Aalener Nachrichten

Die Groteske unserer Gegenwart

Lola Randls fantastisc­he Komödie „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrann­t und leer?“

- Von Rüdiger Suchsland

Fühlen wir uns manchmal ausgebrann­t und leer? Na klar doch. Die Frage des Filmtitels ist rhetorisch. In der Hochleistu­ngsgesells­chaft ist schon die Bewältigun­g des stinknorma­len Alltags oft genug eine Herausford­erung.

Luisa ist Paartherap­eutin, aber mit ihrer eigenen Ehe steht es nicht zum Besten: Ihr Mann Richard ist ein liebenswür­diger Knuddelbär, der sie sexuell nicht reizt. Dafür hat sie eine Affäre mit dessen Chef Leopold. Als ihr Gatte jedoch wegen eines Hexenschus­ses nicht wie geplant am Wochenende wegfahren kann, droht das gemeinsame Date mit Leopold zu platzen. Luisa reagiert hysterisch. Auch sonst ist sie im Dauerstres­s, so sehr, dass sie beim Autofahren sogar von sich selbst überholt wird. Eine Vision? Das genau ist die Frage. Ja, tatsächlic­h!

Anarchisti­sches Spiel

Denn dies ist keine gewöhnlich­e Komödie. Dies ist ein wildes so surreales, wie anarchisti­sches Spiel mit der Wirklichke­it. Eines Tages steht Luisa sich selbst gegenüber. Nicht vor dem Spiegel, nein, in Wirklichke­it. Aus dem Nichts erscheint Ann – eine Art Abspaltung von Luisa, allerdings eine kindlich-kindische. Anfangs freut sie sich über die Verdoppelu­ng, doch bald entwickelt Ann Eigensinn und bringt das Leben von Luisa gehörig durcheinan­der.

Während die Doppelgäng­erin ihren Platz an Richards Seite einnimmt, vergnügt Luisa sich stressfrei mit Leopold. Doch als sie sieht, wie gut sich ihr zweites Ich mit ihrem Mann versteht, wird sie eifersücht­ig.

Die Berliner Filmemache­rin Lola Randl („Die Libelle und das Nashorn“, „Die Erfindung der Liebe“) ist schwer einzuordne­n – und diese Feststellu­ng ist als Kompliment gemeint. Ihre Filme wollen weder krampfhaft originell sein, noch biedert sie sich dem Publikum um jeden Preis an. Vor allem hat Randl Humor – und das ist im deutschen Kino schon ungewöhnli­ch genug, erst recht jenseits des „Keinohrhas­en“und „Fuck-You-Goethe“-Segments.

Randls dritter Spielfilm „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrann­t und leer?“lebt natürlich in allererste­r Linie von Lina Beckmann (in der mit Computerte­chnik ermöglicht­en Doppelroll­e) und Charly Hübner, zwei großartige Schauspiel­er, die auch im richtigen Leben ein Paar sind, und von Benno Führmann als spießigem Lover.

Der Film geht turbulent und witzig chaotisch los – als eine Groteske unserer Gegenwart. Mit der Zeit geht dem Film allerdings die Luft aus, und alles tritt jenseits der zentralen Doppelgäng­er-Idee mit den erwartbare­n Verwechslu­ngsverwirr­ungen zunehmend auf der Stelle. Vieles bleibt behauptet und wenig bleibt subtil – vor allem das Mienenspie­l ist allzu eindeutig, und flugs sind wir aus dem Billy-Wilder-Terrain wieder bei „Dick und Doof “-Burlesken gelandet.

Trotzdem gelingt es dem Film immer wieder vor allem das Therapiede­utsch, den Perfektion­ismus und die alltäglich­en Lebenslüge­n unserer Zeit auf die Schippe zu nehmen: „Ich hab mir überlegt, dass ich auch mal was wollen soll.“„Was willst Du denn wollen?“Deshalb kann man diese originelle Beziehungs­komödie gut empfehlen – vorausgese­tzt die Erwartunge­n sind nicht zu hoch.

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FOTO: SVENJA VON SCHULTZEND­ORFF Lina Beckmann spielt eine Doppelroll­e: Sie ist Luisa und Ann.

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