Keiler Olaf: Zutraulich, zahm, tot
Erschossenes Wildschwein war aus einem Wasseralfinger Gehege entlaufen.
AALEN - Das Wildschwein, das sich am Dienstagnachmittag ins Foyer des Aalener Ostalb-Klinikums verirrt hatte und dann von der Polizei erschossen worden war (wir berichteten), schlägt inzwischen auf allen Kanälen hohe Wellen. Denn mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass es sich bei dem Tier keinesfalls um ein frei lebendes Wildschwein aus dem nahen Wald gehandelt hat, sondern dem Wasseralfinger Jäger Alfred Roder gehörte, der es in seinem Gehege am Fuße des Wasseralfinger Katzenbuckels als zahmes, an Menschen gewöhntes Tier gehalten hat. Von dort aus hatte sich das Wildschwein auf Wanderschaft begeben. Und weshalb sich viele jetzt fragen, ob das Tier überhaupt getötet werden musste.
Ein Wildschwein im Foyer eines Klinikums – sicher kein alltäglicher Krankenhausbesuch. Weshalb zumindest ein menschlicher Besucher dort in einem Videoclip diese wahrlich tierische Abwechslung im Krankenhausalltag festgehalten hat. Über Facebook und Co. hat sich das Filmchen inzwischen weit verbreitet. Zu sehen ist, wie sich Olaf – so hieß Roders Wildschwein – zwar interessiert, aber vollkommen ruhig und friedlich durchs Klinikfoyer schnüffelt, sich an den Menschen dort – Arzt wie Besucher – geradezu entlanghangelt, ohne auch nur den leisesten Anschein von Angriffslust oder Aggressivität zu erwecken. Auffallend auch: Kein Mensch erschrickt zumindest sichtbar, rennt weg oder gerät gar in Panik. Im Gegenteil: Das Ganze macht einen äußerst geordneten und ungefährlichen Eindruck. Am Schluss des Videos schlägt Olaf eine äußerst menschliche Richtung ein – er begibt sich zur Cafeteria. Um kurze Zeit später doch niedergestreckt zu werden – mit sechs Schüssen aus einer Polizeiwaffe, wie Roder später beim Aufbruch des toten Tieres nachzählen konnte.
Erinnerungen an Sonja anno 2011
Schnell werden Erinnerungen wach an das Jahr 2011, als schon einmal eine zahme Wildsau Roders ihr Leben lassen musste. Seine Sonja wurde damals auf einem „Ausflug“vom Revierförster erschossen, nachdem sich Spaziergänger offenbar an ihr erschreckt hatten. Dass jetzt der junge Keiler Olaf ausgebüxt war, war Roder am Dienstag schnell klar, nachdem einer seiner Söhne bei einem Kontrollbesuch am Gehege festgestellt hatte, dass das Tier fehlt. „Zu dritt haben wir uns sofort auf die Suche gemacht“, erzählt Roder, fast instinktiv sogar in Richtung Krankenhaus. „Vermutlich sind wir nur fünf Minuten zu spät gekommen“, glaubt er.
Denn inzwischen war die Polizei alarmiert worden und beim OstalbKlinikum angerückt. Was sich dann abgespielt hat, darüber scheinen die Auffassungen auseinander zu gehen. Dass die Beamten Olaf „im Einvernehmen mit dem örtlichen Jagdpächter“getötet hätten, wie es in einer Polizeimeldung vom Mittwochvormittag hieß, diese Aussage hat die Polizei auf Nachfrage der „Aalener Nachrichten“inzwischen selbst wieder zurückgenommen. Er sei, so sagt Kurt Gramlich, der Jagdpächter im Rohrwang, von der Polizei erst angerufen worden, nachdem das Wildschwein schon tot gewesen sei. Die Beamten hätten ihm gesagt, sie hätten ein Wildschwein beim Ostalb-Kilikum erlegen müssen, er solle es abholen, da es ja in seinem Revier sei. Kurz danach, so Gramlich, habe sich die Polizei erneut gemeldet mit der Aussage, sie wisse nun, wem das Wildschwein gehöre, der Besitzer werde es abholen. „Weshalb ich überhaupt nicht vor Ort gewesen bin“, sagt Gramlich.
Tier war an Menschen gewöhnt
Allerdings bleibt die Polizei bei der schon in ihrer Pressemeldung geäußerten Feststellung, das Wildschwein habe deshalb getötet werden müssen, weil es eine Gefahr für die Menschen im Krankenhaus und für den Straßenverkehr am Klinikum dargestellt habe. „Wir haben keine andere Handlungsmöglichkeit gehabt, in einer solchen Situation gibt es keine Alternative“, sagt Bernd Märkle, einer der Sprecher der Polizeipräsidiums Aalen, auf nochmalige Nachfrage der „Aalener Nchrichten“. Die Polizei dürfe nicht in eine Situation geraten, in der sie zwar vor Ort sei, aber nichts unternehme, weshalb dann am Ende doch etwas passiere. Das würde kein Mensch verstehen, so Märkle.
„Die Sau war an Menschen gewöhnt, hat den Anschluss an Menschen gesucht“, sagt Alfred Roder. Davon ist er nicht nur überzeugt, das hätte man auch daran sehen können, wie sich Olaf im Klinik-Foyer verhalten habe, meint Roder unter anderem mit Blick auf die Polizeibeamten. Gefunden hat Roder seinen Olaf schließlich nicht vor dem Ostalb-Klinikum, sondern 50 Meter hinter der Schranke auf einem Waldweg, der vom Kreisverkehr vor dem Klinikum in den Rohrwang hineinführt. Was dem erfahrenen Waidmann seltsam vorkommt. Ob die Beamten das Wildschwein bis hierhin verfolgt und erst dann geschossen haben, weiß er nicht. „Dann wäre es ja schon wieder im Wald gewesen“, sagt Roder. Was dann der in der Polizeimeldung gemachten Aussage völlig widersprechen würde, das Wildschwein habe keinerlei Anstalten gemacht, wieder in den Wald zurückzukehren. Nicht vorstellen kann sich Roder allerdings, das s Olaf mit sechs Schüssen im Leib – davon, wie er feststellte, zwei im Kopf – noch eine größere Strecke hätte davonrennen können. „Ich bin trotzdem froh, dass niemandem etwas passiert ist“, sagt Alfred Roder. Außer seinem Olaf, von dessen Friedlichkeit und Menschenliebe er nach wie vor überzeugt ist.