Seehofer will konsequentere Abschiebungen
CSU-Chef kündigt Masterplan für Asylpolitik an – SPD thematisiert „Grenzen der Integration“
BERLIN (dpa/AFP) - Die neue Bundesregierung steht in den Startlöchern. Am heutigen Montag wollen Union und SPD ihren Koalitionsvertrag unterzeichnen. Am Mittwoch soll Angela Merkel (CDU) im Bundestag zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Ihre neue Große Koalition will dann unverzüglich für mehr innere Sicherheit sorgen. Besonders der designierte Innenminister Horst Seehofer kündigt eine harte Linie in der Asylpolitik an. Doch auch die SPD will eine neue Debatte über Grenzen der Integration in Deutschland führen.
CSU-Chef Horst Seehofer kündigte in der „Bild am Sonntag“einen „Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen“an. Dafür werde er sich gleich nach der Amtsübernahme mit allen Mitarbeitern und den nachgeordneten Behörden zusammensetzen. „Besonders bei Straftätern und Gefährdern unter den Asylbewerbern müssen wir härter durchgreifen“, sagte Seehofer. „Wir wollen ein weltoffenes und liberales Land bleiben. Aber wenn es um den Schutz der Bürger geht, brauchen wir einen starken Staat.“
Auch in der SPD mehren sich die Stimmen, die eine offene Debatte um die Defizite bei der Integration von Flüchtlingen fordern. Im Bestreben, der AfD wieder Wähler abzunehmen, betonte die designierte Familienministerin Franziska Giffey, die neue Regierung müsse die „Ängste und Sorgen“aller Bürger berücksichtigen. SPD-Vizechefin Manuela Schwesig sagte der „Welt am Sonntag“: „Wir alle, auch die SPD, müssen uns eingestehen, dass wir die Debatte über faktische Grenzen der Integration stärker und ehrlicher mit den Leuten führen müssen, ohne die Aufnahme von Flüchtlingen infrage zu stellen.“Der niedersächsische SPDInnenminister Boris Pistorius sprach sich dafür aus, „dass man Probleme nicht tabuisiert, aber eben auch nicht dramatisiert.“
An die neue Bundesregierung haben die Deutschen mehrheitlich positive Erwartungen. In einer Umfrage der Meinungsforscher von Emnid sagten 56 Prozent der Befragten, dass sie mit einer guten oder eher guten Arbeit der neuen GroKo rechnen. Eine schlechte oder eher schlechte Arbeit erwarten 39 Prozent.
BERLIN - Mehr Unterstützung für die Polizei, Videoüberwachung an allen Brennpunkten, „Null Toleranz gegenüber Straftätern“und schließlich ein „Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen“– noch nicht im Amt, da hat es der künftige Bundesinnenminister Horst Seehofer bereits eilig, Der 68-Jährige will Deutschland künftig so sicher machen wie Bayern.
„Wir wollen ein weltoffenes und liberales Land bleiben. Aber wenn es um den Schutz der Bürger geht, brauchen wir einen starken Staat. Dafür werde ich sorgen“, erklärte der CSUChef in einem Interview mit „Bild am Sonntag“. Bayern gehöre zu den sichersten Regionen in Europa. Dies müsse auch im Rest der Republik möglich sein, so Seehofer. In ganz Deutschland müsse Konsens darüber herrschen, dass keine rechtsfreien Räume mehr geduldet würden, fordert der scheidende bayerische Ministerpräsident.
Für einen „starken Staat“
Am heutigen Montag will Seehofer gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem designierten Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Pläne der Großen Koalition in Berlin vor der Bundespressekonferenz erläutern. Am Nachmittag soll der Koalitionsvertrag offiziell unterzeichnet werden. Am kommenden Mittwoch stellt sich Bundeskanzlerin Merkel im Bundestag zur Wahl. Außerdem sollen die Minister ernannt und vereidigt werden. Nach Ostern soll das neue Bundeskabinett zu einer ersten Klausurtagung zusammenkommen, um über die ersten Weichenstellungen zu beraten. „Dann wird umgesetzt“, erklärte Seehofer. Dafür werde er sorgen. So müsse die Zahl der Rückführungen deutlich erhöht werden. Vor allem bei Straftätern und Gefährdern gelte es, härter durchzugreifen. Unmittelbar nach seiner Amtsübernahme wolle er mit Mitarbeitern und den nachgeordneten Behörden darüber beraten. Er werde für einen starken Staat sorgen.
Die Kontrollen an deutschen Grenzen sollten verlängert werden. „Erst wenn die EU-Außengrenzen geschützt sind, können die Kontrollen an unseren Grenzen wegfallen“, sagt Seehofer. Nach Ansicht des CSU-Chefs ist der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland bedroht. Als künftiger Heimatminister wolle er daher ein „Wertebündnis“schaffen, mit Vertretern der großen Religionen und Kirchen, aus dem Sport, mit Ehrenamtlichen wie den Tafeln, Stiftungen und Vereinen. „Es geht nicht um Dirndl oder Lederhose, sondern um gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen und um den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte er. Der CSU-Chef als Schwarzer Sheriff, Seehofer in der Rolle des Lawand-Order-Mannes – zur Durchsetzung seiner Pläne will Seehofer ein breites Bündnis mit den Bundesländern schmieden. Schließlich sind sie vor allem für die Sicherheit, für die Polizei und Abschiebungen zuständig. Ohne die Länder kann der künftige Bundesinnenminister bei den Rückführungen und der Kriminalitätsbekämpfung wenig ausrichten.
Bereits Anfang 2017 hatten sich Bund und Länder auf „eine nationale Kraftanstrengung“für mehr Abschiebungen verständigt. „Dies gilt gerade mit Blick auf solche Ausreisepflichtigen, von denen Sicherheitsgefahren ausgehen können“, hieß es vor gut einem Jahr. Anders als damals angekündigt sind im Jahr 2017 allerdings nicht mehr, sondern weniger Menschen als noch 2016 in ihre Heimatländer abgeschoben worden. So wurden im vergangenen Jahr 23 966 Flüchtlinge ohne Bleiberecht abgeschoben, darunter 60 Gefährder. Das sind 1409 Menschen weniger als im Jahr zuvor. Laut Bundesregierung ist der Grund für den Rückgang der Abschiebungen ein Sondereffekt aus 2016. Damals seien besonders viele Migranten in die Balkan-Staaten zurückgebracht worden, die als sichere Herkunftsländer gelten und mit denen es Rücknahmeabkommen gibt.
Im „Sonntagstrend“, den das Meinungsforschungsinstitut Emnid für „Bild am Sonntag“erhebt, bleiben CDU/CSU unverändert bei 33 Prozent. Die SPD legt gegenüber der Vorwoche um drei Punkte auf 19 Prozent zu. Die AfD sackt um zwei Punkte auf 13 Prozent ab. Jeweils einen Zähler verlieren die Linke (10 Prozent) und die FDP (8 Prozent). Die Grünen erreichen erneut 12 Prozent.