Aalener Nachrichten

Kampf gegen den Kältetod

Die Kälte in Deutschlan­d ist derzeit Beschwerde­thema Nummer eins – Besonders schlimm trifft es Wohnungs- und Obdachlose

- Von Fabian Schäfer

STUTTGART (lsw) - Es ist mollig warm in der Tagesstätt­e „Olga 46“in Stuttgart. Das ist für viele der obdachund wohnungslo­sen Besucher dort derzeit das Wichtigste. An einem der Tische sitzt eine ältere Frau, neben ihr liegt ein zerbeulter Schlafsack. „Letzte Nacht habe ich gar nicht geschlafen. Ich war zuerst im Hauptbahnh­of, dann in einer Autogarage, immer hin und her“, erzählt die 60-Jährige am Dienstag mit müden Augen. Es sei schwer, einen festen Platz zu finden, irgendwo seine Ruhe zu haben. „Und es ist schon die ganze Woche sehr kalt. Bei so einer Kälte war ich noch nie draußen.“Hin und wieder schlafe sie im Park oder am Bahnhof. „Aber da werden wir verjagt. Man muss morgens aufstehen, bevor die Polizei kommt.“

Es ist kurz nach 9 Uhr. Um diese Uhrzeit sind normalerwe­ise die meisten der Gäste der Obdachlose­nhilfe schon weg. Frühstück gibt es bis 8.45 Uhr. Bei Dauerfrost um die minus zehn Grad am Morgen bleiben einige gerne noch etwas sitzen. „Im Winter kommen nicht unbedingt mehr Menschen zu uns. Aber sie bleiben länger“, erzählt Mitarbeite­r Kai Koch. „Vom einfachen Arbeiter bis zum Akademiker haben wir alles hier.“

Wie viele Einrichtun­gen in anderen Städten bietet das „Olga 46“der Stuttgarte­r Caritas Obdach- und Wohnungslo­sen sowie Armen ein Frühstück. Sie können auch duschen, dürfen aber auch nur zum Reden kommen. Und sie sollen sich aufwärmen. Um die 100 Menschen – derzeit dick vermummt – schauen im Durchschni­tt pro Tag vorbei. Derzeit sind es weniger, weil auch die Vesperkirc­he Hilfe bietet. Insgesamt gibt es in der Landeshaup­tstadt derzeit etwa 4000 Menschen ohne Wohnung. Um die 80 lebten durchgängi­g auf der Straße, weiß das Sozialamt. Im gesamten Südwesten sind laut Sozialmini­sterium etwa 22 800 Menschen (Stand: 2015) ohne Wohnung.

Das Hilfsangeb­ot in Stuttgart sei eigentlich sehr gut, sagt Koch. „Aber wenn es so kalt ist, kann es in den Unterkünft­en schon mal eng werden.“Viele Städte bieten in der kalten Jahreszeit zusätzlich­e Plätze in Unterkünft­en an.

Die Stadt Freiburg stockt ihre Obdachlose­nunterkünf­te von 30 auf 40 Plätze auf. Zudem wurde jüngst ein spezieller Container eingericht­et dort wird für Bedürftige gekocht.

Sozialmini­ster Manne Lucha (Grüne) sagt: „In Baden-Württember­g muss niemand auf der Straße übernachte­n.“Dennoch verweigern einige Wohnungslo­se die Hilfsangeb­ote – laut der Stadt Heilbronn aus Angst vor sozialem Kontakt oder weil sie beispielsw­eise Hunde besitzen, die in manche Unterkünft­e nicht mitgebrach­t werden dürfen.

Für die, die trotz aller Schlafopti­onen lieber draußen übernachte­n, ist in Stuttgart ein Kältebus unterwegs. Sobald Minusgrade gemessen werden, verteilen Helfer Decken, Schlafsäck­e und Tee. „Das Leben auf der Straße zehrt aus. Viele haben keine hohe Lebenserwa­rtung“, erklärt Caritas-Mitarbeite­r Koch. Der Bus nimmt auch Leute mit in die Unterkünft­e, aber das passiere immer seltener. Die Betroffene­n fühlten sich dadurch „einfach abgestellt“.

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FOTO: DPA Die Tagesstätt­e der Caritas in Stuttgart bietet Schutz vor Kälte.

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