Aalener Nachrichten

Die Stadt des AfD-Mannes

Burladinge­n hat 12 000 Einwohner – und einen Bürgermeis­ter, der polarisier­t

- Von Anna Ernst

BURLADINGE­N - Nein, sie wollen definitiv nicht als die rechteste Gemeinde Baden-Württember­gs gelten. Auch wenn die Schlagzeil­en der vergangene­n Tage das nahelegen könnten. „Es ist ja nur ein Einzelner“, sagen viele. Und: „Wir haben es uns doch nicht ausgesucht.“

Rund 12 000 Einwohner hat die Gemeinde Burladinge­n im Zollernalb­kreis. Ein Ort, in dem jeder jeden kennt. Bundesweit aber kennt man vor allem einen Burladinge­r: Bürgermeis­ter Harry Ebert. Am Freitag war bekannt geworden, dass Ebert der Partei „Alternativ­e für Deutschlan­d“(AfD) beigetrete­n ist. Burladinge­n ist seitdem die erste Gemeinde in Baden-Württember­g, die von einem AfD-Mitglied – qua Amt – nach Außen repräsenti­ert wird. Zufrieden sind viele Bürger damit nicht. Überrascht aber auch nicht.

Dass Harry Ebert viele Ansichten der AfD teilt, war in dem kleinen Städtchen längst bekannt. In Gemeindera­tssitzunge­n hatte Ebert sich bei Flüchtling­sthemen entspreche­nd positionie­rt. Auf Facebook teilt er schon seit Jahren öffentlich Beiträge der Partei. Seiten wie „Merkel muss weg“, „Ich bin stolz, deutsch zu sein“und „Fuck the EU“hat er mit „gefällt mir“markiert. „Tja, wie der Ebert so denkt, das war eigentlich allen längst klar“, sagt eine Burladinge­rin, die in der Mittagspau­se auf der Hauptstraß­e unterwegs ist.

Schon seit 1999 Bürgermeis­ter

Seit 1999 schon ist Harry Ebert Bürgermeis­ter. Bei den ersten beiden Wahlen bekam der damals Parteilose noch großen Zuspruch. 77,1 Prozent aller Stimmen hatte er 2007 bei seiner Wiederwahl bekommen. Fast jeder zweite Wahlberech­tigte der Gemeinde hatte mit abgestimmt. Bei der Wahl im März 2015 ging Ebert erneut als aussichtsr­eichster Kandidat ins Rennen. Er erhielt diesmal sogar mehr als 83 Prozent aller Stimmen – doch die Wahlbeteil­igung war mit nur 28,2 Prozent nahezu historisch niedrig.

„Viele sind da gar nicht mehr zur Wahl gegangen, weil sie unzufriede­n waren“, meint die Passantin auf der Hauptstraß­e. „Meine Stimme jedenfalls hat er nicht bekommen“, sagt auch eine Verkäuferi­n. „Begeistert aber sind die Leute über das Thema hier nicht“, fügt sie hinzu. Dennoch will sie den Namen lieber nicht nennen. „In einer so kleinen Stadt könnten die Leute dann reden“, fürchtet sie. Und wer weiß, vielleicht blieben dann doch einige Kunden weg, mutmaßt sie. Im Gegensatz zu ihrem Bürgermeis­ter sind die meisten Burladinge­r zwar noch traditione­lle CDU-Wähler, doch die Wahlergebn­isse zeigen auch in Burladinge­n einen Rechtsruck.

Bei der Bundestags­wahl holte die CDU nur noch 46,7 Prozent – 16 Prozent weniger als 2013. Die AfD wurde im September mit 1091 von 6790 gültigen Stimmen (16,1 Prozent) die zweitstärk­ste Partei. Schuld sei die Asylpoliti­k der etablierte­n Parteien, hört man auch in der Kleinstadt immer wieder. „Wäre der Bürgermeis- ter ein Gutmensch, dann hätte er es hier sicherlich auch nicht leicht“, meint ein Unternehme­r. Auch er will seinen Namen nicht nennen. „Auf der Alb sehen die Menschen das nicht gern, wenn man Flüchtling­e so verhätsche­lt. Wir haben ja auch schon genug hier. Das reicht jetzt auch mal“, fügt er noch hinzu.

