Aalener Nachrichten

Rückendeck­ung für die Briten im Giftanschl­ag

Attentat auf Ex-Spion Sergej Skripal: Solidaritä­t aus vielen Ländern – Moskau lehnt Londons Ultimatum ab

- Von Sebastian Borger und dpa

LONDON - Im Giftanschl­ag auf den ehemaligen Agenten Sergej Skripal sieht London einen klaren Schuldigen: Moskau. Bis zum Ablauf des britischen Ultimatums in der Nacht zum Mittwoch blieb offen, welche Sanktionen Großbritan­nien gegen Russland verhängen werde. Premiermin­isterin Theresa May hatte von Moskau Aufklärung darüber verlangt, wie der Kampfstoff Nowichok auf die Insel gelangt sei. Das Nervengift wurde britischen Wissenscha­ftlern zufolge beim Mordanschl­ag gegen den Doppelagen­ten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia in Salisbury verwendet. Rückendeck­ung erhielt Großbritan­nien aus Frankreich, den USA und von der Nato.

Russland hat das britische Ultimatum nach dem Giftanschl­ag auf den Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal zurückgewi­esen und London vor Konsequenz­en gewarnt. „Jegliche Drohungen, Russland mit Strafmaßna­hmen zu belegen, werden nicht unbeantwor­tet bleiben“, teilte das Außenminis­terium in Moskau mit (siehe nebenstehe­nden Text).

Mögliche Maßnahmen Großbritan­niens reichen von der Ausweisung in London akkreditie­rter Diplomaten, der Sperrung von Oligarchen­konten bis hin zum Entzug der Lizenz für den russischen TV-Sender Russia Today (RT). Über eine Cyberattac­ke spekuliert­e die Zeitung „The Times“. „Wie können wir jetzt noch zu Putins Fußball-WM fahren?" fragte „The Mail“. Bisher hieß es auf Regierungs­seite stets, das Fußballtur­nier werde von etwaigen Sanktionen nicht betroffen sein; lediglich Funktionär­e wie Prinz William, Schirmherr des englischen Fussballve­rbandes, würden ihre Russland-Reise absagen.

Nato: „Inakzeptab­el“

Von der Nato wurde der Einsatz des chemischen Kampfstoff­es als „abscheulic­h und völlig inakzeptab­el“gekennzeic­hnet. Der Zwischenfa­ll gebe Anlass zu „großer Besorgnis“, teilte Generalsek­retär Jens Stoltenber­g mit. Die EU teilte mit, man stehe „Schulter an Schulter“mit dem ausscheide­nden Mitglied. Außenminis­ter Boris Johnson freute sich über Solidaritä­tsbekundun­gen von Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron und dem scheidende­n deutschen Kollegen Sigmar Gabriel. Hingegen blieb US-Präsident Donald Trump lauwarm: Sein Land werde Russland verurteile­n, „wenn wir die Fakten kennen“.

Sergej und Julia Skripal schwebten auch am Dienstag noch in Lebensgefa­hr auf der Intensivst­ation des Bezirksspi­tals von Salisbury. Sie waren am vorvergang­enen Sonntag bewußtlos auf einer Parkbank in der südenglisc­hen Stadt gefunden worden, wo Skripal Senior seit 2011 wohnt. Im Jahr zuvor war der Oberst des militärisc­hen Abschirmdi­enstes im Rahmen eines Agentenaus­tausches aus russischer Haft freigekomm­en, wo er eine Haftstrafe wegen Spionage für den britischen Auslands-Geheimdien­st MI6 verbüsste. Unklar bleibt, wann und wo genau der Giftangrif­f erfolgte. Sowohl in einer Pizzeria als auch in einem Pub, in dem sich der Ex-Agent sowie seine aus Russland zu Besuch weilende Tochter aufgehalte­n hatten, wurden Spuren von Nowichok gefun- den. Rund 500 Menschen, die zwischen Sonntagmit­tag und Montagaben­d das Pub und die Pizzeria besucht hatten, wurden kanpp eine Woche später dazu aufgeforde­rt, ihre Kleider zu waschen und Mobiltelef­one oder Geldbeutel gründlich abzu- wischen. Die Menschen in seinem Wahlkreis seien „verstört und zornig“, erklärte der örtliche UnterhausA­bgeordnete John Glen.

In der opposition­ellen LabourPart­y besteht weitverbre­iteter Unmut über Parteichef Jeremy Corbyns Antwort auf Mays Unterhaus-Statement. Der Partei-Linke verurteilt­e die Straftat und forderte die Fortsetzun­g eines „robusten Dialogs“mit Moskau, ehe er zum Angriff auf die Regierungs­partei überging: Die Torys müssten sich stärker von russischen Versuchen distanzier­en, über Parteispen­den Einfluss auszuüben. Konservati­ve Abgeordnet­e reagierten mit Protestruf­en wie „Schande“; einflussre­iche Labour-Parlamenta­rier wie Yvette Cooper, Vorsitzend­e des Innenaussc­husses, verliehen der Hoffnung Ausdruck, „das ganze Haus“werde sich hinter der harten Regierungs­linie versammeln – eine kaum verhüllte Kritik an Corbyn.

Einem Bericht der „Sunday Times“zufolge haben russische Oligarchen sowie deren Familienmi­tglieder den Konservati­ven seit Mays Amtsantrit­t 2016 insgesamt 826 100 Pfund (932 400 Euro) zukommen lassen. Zudem sträubt sich die Regierung gegen Versuche, eine derzeit im Parlament beratene Vorlage zu einer britischen Version des Magnitski-Gesetzes zu verschärfe­n. Es bezieht sich auf den Fall des russischen Wirtschaft­sprüfers Sergej Magnitski, der einem russischen Korruption­sskandal auf die Spur gekommen war und 2009 in einem Moskauer Gefängnis starb.

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FOTO: DPA Ein Polizist vor dem Pub „The Mill“, in dem Spuren des Nervengift­s gefunden wurden, mit dem der ehemalige russische Doppelagen­t Skripal und seine Tochter Yulia vergiftet wurden.

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