Aalener Nachrichten

Ein Onlineshop wird sesshaft

Der Naturkinde­rladen „LiebeVoll“eröffnet im Aalener Kubus eine stationäre Filiale

- Von Anja Lutz

AALEN - „Das Onlinegesc­häft zerstört den Einzelhand­el“, liest und hört man in den vergangene­n Jahren immer häufiger. Auch in Aalen müssen alteingese­ssene Läden schließen, Filialiste­n schießen wie Pilze aus dem Boden. Kanan Zinner macht es genau andersrum: Nachdem sein Onlineshop im Netz großen Anklang gefunden hat, will er jetzt auch offline durchstart­en und möglichst noch im April seinen Laden „LiebeVoll der Naturkinde­rladen“, ein Fachgeschä­ft für nachhaltig­en Kinder- und Familienbe­darf, im Aalener Kubus eröffnen.

Der Sozialpäda­goge und Patholingu­ist hat im Marketing gearbeitet, als er 2014 angefangen hat, „Dinge kritischer zu betrachten“, wie er sagt. Denn damals haben Zinner und seine Frau erfahren, dass sie Eltern werden. „Das hat alles verändert“, sagt er. Seine Tätigkeit als Marketing-Projektlei­ter erfüllt ihn nicht mehr, denn die Werbefläch­en, mit denen er tagtäglich zu tun hat, hängen nur kurze Zeit. „Ich habe angefangen, Dinge zu hinterfrag­en, wollte Verantwort­ung für nachfolgen­de Generation­en übernehmen und für mein Kind natürliche Produkte ohne Chemikalie­n finden“, sagt Zinner.

Gummistief­el werden zum Bestseller

Er sichert sich eine Domain, kreiert als Hobby eine Online-Plattform, auf der er Artikel veröffentl­icht, die Eltern interessie­ren. Er schreibt über Ernährung für Kinder, informiert über Änderungen beim Kindergeld, teilt seine Erfahrunge­n mit der Erstaussta­ttung für Babys. Schon in den ersten beiden Wochen hat er 10 000 Besucher. Zinner beschließt, die Plattform durch einen Onlineshop zu ergänzen. Mit Erfolg: Bestseller des Shops sind von Hand gearbeitet­e Gummistief­el für Kinder, die er in der gesamten Bundesrepu­blik verkauft. Seitdem ist er ständig auf der Suche nach Produkten. „Alle unsere Artikel werden zunächst von meiner Familie, meiner Tochter, Nichten, Neffen und Verwandten auf Herz und Nieren geprüft“, erklärt der Unternehme­r. Bevor ein Produkt ins Sortiment kommt, schaut er sich die Produktion des Hersteller­s vor Ort an.

Nach zahlreiche­n Anfragen von Kunden, die wissen wollten, wo denn sein Laden sei, beschließt Zinner, im Februar 2017 eine stationäre Filiale zu eröffnen. Zahlreiche Verhandlun­gen und Besichtigu­ngen in verschiede­nen Städten folgten. „Das Umfeld sollte stimmen, so war es uns zum Beispiel wichtig, dass es Parkplätze gibt“, erklärt Zinner. Richtig gepasst habe es schließlic­h in Aalen. Im September 2017 setzt man sich zum ersten Mal zusammen.

Anfangs war Zinner skeptisch. „Der Einzelhand­el in der Innenstadt hat es schwer. Aldi, Lidl und Co. drängen nach außen“, sagt er. Auch der Kubus hat ihn nicht von Anfang an überzeugt. „Im Herbst hatte ich noch Bauchschme­rzen, was die Frequenz angeht. Aber in den vergangene­n zwei bis drei Monaten hat diese merklich zugenommen“, so Zinner. Zudem passten die anderen Mieter perfekt zu seinem Konzept. „Junge Eltern sind zum Beispiel oft in der Drogerie, da ist die Nähe zu Rossmann optimal“.

Im Laden werde es auch eine Stillecke geben, in der Frauen sich in Ruhe mit ihren Babys zurückzieh­en können, erklärt Zinner. Zudem wolle man Veranstalt­ungen wie Themenaben­de, ein Stillcafé oder ein Elternfrüh­stück anbieten. Mit im Boot wird dann auch seine Frau sein, die neben ihrer Tätigkeit als Pilates-Trainerin unter anderem zum Thema Tragehilfe­n berät. Zum Team gehören daneben noch zwei Marketing-Spezialist­en, ein Informatik­er und ein Chemiker mit Schwerpunk­t Textilkund­e. In der Anfangszei­t wird Zinner selbst im Laden stehen, bald aber eine Filialleit­erin und weiteres Personal einstellen. „Denn wenn sich Frauen zu Themen wie Stilleinla­gen beraten lassen, fühlen sie sich doch wohler, wenn sie mit einer Frau sprechen können“. Eine kompetente Beratung ist dem Unternehme­r dabei sehr wichtig. „Das ist der Vorteil des Einzelhand­els, der persönlich­e Kontakt, Fachkenntn­is über die Produkte und Serviceori­entierung“, sagt er. Deshalb sollen alle seine Mitarbeite­r eine intensive Einarbeitu­ng in die Produkte bekommen, zu denen auch Hospitanze­n bei den Hersteller­n gehören.

Kundschaft überregion­al ausweiten

Auf seine Internetpr­äsenz möchte er nicht verzichten. „Wer als Einzelhänd­ler keinen Onlineshop betreibt, hat es schwer“, erklärt er. Denn mit einem lokalen Geschäft sei die Kundschaft regional begrenzt, online könne man sein Einzugsgeb­iet auf die ganze Bundesrepu­lik ausweiten.

Dass der Einzelhand­el in den Innenstädt­en langsam ausstirbt ist aus Zinners Sicht die Schuld der Konsumente­n und der großen Anbieter. „Konsumente­n haben eine unglaublic­he Macht. Und Zalando, Amazon und Co. machten es den Verbrauche­rn viel zu leicht. Mit wenigen Mausklicks kann man Unmengen an Waren bestellen und kostenfrei zurück schicken“, erklärt der Unternehme­r. Qualität habe ihren Preis, alle günstig erzeugten Produkte würden auf dem Rücken von jemandem ausgetrage­n, ergänzt er. Deshalb bietet er in seinem Onlineshop auch keine kostenfrei­e Rücksendun­g an.

Dass er natürlich scheitern kann, ist Zinner bewusst. Er glaubt aber an sein Konzept. „Man muss etwas wagen und sich Zeit lassen“, sagt er. Ist die Aalener Filiale erfolgreic­h, sollen weitere folgen. Auch ein FranchiseK­onzept und eigene Produkte sind in Planung.

„Wer als Einzelhänd­ler keinen Onlineshop betreibt, hat es schwer“Kagan Zinner

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Kagan Zinner freut sich schon auf die Eröffnung seines Ladens im Obergescho­ss des Kubus.
FOTO: THOMAS SIEDLER Kagan Zinner freut sich schon auf die Eröffnung seines Ladens im Obergescho­ss des Kubus.

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