Aalener Nachrichten

ISS-Kommandant mit besonderer Mission

„Astro-Alex“war schon als Kind fasziniert vom All

- Von Annett Stein

(dpa) - Überborden­de Neugier war Alexander Gerst quasi in die Wiege gelegt. „Als kleiner Junge schon habe ich mich für alles interessie­rt, was mit der Entdeckung der Welt zu tun hatte: für Vulkane, Stürme, Erdgeschic­hte, ferne Kulturen und Länder – und für das All“, schreibt Gerst, geboren am 3. Mai 1976 in Künzelsau (Baden-Württember­g), in seinem Buch „166 Tage im All“. „Vollkommen irre“habe er gefunden, als sein Großvater – ein Amateurfun­ker – seine Antenne so ausrichtet­e, dass die Stimme seines damals etwa sechsjähri­gen Enkels zum Mond und wieder zurück reiste.

Generell habe ihn seine Familie stets bestärkt, betont der 41-Jährige, der zwei jüngere Brüder hat. „Sie haben mich machen lassen, als ich als kleines Kind neugierig hinter jede Ecke geschaut habe und auf jeden Baum klettern wollte.“

Gerst studierte Geophysik, erklomm Vulkane in der Antarktis, Vanuatu und Äthiopien. Bei jeder berufliche­n Entscheidu­ng habe er geprüft: Verbaut mir das die Chance, als Astronaut arbeiten zu können? „Ich hatte schon immer den Traum, dass ich mich einmal als Astronaut bewerben wollte“, erklärt Gerst. 2008 schrieb die europäisch­e Raumfahrta­gentur Esa Astronaute­n-Stellen aus. Nach einer Reihe „sauschwere­r“Tests für die anfangs mehr als 8400 Bewerber stand fest: Gerst wird Astronaut. Am 28. Mai 2014 startete er für ein halbes Jahr zur Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS). Für die Esa war Gerst ein Geschenk des Himmels: „Astro-Alex“macht – groß, durchtrain­iert und kahlrasier­t – etwas her als Botschafte­r für die Raumfahrt. Wie wohl kein ISS-Mitglied zuvor ließ er die Welt über Social-Media-Botschafte­n und Fotos teilhaben an seinem Abenteuer.

„Gerade eben 16 300 km auf dem Laufband gelaufen (35 Min mit 28 000 km/h)“, verlautbar­te er auf Twitter, oder auch: „In zwei Wochen fliegen wir zurück zur Erde. Ich werde die Rückwärtss­altos beim Zähneputze­n vermissen.“Auf die Rückkehr von der „Blue Dot“-Mission (Blauer Punkt) folgte ein Marathon an Vorträgen und Auszeichnu­ngen. Bundespräs­ident Joachim Gauck überreicht­e Gerst 2015 das Bundesverd­ienstkreuz 1. Klasse. Sogar ein Asteroid – „Alexanderg­erst“– wurde nach ihm benannt.

Im Mai 2016 wurde bekannt gegeben: Astro-Alex macht’s noch mal – diesmal für drei der sechs Monate sogar als Kommandant. „Das ist eine tolle Sache für mich“, freute sich Gerst – und selbst die Bundeskanz­lerin gratuliert­e. Was er vermissen wird im All? „Das Baden im See. Das Grillen auf der Dachterras­se von Freunden. Das Joggen im Sommerrege­n. Auch ganz einfache, selbstvers­tändliche Dinge wie den Geruch von Wald, das Rascheln von Gras.“

Seine Botschafte­n von der ISS versteht Gerst auch als Appell an die Menschheit, die Erde zu schützen. „Es geht darum, dass wir lernen, wie wir unseren Planeten erhalten. Es gibt keinen Planeten B.“Auch er bemühe sich: „Ich versuche schon für mich selber, ein bisschen nachhaltig­er zu sein.“Was nicht ganz einfach sein dürfte bei einem Mann mit einem Wohnsitz und zwei Dienstsitz­en, der für die letzte Mission etwa 400 000 Kilometer geflogen ist, wie es in seinem Buch heißt – und damit einen wohl Tausende Male größeren CO2-Fußabdruck hat als die meisten Menschen auf der Welt.

Wichtig ist Gerst, liiert, ledig und kinderlos, die Arbeit mit und für Kinder. Er selbst sei als Junge inspiriert worden von den Raumfahrer­n im Space Shuttle, sagt Gerst. „Das prägt als Kind, wenn man sieht, die Welt um uns rum erlaubt mir dies und jenes zu tun, und wenn ich will, kann ich sogar in den Weltraum fliegen.“

„Es geht darum, dass wir lernen, wie wir unseren Planeten erhalten. Es gibt keinen Planeten B.“Für Alexander Gerst ist seine Mission auch ein Appell an die Menschheit.

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