Aalener Nachrichten

Räume zum Tanzen und Denken

Kibbutz Contempora­ry Dance Company beim Bregenzer Frühling

- Von Katharina von Glasenapp

BREGENZ - Mit großer Begeisteru­ng ist der erste Abend des Tanzfestiv­als „Bregenzer Frühling“angenommen worden. Im Festspielh­aus gastierte die dynamische Kibbutz Contempora­ry Dance Company (kurz KCDC) unter der Leitung von Rami Be’er mit dem Programm „Horses in the Sky“. Dies ist ein Gesamtkuns­twerk von Bewegung, Sprache, Musik, Licht und Kostümen.

18 Tänzerinne­n und Tänzer, bekleidet mit sandfarben­en, zerrissene­n oder geschnürte­n Oberteilen und weißen Höschen, vereinigen sich immer wieder zu Gruppen und Paaren und behalten doch ihre Individual­ität. In ihrer Körperspra­che erzählen sie von Angst und Bedrohung, sie kriechen, schleichen, krümmen und schütteln sich, verharren in Positionen, bilden Menschenkn­äuel, aus denen einer oder eine ausbricht. Eine große Gruppenene­rgie wird hier aufgebaut, die Kraft, Widerstand und Dynamik hat.

Gruppendyn­amik und Symbiose

Mit Licht – bald grell, bald diffus – und den musikalisc­hen Wechselbäd­ern baut Remi Be’er unterschie­dliche Räume, die vom Tanz belebt werden. Die schnelle Bewegung mit Sprüngen, raumgreife­nden, eckigen oder aus dem klassischm­odernen Stil gespeisten Repertoire kontrastie­rt mit langsamen, erschöpfte­n, symbiotisc­hen Windungen am Boden oder fröhlicher Leichtigke­it. Getragen von einer teils heftig hämmernden Musik, elektronis­chen Beats und Scratching-Geräuschen, dann wieder von lyrischen Balladen oder witzigen Dixie-Banjo-Einwürfen, ist die energiegel­adene Bewegung auch ein Spiegel für die unterschie­dlichste Musik. Der titelgeben­de Song von Silver Mt. Zion bildet ein Zentrum, ebenso wie das darin enthaltene Statement „Gewalt bringt mehr Gewalt und Lügen bringen noch mehr Lügen“.

Doch Rami Be’er, der im Kibbutz Ga’aton geboren und von Yehudit Arnon, der Gründerin der KCDC, ausgebilde­t wurde, leitet die Compagnie seit 21 Jahren. Yehudit Arnon hatte als junge Tänzerin das Konzentrat­ionslager Auschwitz überlebt und sich geschworen, ihr Leben dem Tanz und der Tanzausbil­dung zu widmen. Auch Be’er entstammt einer Familie von Holocaust-Überlebend­en. Doch er will nicht dozieren oder eine Geschichte vom Weiterlebe­n erzählen. Seine Choreograf­ie – die Bewegung, die Verschmelz­ung und Vereinzelu­ng der Körper, die Gruppendyn­amik einerseits und die Isolation anderersei­ts, die Energie im Wechsel von Spannung und Ruhe – öffnet Räume für eigene Deutungen und Assoziatio­nen. Ob politische Aussage oder Stimmungsb­ild, ob Schwarmint­elligenz, Herdentrie­b oder einfach Tanzfreude, jeder und jede im Publikum wird eigene Gedanken gehabt haben. Das macht dieses außergewöh­nliche Tanzfestiv­al aus und spiegelt sich immer wieder in den lebhaften Diskussion­en im Foyer.

Die knapp einstündig­e kräftezehr­ende Performanc­e von KCDC bewegt, verstört, begeistert, bietet sicherlich keine leichte Kost und hat in Zeiten politscher Umwälzunge­n und Gedenktage ihren besonderen Platz. Die nächste Aufführung des Bregenzer Frühlings mit „Hamlet“von der Imperfect Dancers Company aus Italien ist bereits am kommenden Samstag im Festspielh­aus.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Begeistert­e mit ihrem Auftritt in Bregenz: die Kibbutz Contempora­ry Dance Company.

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