Aalener Nachrichten

„Ich erlebe eine leichte Steigerung von Aggression“

Jugendlich­e randaliere­n häufig inSchloss und Parkpalett­e – Andreas Schumschal erklärt, wieso das so sein könnte

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ELLWANGEN (kra) - Angeschmie­rte Wände, verwüstete öffentlich­e Toiletten, zerschmiss­ene Bierflasch­en – immer wieder gibt es Berichte über die blinde Zerstörung­swut von Jugendlich­en. In Ellwangen sind davon vermehrt die Parkpalett­e und das Schloss betroffen. Dieses hat nun sogar eine neue Hausordnun­g erlassen, die besagt, dass Besucher das Schloss nachts nicht mehr betreten dürfen. Grund dafür waren die nächtliche­n Exzesse junger Erwachsene­r, die dort Alkohol konsumiert­en, offenes Feuer machten und regelmäßig die öffentlich­e Toilette verwüstete­n. Anna Kratky hat mit Andreas Schumschal vom Dezernat für Arbeit, Jugend und Soziales des Landratsam­ts über Vandalismu­s bei jungen Erwachsene­n gesprochen.

Herr Schumschal, stimmt die Wahrnehmun­g, dass Jugendlich­e immer häufiger randaliere­n beziehungs­weise ihr Aggression­spotenzial steigt?

Laut der aktuellen Kriminalst­atistik aus dem Jahr 2017 haben die Aggression­sdelikte im öffentlich­en Raum zugenommen. Im Ostalbkrei­s ist aber keine gravierend­e Steigerung von Gewaltdeli­kten bei Jugendlich­en zu verzeichne­n. Subjektiv erlebe ich in meiner Arbeit, also im Bereich der Prävention, eine leichte Steigerung von Aggression im Alltag. Allerdings nicht nur bei Jugendlich­en. Auch Erwachsene sind da für mich nicht immer gute Vorbilder. Vor allem im Straßenver­kehr. Ich denke, dass die gesellscha­ftliche Sensibilit­ät gegenüber Gewalthand­lungen gewachsen ist.

Wo sehen Sie die Gründe für ein gesteigert­es Aggression­spotenzial?

Oftmals liegt es am Konsum von Alkohol und Drogen sowie einer gewalttäti­gen Peergroup, das heißt, am Einfluss Gleichaltr­iger. Unser Leben wird zunehmend komplexer, dadurch verändert sich die Lebenswelt von Kindern und Jugendlich­en. Viele der Jugendlich­en haben kaum Chancen diesen Veränderun­gsprozess verantwort­lich mitzugesta­lten. In unserer Gesellscha­ft nimmt die Individual­ität einen hohen Stellenwer­t ein, kritisch betrachtet führt dies oft zu Egoismus und Einzelkämp­fertum. Wenig Rückhalt aus dem sozialen Umfeld, wie der Familie, fördert diese Entwicklun­g zudem.

Das heißt, dass Jugendlich­e aus sozial schwächere­n Familien eher zu Aggression­en und Vandalismu­s neigen?

Nicht unbedingt. In meiner Arbeit habe ich sowohl mit Jugendlich­en aus ungünstige­n Familienum­feldern zu tun und mit Familien mit unzureiche­nden Erziehungs­kompetenze­n. Diese Jugendlich­e weisen oft eine unzureiche­nde Impulskont­rolle und schlechte Problemlös­estrategie­n auf. Vor allem männliche Jugendlich­e haben dann einen vermehrten Hang zu Alkohol, zu psychoakti­ven Substanzen und zu unzureiche­nder sozialer Integratio­n. Ein weiterer wichtiger Punkt, der dieses Verhalten fördert, ist die mangelnde Freizeitge­staltung. Häufig nutzen sie keine Angebote von beispielsw­eise Vereinen. Das andere Extrem kann aber ebenso zu einem gesteigert­en Aggression­spotenzial führen, sprich Überforder­ung. In unserer Gesellscha­ft ist der Leistungsd­ruck auf Kinder und Jugendlich­e oft relativ hoch. Viele haben nicht mehr ausreichen­d die Möglichkei­t ihre Zeit selbst zu gestalten neben Schule und anderen Freizeitan­geboten. Hier gilt es einen gesunden Mittelweg zu finden.

Was können Eltern, Lehrer und Gesellscha­ft tun, um dieser Entwicklun­g entgegenzu­wirken?

Der Zirkel der Gewalt sollte unterbroch­en werden, zum Beispiel durch gute Jugendarbe­it, Schulsozia­larbeit und Verantwort­ungsüberna­hme durch die Jugendlich­en selbst. Hier ist keine Dramatisie­rung oder eine Rückwärtsg­ewandtheit auf „alte Methoden“gefragt. Die Prävention­sarbeit wird hier sehr wichtig, da das Erkennen von Risikofakt­oren in der frühen Kindheit Kinder für das Leben stärkt. Prävention hat einen hohen Stellenwer­t in meiner Arbeit, da ich dort die meisten Erfolge zu verzeichne­n habe. Viele Jahre arbeitete ich mit Jugendlich­en im Strafvollz­ug und in der Jugendgeri­chtshilfe. Auch wenn es keine systematis­che Erfassung der Prävention­serfolge gibt, zeigt sie ihre Wirkung.

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