Kein Beamter musste NSDAP-Mitglied sein
Professor Wolfram Pyta spricht in der Synagoge Oberdorf über die Landesministerien in der NS-Zeit
BOPFINGEN-OBERDORF (afn) - Um es vorweg zu nehmen: Professor Wolfram Pyta hat in seinem gut besuchten Vortrag in der ehemaligen Synagoge Oberdorf mit der weit verbreiteten Behauptung aufgeräumt, dass ein Staatsbeamter im Dritten Reich zwingend Mitglied der NSDAP sein musste. Die jüngsten Forschungen hätten keinen einzigen Fall zutage gefördert, bei dem ein Beamter seine Anstellung verloren hätte, weil er nicht Mitglied in der Partei war.
Der renommierte Historiker von der Uni Stuttgart belegte auf der Grundlage neuer Forschungsergebnisse, dass die angebliche „totale Abhängigkeit“der Ministerialbeamten „ein Mythos“sei. Die Beamten hätten durchaus einen gewissen eigenständigen Spielraum gehabt und seien nicht „bloße Handlanger der Partei“gewesen – auch wenn „von oben“angestrebt worden sei, aus ihnen „beseelte Weltanschauungskämpfer“zu machen.
Die unterschiedlichen Handlungsspielräume verdeutlichte Pyta am Spannungsverhältnis und der Doppelherrschaft in Württemberg zwischen Gauleitung und Staat, also Reichsstatthalter Murr und Ministerpräsident Mergenthaler. Beide galten aus Sicht Goebbels’ jedoch als „nicht sonderlich wichtige, durchschnittliche Provinzler“.
Generell ließ die Verwaltungstruktur der württembergischen und badischen Ministerialbürokratie unterschiedlche Verhaltensweisen erkennen. Sie reichten laut Pyta „von individuellem Rückzug“über „pragmatische Anpassung“bis hin zu „ideologischem Eifer“. Was darauf hindeute, dass leitende Beamten im Dritten Reich keinesfalls nur „blind“Befehle ausführten. Sie hätten es ohnehin glänzend verstanden, sich nach außen abzuschirmen – nicht zuletzt durch einen ausgeprägten Korpsgeist. Gehörten doch viele Ministerialbeamten in jener Zeit noch sogenannten schlagenden Studentenverbindungen an.
Pyta beleuchtete in seinem Vortrag auch, wie es nach dem Krieg weiterging, wie sich der Übergang von der Nazidiktatur in die Demoratie im Verwaltungsapparat vollzog. „Die meisten Beamten hatten bei den Entnazifizierungsverfahren keinerlei Schwierigkeiten, sich ein reines Gewissen zu verschaffen. Es gab keine Selbstzweifel, keine Selbstkritik“, sagt der Historiker. „Auch nicht von solchen, die nachweislich schwere Schuld auf sich geladen hatten.“