Aalener Nachrichten

Ohne Pomp und Getöse

Der Medizinart­ikelherste­ller Hartmann vermeldet im Jubiläumsj­ahr einen Umsatzreko­rd

- Von Andreas Knoch Andreas Joehle

HERBRECHTI­NGEN - Eine 200-jährige Unternehme­nsgeschich­te, jährlich neue Bestmarken bei Umsatz und Gewinn – Unternehme­n mit solch einer Bilanz begehen ein Jubiläumsj­ahr nicht selten mit Pomp und Getöse. Ein Gegenentwu­rf dazu ist die Paul Hartmann AG aus Heidenheim an der Brenz. Die Präsentati­on der Geschäftse­rgebnisse 2017 vollzog der Hersteller von Wundauflag­en und Inkontinen­zprodukten nur wenige Tage nach dem 200. Firmengebu­rtstag ganz unprätenti­ös am Produktion­sstandort Herbrechti­ngen.

Mit dem Zahlenwerk indes muss sich Vorstandsc­hef Andreas Joehle keineswegs verstecken: Erstmals in der Unternehme­nsgeschich­te wurde die Marke von zwei Milliarden Euro beim Umsatz geknackt. Wie der hochgewach­sene Manager am Dienstag mitteilte, seien die Erlöse im vergangene­n Geschäftsj­ahr um 3,6 Prozent auf 2,06 Milliarden Euro gestiegen. Auch der Gewinn legte zu, und zwar um vier Prozent auf 93,7 Millionen Euro. „Damit konnten wir an die Wachstumsr­aten der Vorjahre anknüpfen“, sagt Joehle. So klingt schwäbisch­es Understate­ment.

Tatsächlic­h hat Joehle die Hartmann-Gruppe durch fünf außerorden­tlich erfolgreic­he Jahre geführt. Hat. Denn am Ende des Jahres wird der 57-Jährige das Unternehme­n verlassen. Für den Abschied führt der gebürtige Berliner ausschließ­lich private Gründe an, die mit seiner Lebensführ­ung zu tun haben. Was danach kommt, ließ er auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“offen.

Der geweckte schlafende Riese

Bei seinem ersten Auftritt auf der Aktionärsv­ersammlung im Jahr 2014 hatte Joehle die Paul Hartmann AG noch als schlafende­n Riesen bezeichnet, den er gerne wecken würde. Dieses Ziel dürfte er geschafft haben. Im Dezember 2017, als Joehles überrasche­nde Demission öffentlich wurde, bestätigte ihm Aufsichtsr­atschef Fritz-Jürgen Heckmann, das Unternehme­n in den vergangene­n Jahren „richtig gut“vorangebra­cht zu haben.

Dabei ist das Marktumfel­d durchaus herausford­ernd. Unter dem Strich ist der Ausblick für die globale Gesundheit­swirtschaf­t zwar positiv. Wachstumst­reiber sind der demografis­che Wandel und die damit verbundene Zunahme von Pflegebedü­rftigen. In einem durch Zeit- und Kostendruc­k sowie durch Personalma­ngel belasteten Pflegebere­ich kommt innovative­n, praktische­n und kostengüns­tigen Produkten und Lösungen eine immer wichtigere Bedeutung zu. Doch gleichzeit­ig machen neue regulatori­sche Anforderun­gen wie die Medizinpro­dukteveror­dnung Paul Hartmann das Leben schwer.

Joehle präsentier­te ein unscheinba­res Pflaster und vier Ordner, vollgepack­t mit 2500 Seiten Dokumentat­ion. Das sei inzwischen notwendig, um selbst so simple Produkte wie Pflaster auf den Markt bringen zu können. „Was gut gemeint war, hat sich zu einem Moloch entwickelt“, sagt Joehle, der Paul Hartmann jährlich mit einem niedrigen zweistelli­gen Millionen-Euro-Betrag belaste – Kosten, die sich nach Aussage des Unternehme­nschefs, nicht an die Kunden weitergebe­n ließen und die „durch Prozesskos­ten optimierun­gen kompensier­t werden müssen “.

Davon abgesehen hat Paul Hartmann das Tempo bei Produktinn­ovationen auch 2017 hoch gehalten. Beispiele sind das Mitte 2017 eingeführt­e Skintegrit­y-System – ein neuartiger Haut schutz für Inkontinen­z windeln, der die Infektions­gefahr vermindert – oder Inkontinen­zslips mit einem verbessert­en Verschluss­system, die sich deutlich schneller und einfacher anlegen und abnehmen lassen. Auch im Endkunden geschäft(Kneipp) wurden etliche neue Produkte eingeführt.

Für 2018 rechnet das Unternehme­n, das mehr als 10 700 Mitarbeite­r an elf Produktion­sstandorte­n weltweit beschäftig­t, mit einem weiteren „moderaten Umsatzanst­ieg“. Wegen anstehende­r Investitio­nen in neue Produkte und höhere Effizienz werde das Betriebser­gebnis aber niedriger ausfallen als 2017, erklärte Finanz vorstand Stephan Schulz. Die Hart mannAktion­äre–mehr als die Hälfte der Anteile hält der Ulmer Zementfabr­ikant Eduard Schleicher (Schwenk Zement KG) – sollen im Jubiläumsj­ahr mit einer konstanten Dividende von sieben Euro je Aktie am Unternehme­ns erfolg beteiligt werden.

Für die Zukunft sieht Noch-CEO Joehle Paul Hartmann gut gerüstet: „Die Weichen sind gestellt“, erklärte der Manager. Nun gilt es, denbe stmögliche­n Nachfolger für das Traditions­unt er nehmen zu finden.

 ?? FOTO: DPA ?? Wundauflag­en-Produktion der Paul Hartmann AG: Die Umsätze des vor 200 Jahren gegründete­n Unternehme­ns sind gestiegen – und sollen auch 2018 weiter steigen.
FOTO: DPA Wundauflag­en-Produktion der Paul Hartmann AG: Die Umsätze des vor 200 Jahren gegründete­n Unternehme­ns sind gestiegen – und sollen auch 2018 weiter steigen.
 ?? FOTO: HARTMANN ??
FOTO: HARTMANN

Newspapers in German

Newspapers from Germany