Zum Abschied winkt Nosferatu
Kino am Kocher zieht von der Schleifbrückenstraße in die „Rosa Villa“
- „Fass ist leer, nur noch Flasche.“Jürgen Schwarz, Betreiber der Bar am Venushafen, hat genau kalkuliert. Nichts bleibt übrig, wenn Bar und das Kino am Kocher jetzt nach elfeinhalb Jahren von den Räumen in der Schleifbrückenstraße in die wenige Meter kocheraufwärts liegende „Rosa Villa“am Theodor-HeussGymnasium ziehen. Auch hier wird’s nur ein Interim: Fernziel für das Programmkino ist der Kulturbahnhof im Stadtoval. Das Gebäude an der Schleifbrückenstraße wird abgerissen. Am 23. März geht’s dann in den neuen Räumen weiter mit der Vorführung des Films „Blanka“– der noch vor dem Bundesstart und in Anwesenheit der Macher das neue Kino am Kocher eröffnet.
Am vergangenen Mittwoch lief der letzte Film im Kino, Murnaus „Nosferatu“aus dem Jahr 1922. Untertitel: „Eine Symphonie des Grauens“. Nomen est Omen? Ja, ein bisschen schon. „Traurig“beschreibt Jule Hoffmann, Kino-Mitbegründerin und Vorstand der kinobetreibenden Genossenschaft, ihre Stimmungslage. Bei der letzten Vorstellung hat sie Kassendienst und kriegt ziemlich deutlich mit, wie die treuen Kinobesucher den Abschied wahrnehmen. Lachend fügt sie aber an: „Ich würd’ sagen: anderthalb weinende und ein halbes lachendes Auge.“
„Das ehrenamtliche Engagement in der Genossenschaft“, fährt Jule Hoffmann fort, „ist ungebrochen.“Im Gegenteil: Der Umzug habe den zahlreichen Helfern sogar noch einen Schub gegeben. Am morgigen Samstag feiern die Genossenschaftsmitglieder noch einmal intern Abschied, dann startet der Umzug.
Etwas weniger Platz in den neuen Räumen
Der neue Kinosaal wird etwas kleiner, statt 71 stehen dann nur noch 52 Plätze zur Verfügung. „Das macht sie umso wertvoller“, sagt Jürgen Schwarz, der gerne das Positive sieht. „Als wir 2006 hier gestartet sind, da hätte ich nicht gedacht, dass wir in dieser Zeit ein zweites, ja bald sogar ein drittes Kino bauen“, blickt er zurück: „Jetzt wissen wir, dass wir’s können.“
Dann schickt er die Besucher cineastisch nach Transsylvanien, beruhigt die Besucher aber gleich: „Heute ist nicht Vollmond, erst übermorgen.“Drinnen ist der Saal schon prall gefüllt. Stefan „Gö“Rettenmaier, der am Klavier den Stummfilm in fünf Akten von „Vampyren und gar erschröcklichen Geistern“begleitet, hat eine große Fangemeinde mitgebracht. Seit 2012 hat er insgesamt acht Filme mit dem Klavier begeleitet. „Nosferatu“, die Mutter aller Horrorfilme, zum Abschluss sogar dreimal.
Ein bisschen erinnert der Abend an Aufführungen der „Rocky Horror Picture Show“, denn, was 1922 noch gruselig gewesen sein mag, regt heute eher zum Lachen an. Knarzende Burgtore, Werwölfe, der Ruf des Todesvogels: „Der Meister...ist...tot.“Die Stimmung ist locker, und auch nach dem Film, alle sind in die Bar am Venushafen umgezogen, wird gescherzt – bis das Bier schließlich alle ist. INTERVIEW