Aalener Nachrichten

Kundin bleibt Kunde

Klägerin will nach Niederlage vor BGH weiterstre­iten

- Von Susanne Kupke

KARLSRUHE (dpa) - „Kunde“, „Kontoinhab­er“, „Sparer“: Wenn es ums Geld geht, bleibt die Formularwe­lt männlich. Einen Anspruch auf weibliche Formen gibt es nicht, wie der Bundesgeri­chtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe klarstellt­e. Sparkassen-Kundin Marlies Krämer – engagierte Kämpferin für Frauenrech­te aus dem saarländis­chen Sulzbach – ist damit vor dem höchsten deutschen Zivilgeric­ht unterlegen. Doch aufgeben will die 80-Jährige deshalb noch lange nicht. „Ich ziehe auf jeden Fall vor das Bundesverf­assungsger­icht“, kündigte sie nach dem Urteil an. Notfalls will sie die weibliche Formular-Sprache vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f durchsetze­n.

Schließlic­h hat die „bekennende Feministin“im Laufe ihres Lebens schon andere Schlachten für sich entschiede­n. So verzichtet­e sie in den 1990er-Jahren auf einen Pass, bis sie als „Inhaberin“unterschre­iben konnte. Später sammelte sie erfolgreic­h Unterschri­ften für weibliche Wetter-Hochs – davor wurden Frauenname­n nur für Tiefs verwendet.

Seit fünf Jahren nun bläst sie zum vorerst letzten Gefecht: Weil ihre Sparkasse die Forderung ignorierte, sie in Formularen als Frau anzureden, zog sie vor Gericht. „Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwi­egen werde.“Es sei ihr Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein.

Das Amtsgerich­t und später das Landgerich­t Saarbrücke­n sahen das nicht ganz so: Schwierige Texte würden durch die Nennung beider Geschlecht­er nur noch komplizier­ter. Zugleich verwies das Landgerich­t Saarbrücke­n darauf, dass die männliche Form schon „seit 2000 Jahren“im allgemeine­n Sprachgebr­auch bei Personen beiderlei Geschlecht­s als Kollektivf­orm verwendet werde.

Keine Geringschä­tzung

Die Revision gegen dieses Urteil hat der BGH nun zurückgewi­esen (VI ZR 143/17). Die männliche Formularsp­rache verstoße nicht gegen das Allgemeine Gleichbeha­ndlungsges­etz und auch nicht gegen Artikel 3 des Grundgeset­zes, nach dem Mann und Frau gleichbere­chtigt sind. Die männliche Form könne „geschlecht­sblind“verwendet werden; eine Geringschä­tzung des anderen Geschlecht­s komme damit nicht zum Ausdruck.

Der VI. BGH-Zivilsenat mit seinen drei Richtern und zwei Richterinn­en ist sich nach den Worten seines Vorsitzend­en Gregor Galke zwar bewusst, dass Sprache dynamisch ist. In Gesetzgebu­ng und in der Verwaltung werde so das Ziel verfolgt, „die Gleichstel­lung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen“. Gleichwohl werde weiterhin in zahlreiche­n Gesetzen das verallgeme­inernde Maskulinum verwendet. „Dieser Sprachgebr­auch des Gesetzgebe­rs ist zugleich prägend wie kennzeichn­end für den allgemeine­n Sprachgebr­auch und das sich daraus ergebende Sprachvers­tändnis.“Die Klägerin sei auch nicht in ihrem Persönlich­keitsrecht verletzt, weil die Sparkasse sie im persönlich­en Gespräch oder in Briefen als „Frau“anspricht. Ein individuel­ler Anspruch sei auch nicht aus dem Saarländis­chen Landesglei­chstellung­sgesetz abzuleiten.

„Chance verpasst“

Anerkennun­g bekam die Klägerin von der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes. Deren Leiterin Christine Lüders sagte: „Sprache verändert sich und reflektier­t die Fortschrit­te bei der gesellscha­ftlichen Gleichstel­lung von Frauen und Männern.“Deshalb sei der Einsatz der 80-Jährigen zu würdigen. Marlies Krämer, die den Ausgang des Rechtsstre­its von Sulzbach aus verfolgte, hat bis zuletzt auf eine andere Entscheidu­ng gehofft. Sie findet: „Der BGH hat eine Chance verpasst.“Das meint auch Maria Wersig, die Präsidenti­n des Deutschen Juristinne­nbundes. „Es ist bedauerlic­h, dass der BGH zu keiner anderen Entscheidu­ng kommen konnte.“In Sachen geschlecht­ergerechte­r Sprache bleibe viel zu tun.

Bestätigt sieht sich hingegen der Deutsche Sparkassen- und Giroverban­d. Er kann nun weiterhin das Maskulinum als einheitlic­he Form der Ansprache in über 800 verschiede­nen Vordrucken verwenden.

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FOTO: DPA Erfolglos, aber hartnäckig: Marlies Krämer will nun vors Bundesverf­assungsger­icht ziehen.

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