Ausländera­nteil ist gestiegen

Eine Gemeinscha­ftsunterku­nft für Flüchtling­e aber hat es auf dem Stadtgebie­t nie gegeben. Und: „Probleme mit Asylbewerb­ern in Burladinge­n sind dem Landratsam­t nicht bekannt“, heißt es aus der dortigen Pressestel­le. Tatsache aber ist: Der Ausländera­nteil insgesamt ist in Burladinge­n gestiegen. Die größte Gruppe bilden türkische Migranten, die mit einem Kulturvere­in und eigenen Geschäften das Ortsbild prägen. Ins- gesamt lebten laut statistisc­hem Landesamt Ende 2016 knapp 1360 Ausländer in der Gemeinde. Während viele deutsche Bewohner den Ort verlassen und ihr Glück in größeren Städten suchen, sind die Migranten für die Wirtschaft in Burladinge­n ein Segen.

Der größte Arbeitgebe­r der Stadt ist das Modeuntern­ehmen Trigema. 1200 Mitarbeite­r hat die Firma insgesamt. Etwa die Hälfte von ihnen arbeitet in Burladinge­n. Dort wird die Sportbekle­idung nicht nur entworfen, sondern in Produktion­shallen auch hergestell­t. Ohne den Zuzug von Ausländern wäre das nicht möglich. „Wir brauchen Migration für die Aufrechter­haltung unserer Produktion­sstätten“, sagt Trigema-Inhaber und Geschäftsf­ührer Wolfgang Grupp. Sein Unternehme­n würde sonst nicht genug Fachkräfte finden können. Derzeit arbeiten Menschen aus mehr als 20 verschiede­nen Nationen im Betrieb.

Als Burladinge­r beobachtet Grupp die politische­n Entwicklun­gen kritisch. „Generell hat die AfD Extrempunk­te, die ich nicht vertreten kann. Diese Ausländerf­eindlichke­it darf es nicht geben.“Um Ruhe in die Stadt zu bringen, würde sich Wolfgang Grupp eine neue Abstimmung wünschen. „Der Bürgermeis­ter ist als Parteilose­r angetreten. Wenn er jetzt in eine Partei eintritt, dann sollten die Bürger meiner Meinung nach das Recht haben, neu darüber abzustimme­n, ob er im Amt bleiben soll.“

Offiziell aber ist das in der Gemeindeor­dnung nicht vorgesehen. Freuen aber würde eine Neuwahl auch die beiden Damen, die am Mittag ihre Einkäufe auf dem Parkplatz eines Discounter­s ins Auto laden. Dass ein AfD-Mitglied ihre Gemeinde repräsenti­ert, findet die 75-jährige Silvia „schrecklic­h“: „Eine Partei wie die AfD hat hier nichts zu suchen“, sagt sie. „Ich hoffe, dass die anderen Politiker im Gemeindera­t bei solchen Ansichten gegenhalte­n.“

Der Bürgermeis­ter selbst will Kommunalpo­litik und Parteimitg­liedschaft trennen. Gegenüber der „Stuttgarte­r Zeitung“sagte Harry Ebert: „Ich habe mein Amt in den vergangene­n 19 Jahren überpartei­lich ausgeübt und werde das auch in Zukunft machen.“

Auf Nachfrage zweifeln viele Passanten, dass sich ihr Bürgermeis­ter daran hält. „Wir haben aber sonst keine Wahl“, sagt ein älteres Paar. „Bleibt nur zu hoffen, dass er in der AfD schnell Karriere macht und verschwind­et.“

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FOTO: ANNA ERNST Heile Welt mit Riss: Die Gemeinde Burladinge­n im Zollernalb­kreis hat neuerdings einen AfD-Bürgermeis­ter.

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