Jubelnde Musik erfüllt die Stadtkirche
Kammerchor und Barockorchester Stuttgart führen Bachs h-Moll-Messe auf
ELLWANGEN - Nur vereinzelte Plätze sind in der Ellwanger evangelischen Stadtkirche leer geblieben, als Kammerchor und Barockorchester Stuttgart Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe aufgeführt haben.
Die Messe ist Bachs letztes vollendetes Vokalwerk und zugleich der Höhepunkt seines reichen kompositorischen Schaffens. Auch wenn nicht wenigen die unverbrüchliche Glaubensgewissheit und eiserne Glaubensstrenge des Thomaskantors fremd sein mögen, so bewegt diese Missa solemnis mit 18 Chorsätzen und neun Arien auch die Menschen unserer Tage als Bachs großes musikalisches Vermächtnis.
Summe jahrzehntelanger Arbeit
Wie kaum ein anderes hat dieses Werk seinen Ruhm in alle Welt getragen. Kammerchor und Barockorchester Stuttgart, die in diesem Jahr ihr 50. Jubiläum feiern, haben sich unter der Leitung ihres Gründers Frieder Bernius dem Opus schrittweise genähert und mit der bis ins Detail ausgefeilten Aufführung die Summe jahrzehntelanger Arbeit gezogen.
Bernius ist ein anerkannter, unter anderem mit der Bach-Medaille der Stadt Leipzig ausgezeichneter Bach-Experte. Franz Liszt hat die hMoll-Messe, die Bach in nicht weniger als einem Vierteljahrhundert während seiner Zeit als Kantor an der Leipziger Thomaskirche komponierte, ehrfürchtig als „Mont Blanc der Kirchenmusik“bezeichnet.
Es handelt sich nicht um eine erbauliche Passions- oder Weihnachtsgeschichte. Johann Sebastian Bach hat vielmehr einen katholischen Ritus vertont, in dem es ausschließlich um das Bekenntnis des sündigen Menschen zu Gott und um die Verherrlichung der Erlösung nach dem Tode geht, die allen wahrhaft Gläubigen zuteil werde.
Die Aufführung der Stuttgarter überzeugte durch den homogenen, beweglichen und wohltuend ausbalancierten Klang des klug geführten und deutlich artikulierenden Chors. Der Kammerchor Stuttgart gilt als eines der besten Vokalensembles weltweit. Das Repertoire umfasst Chorliteratur vom 17 bis zum 21. Jahrhundert.
Herausragender Countertenor
Das Barockorchester Stuttgart ist auf Musik des 18. Jahrhunderts und historische Aufführungspraxis spezialisiert. Gleichermaßen akribisch wie transparent und pointiert spielend, gestaltete es unter Bernius‘ Dirigat die üppige, strahlende, jubelnde Kraft und verinnerlichte Tiefe von Bachs Musik, ohne in überbordendes Pathos abzugleiten. Mit der Sopranistin Johannette Zomer, Tenor Jan Kobow und Bariton Christian Immler standen Chor und Orchester ausgezeichnete Solisten zur Seite.
In einzelnen Passagen hätte man sich dennoch mehr Klangfülle für die Zuhörer in den hinteren Reihen gewünscht. Diese erreichte mühelos und begeisternd der herausragende Countertenor David Allsopp. Am Glanz der Aufführung hatte er einen maßgeblichen Anteil.
„Geistliche Musik muss kommunikativ und meditativ zugleich sein. Sie muss die Menschen ansprechen, ohne sich anzubiedern, und sie in die Mitte führen, ohne sie zu verführen“, postulierte Georg Christoph Biller, 16. Thomaskantor zu Leipzig nach Johann Sebastian Bach. Diesem hohen Anspruch ist die Aufführung in der Stadtkirche gerecht geworden. Die Zuhörer dankten mit minutenlangem Beifall.