Ohne Pomp und Getöse
Der Medizinartikelhersteller Hartmann vermeldet im Jubiläumsjahr einen Umsatzrekord
HERBRECHTINGEN - Eine 200-jährige Unternehmensgeschichte, jährlich neue Bestmarken bei Umsatz und Gewinn – Unternehmen mit solch einer Bilanz begehen ein Jubiläumsjahr nicht selten mit Pomp und Getöse. Ein Gegenentwurf dazu ist die Paul Hartmann AG aus Heidenheim an der Brenz. Die Präsentation der Geschäftsergebnisse 2017 vollzog der Hersteller von Wundauflagen und Inkontinenzprodukten nur wenige Tage nach dem 200. Firmengeburtstag ganz unprätentiös am Produktionsstandort Herbrechtingen.
Mit dem Zahlenwerk indes muss sich Vorstandschef Andreas Joehle keineswegs verstecken: Erstmals in der Unternehmensgeschichte wurde die Marke von zwei Milliarden Euro beim Umsatz geknackt. Wie der hochgewachsene Manager am Dienstag mitteilte, seien die Erlöse im vergangenen Geschäftsjahr um 3,6 Prozent auf 2,06 Milliarden Euro gestiegen. Auch der Gewinn legte zu, und zwar um vier Prozent auf 93,7 Millionen Euro. „Damit konnten wir an die Wachstumsraten der Vorjahre anknüpfen“, sagt Joehle. So klingt schwäbisches Understatement.
Tatsächlich hat Joehle die Hartmann-Gruppe durch fünf außerordentlich erfolgreiche Jahre geführt. Hat. Denn am Ende des Jahres wird der 57-Jährige das Unternehmen verlassen. Für den Abschied führt der gebürtige Berliner ausschließlich private Gründe an, die mit seiner Lebensführung zu tun haben. Was danach kommt, ließ er auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“offen.
Der geweckte schlafende Riese
Bei seinem ersten Auftritt auf der Aktionärsversammlung im Jahr 2014 hatte Joehle die Paul Hartmann AG noch als schlafenden Riesen bezeichnet, den er gerne wecken würde. Dieses Ziel dürfte er geschafft haben. Im Dezember 2017, als Joehles überraschende Demission öffentlich wurde, bestätigte ihm Aufsichtsratschef Fritz-Jürgen Heckmann, das Unternehmen in den vergangenen Jahren „richtig gut“vorangebracht zu haben.
Dabei ist das Marktumfeld durchaus herausfordernd. Unter dem Strich ist der Ausblick für die globale Gesundheitswirtschaft zwar positiv. Wachstumstreiber sind der demografische Wandel und die damit verbundene Zunahme von Pflegebedürftigen. In einem durch Zeit- und Kostendruck sowie durch Personalmangel belasteten Pflegebereich kommt innovativen, praktischen und kostengünstigen Produkten und Lösungen eine immer wichtigere Bedeutung zu. Doch gleichzeitig machen neue regulatorische Anforderungen wie die Medizinprodukteverordnung Paul Hartmann das Leben schwer.
Joehle präsentierte ein unscheinbares Pflaster und vier Ordner, vollgepackt mit 2500 Seiten Dokumentation. Das sei inzwischen notwendig, um selbst so simple Produkte wie Pflaster auf den Markt bringen zu können. „Was gut gemeint war, hat sich zu einem Moloch entwickelt“, sagt Joehle, der Paul Hartmann jährlich mit einem niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag belaste – Kosten, die sich nach Aussage des Unternehmenschefs, nicht an die Kunden weitergeben ließen und die „durch Prozesskosten optimierungen kompensiert werden müssen “.
Davon abgesehen hat Paul Hartmann das Tempo bei Produktinnovationen auch 2017 hoch gehalten. Beispiele sind das Mitte 2017 eingeführte Skintegrity-System – ein neuartiger Haut schutz für Inkontinenz windeln, der die Infektionsgefahr vermindert – oder Inkontinenzslips mit einem verbesserten Verschlusssystem, die sich deutlich schneller und einfacher anlegen und abnehmen lassen. Auch im Endkunden geschäft(Kneipp) wurden etliche neue Produkte eingeführt.
Für 2018 rechnet das Unternehmen, das mehr als 10 700 Mitarbeiter an elf Produktionsstandorten weltweit beschäftigt, mit einem weiteren „moderaten Umsatzanstieg“. Wegen anstehender Investitionen in neue Produkte und höhere Effizienz werde das Betriebsergebnis aber niedriger ausfallen als 2017, erklärte Finanz vorstand Stephan Schulz. Die Hart mannAktionäre–mehr als die Hälfte der Anteile hält der Ulmer Zementfabrikant Eduard Schleicher (Schwenk Zement KG) – sollen im Jubiläumsjahr mit einer konstanten Dividende von sieben Euro je Aktie am Unternehmens erfolg beteiligt werden.
Für die Zukunft sieht Noch-CEO Joehle Paul Hartmann gut gerüstet: „Die Weichen sind gestellt“, erklärte der Manager. Nun gilt es, denbe stmöglichen Nachfolger für das Traditionsunt er nehmen zu finden.