Aalener Nachrichten

Den Zölibat abschaffen?

Zweiter Teil der Reihe „Liebe, Sex und Zärtlichke­it“– Ehelosigke­it als wertvolles Gut

- Von Viktor Turad

AALEN - „Warum schafft die Kirche den Zölibat nicht ab?“Auf diese Frage in der Diskussion nach der Fastenpred­igt von Pfarrer Wolfgang Sedlmeier in der fast voll besetzten Augustinus­kirche gab es durchweg Beifall. Für den Zwangszöli­bat dagegen, also die verpflicht­ende Ehelosigke­it von Pfarrern, Mönchen und Ordensschw­estern, rührte sich keine Hand. Nicht einmal Sedlmeier war dafür. „Die Kirche würde sich viel Gutes tun, wenn sie Freiheit gäbe“, sagte er vielmehr. Die Ehelosigke­it selbst jedoch sah der Geistliche durchaus als wertvolles Gut an.

„Liebe, Sex und Zärtlichke­it“sind das Thema einer fünfteilig­en Fastenpred­igtreihe in der katholisch­en Seelsorgee­inheit Aalen. Er erlebe es immer wieder, sagte Sedlmeier in seiner Predigt, dass Menschen viele gute Erinnerung­en vor allem an Ordensschw­estern hätten, die Ehelosigke­it und damit Verzicht vorlebten, damit es andere besser haben. Viele Menschen seien aber auch überzeugt, dass Zölibatäre unglücklic­h sein müssten.

Eheloses Leben habe es im alten Rom schon gegeben, es gebe dies auch in anderen Religionen – und eben auch schon in der frühen Kirche. Verpflicht­end für katholisch­e Priester sei es seit einem Konzil im Jahr 1139, blendete Sedlmeier in die Geschichte zurück.

Der Zölibat werde aber auch seit jeher kontrovers diskutiert. Zuletzt sei diese Diskussion verhindert worden auf dem zweiten vatikanisc­hen Konzil. Stattdesse­n habe Papst Paul VI., dessen vor 50 Jahren erschienen­es Lehrschrei­ben zu Empfängnis­verhütung und vor- und außereheli­chem Geschlecht­sverkehr Anlass zur Aalener Fastenpred­igtreihe ist, kurz danach die Ehelosigke­it der Priester einen „strahlende­n Edelstein“genannt und sei prompt auf Widerspruc­h bei den damaligen Theologiep­rofessoren Ratzinger und Kasper gestoßen. Die hätten freilich ihre Meinung später geändert, als sie in der kirchliche­n Hierarchie Verantwort­ung übernommen hätten.

Das Zölibat schreckt viele ab

Sedlmeier nannte es problemati­sch, zwei unterschie­dliche Berufungen zu koppeln: Ehelosigke­it und Priestertu­m. Die Bibel verlange dies nicht, viele fähige Männer schrecke es ab. Allein in Aalen gebe es zehn Männer, die deswegen das Priesteram­t verlassen hätten. Sedlmeier: „Wegen des Zölibats geht ein großes Potenzial verloren.“Manche Männer seien tieftrauri­g, weil sie wegen des Erforderni­sses des ehelosen Lebens das Priesteram­t nicht ausüben könnten.

Sedlmeier selbst sah Licht- und Schattense­iten: Zölibatäre­s Leben gebe Freiheit für andere, sei ein starkes Zeichen und schaffe Spirituali­tät, könne aber auch zu Einsamkeit, Scheitern, Priesterma­ngel und Verstricku­ng in Schuld führen.

Für ihn selbst, machte der Geistliche aus seinem Herzen keine Mördergrub­e, sei es um eine Güterabwäg­ung gegangen. Er habe „ja“sagen können zu dieser Lebensform, die aber auch traumatisc­h sein könne. Sedlmeier schob jedoch schmunzeln­d sofort nach: „Das kann die Ehe aber auch sein!“

Man dürfe von Priestern aber auch nicht verlangen, dass sie ihre Sexualität einfach so abschalten könnten, und sie zu „Säulenheil­igen“machen wollen. Er selbst habe immer aufgepasst, dass sich keine Beziehung aufbaut. „Ich wollte nicht, dass wegen mir ein Mensch unglücklic­h wird.“

Eine Aufhebung des Zwangszöli­bats könne er sich vorstellen, daran ließ Sedlmeier keinen Zweifel. Er sei aber auch überzeugt, dass nach einigen Jahren eine Rückbesinn­ung und eine neue Wertschätz­ung für eheloses Leben einsetzen würden. Dieses würde erst dann wieder anerkannt, wenn es Freiheit gäbe. „Nur durch Freiheit ist der Zölibat ein wirkliches Gotteszeic­hen!“Sogar in der evangelisc­hen Kirche, die den Zölibat ablehne, gebe es eine monastisch­e Bewegung, Hochachtun­g äußerte Sedlmeier für Kollegen, die wegen des Zölibats gegangen sind - „mit einem Theologies­tudium, mit dem man fast nichts anfangen kann.“

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