Halo spaltet die Formel 1
Der Cockpitschutz ist stark umstritten – Überlebenschancen bei Unfällen steigen um 17 Prozent
BARCELONA (SID) - Toto Wolff würde am liebsten kurzen Prozess machen. „Wenn man mir eine Kettensäge gibt, schneide ich den Halo einfach ab“, sagte der Mercedes-Motorsportchef bei der Präsentation des neuen Silberpfeils. Keine Frage, die Fahrzeugdesigner haben sich alle Mühe gegeben, den vom Weltverband FIA oktroyierten Titanbügel harmonisch in den Look der neuen Boliden einzufügen. Dieser soll den Fahrer im Cockpit schützen.
Beim neuen Ferrari von Sebastian Vettel etwa – der Heppenheimer greift in Barcelona erst am Dienstag ins Lenkrad – ist der „Heiligenschein“genauso knallrot wie weite Teile des SF71H. Besser kaschieren kann man den Cockpitaufsatz kaum. Und doch bleibt der Halo ein Zankapfel in der Formel 1. Auch Weltmeister Lewis Hamilton mag sich nicht so recht mit dem „Alien“anfreunden, der die Sicherheit in der Formel 1 weiter erhöhen soll – und den der Engländer am Montag beim Auftakt der Testfahrten aus seinem Cockpit genau in Augenschein nehmen konnte.
Denn in Zeiten der Digitalisierung und des sich wandelnden Konsumverhaltens kämpft auch die Motorsport-Königsklasse um jeden Fan. Gerade die Altvorderen fürchten durch Einführung des Halo einen weiteren Verlust an Attraktivität. „Fürchterlich, der Halo ist der größte Rückschritt“, sagt etwa der dreimalige Weltmeister Niki Lauda: „Jeder soll sich entscheiden, ob er einen Kiosk aufmachen oder in der Formel 1 fahren will.“
Der 69-jährige Lauda, seit 2012 Aufsichtsratsboss beim MercedesTeam, fuhr noch in einer Zeit, als der Tod an den Rennstrecken allgegenwärtig war. Die immanente Gefahr machte den Sport aber auch sexy. In der modernen Formel 1 gehen selbst heftigste Unfälle oft glimpflich aus, seit dem Tod des legendären Ayrton Senna vor fast 24 Jahren in Imola starb allein Jules Bianchi an den Folgen eines Rennunfalls. Und Studien legen den Schluss nahe, dass auch der Halo den Franzosen nicht gerettet hätte, als dieser beim JapanGrand-Prix 2014 mit seinem Wagen auf regennasser Strecke unter ein Bergungsfahrzeug rutschte.
Dennoch, und das räumt jeder Halo-Kritiker wenigstens mit einem Halbsatz ein, gibt es vom Sicherheitsaspekt kaum Argumente gegen die Einführung eines Cockpitschutzes. Laut einer FIA-Studie soll die Überlebenschance durch den Halo in verschiedenen Unfallszenarien um 17 Prozent steigen, weil die zwei seitlichen Titanstreben, die mittig im Sichtfeld des Fahrers zusammenlaufen, größere Teile oder Reifen effektiv aufhalten können.
Wir werden uns daran gewöhnen“, sagte Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas. Renault-Pilot Carlos Sainz junior schätzt, dass er „nach den ersten 20 Runden im Cockpit“die leichte Sichtbeeinträchtigung nicht mehr wahrnehmen werde. Dennoch fristet der „Heiligenschein“ein Dasein auf Bewährung – zumal der rund 14 kg schwere Halo auch das Fahrverhalten der Boliden verändert. Deswegen war am Montag die Zeit für Experimente angebrochen. Bleibt der Widerstand gegen den Halo aber groß, wird die FIA alternative Systeme testen.