Warum Manga Bell sterben musste
Christian Bommarius enthüllt die Fehler der deutschen Kolonialzeit in Afrika
AALEN - In wenigen Tagen, am 27. März, bekommt Christian Bommarius für seine literarischen Werke den bedeutenden Heinrich-Mann-Preis überreicht. Am Donnerstag sprach der Berliner Jurist und Journalist beim Geschichtsverein Aalen. Er enthüllte schonungslos die Fehler der ehemaligen deutschen Kolonialzeit in Kamerun, die vor 100 Jahren zu Ende ging. Das Opfer falscher Beschuldigungen war Provinzkönig Manga Bell, der in Aalen zur Schule ging und 1914 kurz vor Kriegsbeginn ermordet wurde.
Gerhard Kayser hieß im Namen des Geschichtsvereins zahlreiche Zuhörer im vollbesetzten Saal des DRK-Rettungszentrums willkommen, darunter den ehemaligen Landtagsvizepräsidenten Alfred Geisel, den Landtagsabgeordneten Winfried Mack (CDU) und den ehemaligen Aalener Oberbürgermeister Ulrich Pfeifle. Jean-Pierre Félix Eyoum, der in Dorfen bei München Lehrer einer Behindertenschule war und ein Großneffe von Manga Bell ist, zeigte Fotos aus der Zeit, als sein Großonkel Schüler der Aalener Lateinschule war.
Vier Jahre lebte er in der Friedrichstraße
Von 1891 bis 1895 lebte Manga Bell mit seinem Freund Tube bei der Aalener Lehrerfamilie Oesterlein, die in der Friedrichstraße 24 wohnte. „Auf dem Foto schaut Tochter Klara gerade aus dem Fenster“, wie der Urenkel von Lehrer Oesterlein, Rolf-Dieter Röger, erkannte und den Zuhörern erklärte. Die Reise und den Aufenthalt der beiden jungen Afrikaner hatte der berühmte Aalener Bürger Gustav Adolf Pahl vermittelt, der seit 1888 Kaiserlicher Finanzrat in Kamerun war.
Detailreich und spannend berichtete Christian Bommarius über den zeitgeschichtlichen Hintergrund der deutschen Kolonialzeit in Kamerun. „King Bell“, der Großvater von Manga Bell, wollte, dass Deutschland und nicht England Schutzmacht von Kamerun wird. So kam es auch und viele deutsche Kaufleute strömten ins Land. Zuerst herrschte gutes Auskommen mit der einheimischen Bevölkerung, die vom Fischfang lebte und einträglichen Handel mit dem Hinterland trieb.
Mit der Zeit begannen die Auseinandersetzungen mit der deutschen Kolonialverwaltung um das Handelsmonopol. Auf dem Stammesgebiet der Douala, der ethnischen Gruppierung der Bell-Herrschersippe, sollte eine große Hafenstadt an der Küste entstehen. Es kam zu illegalen Enteignungen durch die Kolonialherren, gegen die sich Manga Bell zur Wehr setzte. Nach einem Jurastudium in Metz, damals zum deutschen Reich gehörend, hatte er sich gute Rechtskenntnisse angeeignet.
Leichen hängen drei Tage am Galgen
Sein Eintreten für die bestehenden Verträge mit der Kolonialmacht, die den Douala-Leuten ihre Grundstücke zugesagt hatte, führte zu heftigem Streit. Dazu kam die Angst der Deutschen vor dem drohenden Krieg mit England. Manga Bell schickte sogar einen jungen Einheimischen namens Gusedi heimlich mit dem Schiff nach Deutschland, um im Reichstag in Berlin die Rechte des Douala-Volkes einzuklagen.
Letztlich gab es von dort keinen Rückhalt. So kam es in der Torschlusspanik des im September 1914 ausgebrochenen Weltkrieges zur Verurteilung Manga Bells und seines vertrauten Helfers wegen Hochverrats zur Todesstrafe, die am 8.August durch Erhängen vollzogen wurde. „Die Leichen hingen zur Abschreckung drei Tage im Regen am Galgen“, wusste Bommarius in seinen Ausführungen.
Alle Bemühungen um Rücknahme des offensichtlichen Justizmordes und Rehabilitierung Manga Bells seien bis heute zum Scheitern verurteilt. Auch in Kamerun habe man kein Interesse daran, weil – so Bommarius – der derzeitige Präsident von der Bell-Sippe nichts wissen wolle, weil sie der „falschen Ethnie“angehören. Bei den Doualas genießen die Grabmale Manga Bells und Gusedi allerdings bis heute hohe Verehrung.