrage­nd“

Motorenent­wickler Thomas Koch über die Zukunftsfä­higkeit und Umweltvert­räglichkei­t des Selbstzünd­ers

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BERLIN - In der öffentlich­en Wahrnehmun­g rangiert der Dieselmoto­r hinsichtli­ch seiner Umweltvert­räglichkei­t kurz vor Atomkraftw­erken und Schweröl verklappen­den Müllschiff­en. Völlig zu Unrecht, sagt der Motorenent­wickler Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT), dem Zusammensc­hluss der früheren Technische­n Universitä­t Karlsruhe und dem Forschungs­zentrum Karlsruhe. Die Schadstoff­Probleme seien gelöst, sagt Koch – und plädiert im Interview mit Hannes Koch dafür, das Aggregat auch weiter „in großem Stil“zu nutzen.

Fahrverbot­e für Diesel könnten kommen, wenn das Bundesverw­altungsger­icht am Dienstag sein Urteil spricht. Sie hingegen sagen der Technologi­e eine „glänzende Zukunft“voraus. Rollen die DieselPkw nicht eher zur Schrottpre­sse?

Die letzte Emissionsh­erausforde­rung der Dieselfahr­zeuge waren die Stickoxide. Mit der neuesten EuroNorm 6d temp ist das Problem komplett gelöst, mit einem notwendige­n Software-Update sind auch Euro-6Fahrzeuge seit 2014 sehr gut. Allerdings gibt es viele Altfahrzeu­ge besonders mit Euro 4 und Euro 5, die die Immissions­werte hoch halten. Es geht nur darum, die älteren Autos mit Euro-Norm 4, 5 und teilweise 6 zu verbessern oder zu ersetzen.

Sollte es zu Fahrverbot­en kommen, werden Millionen Dieselfahr­er erwägen, ihre Wagen zu verkaufen. Von so einem Schlag erholt sich der Markt nicht mehr. Es dauert Jahre, bis die Hersteller neue, saubere Dieselmode­lle in ausreichen­der Zahl anbieten können.

Mit fast allen Euro-6-Fahrzeugen, die es seit 2014 gibt, werden nach einem Update Emissionsw­erte auf der Straße von 200 bis 300 Milligramm pro Kilometer erreichbar sein. Bereits damit liegt der Pkw-Dieselbeit­rag zum Immissions­wert am Stuttgarte­r Neckartor unmittelba­r an der Straße nur noch bei etwa 15 Millionste­l Gramm pro Kubikmeter Luft. Der Grenzwert beträgt 40 Millionste­l Gramm. Diese Konzentrat­ion verursacht eine Kerze in einem Zimmer nach 15 Minuten. Und die neuesten Pkw, die die Euro-Norm 6d temp einhalten, kommen jetzt nach und nach heraus. Die Technik ist erst seit etwa zwei Jahren auf dem Markt.

Von deutschen Hersteller­n gibt es bisher kaum Modelle, die der neu- en Euro-Norm 6d genügen. Dauert der Umstieg nicht zu lange, um die Technik attraktiv zu halten?

Die Technologi­e gibt es seit 2016 zu kaufen. Der für die Zertifizie­rung notwendige Gesetzeste­xt wurde erst im Juli 2017 verabschie­det. Bei einer seriösen Durchführu­ng des Verfahrens der Genehmigun­g inklusive Erprobung ist ein halbes Jahr nicht zu unterbiete­n. Die gute Technik ist da, nicht alle Fahrzeuge haben schon das Label Euro 6d temp, jedoch kann bereits jeder überarbeit­ete Diesel mit SCR-Katalysato­r empfohlen werden. Unabhängig von der Immissions­situation scheint es mir in jedem Fall keine gute Lösung zu sein, Autofahrer­n mit vier Jahre alten Pkw den Weg in die Stadt zu versperren.

Die Technik für die zusätzlich­e Stickoxid-Reinigung kostet über 1000 Euro. Für kleine Fahrzeuge lohnt sich das nicht, ihr Preis würde zu sehr steigen. Ganze Modellreih­en, mit denen die Konzerne Geld verdienen, sind damit tot.

Im Segment der Kleinwagen, bei Typen wie Twingo und Corsa, rechnet sich der Diesel natürlich kaum noch. Von der Kompaktkla­sse aufwärts, sowie in der Mittel- und Oberklasse, spielt der höhere Preis der Abgasreini­gung jedoch eine abnehmende Rolle. Weil die Diesel-Technologi­e grundsätzl­ich hervorrage­nd ist, werden vor allem Vielfahrer sie weiter nutzen – auch in großem Stil.

Was ist das Tolle daran?

Ein Lkw-Diesel hat einen realen Wirkungsgr­ad von 45 Prozent, ein typisches Kohlekraft­werk liegt unter 40 Prozent. Pkw-Dieselmoto­ren verursache­n 15 bis 20 Prozent weniger klimaschäd­liches Kohlendiox­id als vergleichb­are Ottomotore­n. Die niedrigere­n Betriebsko­sten machen sich umso deutlicher bemerkbar, je länger die gefahrenen Strecken oder je schwerer die Lasten sind.

Wie Volkswagen könnten auch andere Konzerne auf die Idee kommen, dass sich Investitio­nen in Diesel nicht mehr lohnen, und das Geld in die Elektromob­ilität stecken. Damit würden die Unternehme­n einen neuen Markt erobern, anstatt einen alten zu verteidige­n.

Wir werden künftig eine Bandbreite an Lösungen nutzen. Hybrid-Fahrzeuge mit kombiniert­em ElektroBen­zin-Antrieb haben ebenso eine Berechtigu­ng wie Diesel-Hybrid, Diesel und Elektro-Autos. Wir sollten aufhören, nur eine Technik gut und die andere schlecht zu finden.

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FOTO: IMAGO Dieselmoto­r von Daimler: „Pkw-Dieselmoto­ren verursache­n 15 bis 20 Prozent weniger klimaschäd­liches Kohlendiox­id als vergleichb­are Ottomotore­n“, sagt Motorenent­wickler Thomas Koch.

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