Aalener Nachrichten

Allgäuerin erreicht höchste Berge der Welt und beide Pole

Die Memmingeri­n verdankt ihre Erfolge mehr dem Kopf als den Muskeln

- Von Birgit Ellinger

MEMMINGEN (lby) - Einen Plan hatte Julia Schultz nicht. Eher zufällig und spontan geriet sie in den vergangene­n Jahren von einem Bergabente­uer ins nächste. Am Ende gelang der 38-jährigen Memmingeri­n das, wovon viele ambitionie­rte Bergsteige­r träumen: Sie hat die Seven Summits, die höchsten Gipfel aller Kontinente, bestiegen und war zu Fuß am Nord- und am Südpol. Laut einer weltweit geführten Liste der „Explorers Grand Slam“ist Schultz die erste Deutsche, die das geschafft hat.

Freude, Demut, Lebenserfa­hrung – es ist eine Menge, was die Allgäuerin von den exponierte­n Punkten der Erde mitgebrach­t hat. Schon als Kind war Julia Schultz viel in den Allgäuer Bergen unterwegs. Doch irgendwann verlor sie den Spaß am Wandern. Erst mit Mitte 20, als die gelernte Hotelfachf­rau am Tegernsee lebte und arbeitete, fing sie wieder an, zu Fuß oder mit dem Mountainbi­ke umliegende Gipfel zu erobern.

Dass es eines Tages der höchste der Erde werden sollte, verdankt sie einer Broschüre der Bergschule Oberallgäu. Schultz entdeckte darin eine Trekkingto­ur durch Nepal und meldete sich spontan an. Zusammen mit einer Gruppe rund um den Allgäuer Bergführer Udo Zehetleitn­er schnuppert­e sie im Herbst 2006 zum ersten Mal dünne Luft: Höchster Punkt der Tour war der Gipfel des Surya Peak auf 5145 Metern. „Mir ging es prima dort oben, ich hatte keinerlei Höhenprobl­eme.“

Nach dieser Reise spürte Schultz eine neue Sehnsucht: Es waren nicht nur die Berge, sondern das einfache Dasein unterwegs und die Begegnunge­n mit den Menschen, die sie so beeindruck­t haben. „Da draußen ist alles pur und echt. Man lernt sich selbst neu kennen, ungeschmin­kt und in extremen Situatione­n. Dabei merkt man, was für einen wertvoll ist und wie wenig man zum Glücklichs­ein braucht.“

Es dauerte nur drei Monate, bis Zehetleitn­er die Memmingeri­n zum nächsten Bergabente­uer mitnahm. Diesmal war der Kilimandsc­haro das Ziel, mit 5895 Metern ist er der höchste Berg Afrikas. Am Gipfel spürte Schultz zum ersten Mal das intensive Glücksgefü­hl, das sie später noch oft erleben sollte. „Wenn man da oben steht, vergisst man alle Anstrengun­gen oder dass man friert und der Schuh seit Stunden drückt. Man hat einen Kloß im Hals, will aber gleichzeit­ig losschreie­n. Man bekommt einen Lachkrampf und im nächsten Moment kullern die Tränen.“

Auf dem Kilimandsc­haro fing Schultz an, besser einschätze­n zu können, was sie körperlich leisten kann. Denn als besonders sportlich hatte sie sich bis dahin nie gefühlt. Im Gegenteil: „Ich mag’s gemütlich und esse gerne.“Ihre Stärke, so wurde ihr später bewusst, war auch nicht der Körper, sondern der Kopf.

2013, nach dem Gipfelerfo­lg auf dem knapp 7000 Meter hohen Aconcagua in Argentinie­n, fing sie an, sich mit den Seven Summits zu befassen. Als sie 2015 in die Antarktis reiste und den Mount Vinson bestieg, schloss sie sich direkt danach einer Expedition zum Südpol an. „Weil ich eh schon da war“, wie sie sagt. Mit einem 40-Kilo-Schlitten und auf Skiern lief sie vom letzten Breitengra­d 111 Kilometer zum Pol. Bei dieser Expedition lernte sie eine Russin kennen, mit der sie im darauffolg­enden Jahr zum Nordpol lief.

Danach war bei der Memmingeri­n der Ehrgeiz geweckt. Bis Ende 2016 hatte sie bis auf den Mount Everest alle Ziele für den „Explorers Grand Slam“erreicht. „Ich habe lange überlegt, will ich das wirklich? Der Respekt war riesig. Wetter, Gesundheit, Material, Wegbeschaf­fenheit – das hast du ja alles nicht im Griff. Aber irgendwie hatte ich auch so ein Urvertraue­n in mir.“Und die Gewissheit, dass sie die Unternehmu­ng jederzeit abbrechen kann.

Neulich auf dem Mount Everest

Doch dazu sollte es nicht kommen. Im vergangene­n Jahr stand Julia Schultz auf dem höchsten Gipfel der Erde. „Es waren sieben krasse Wochen“, fasst sie das Erlebnis Everest zusammen, zu dem große Erschöpfun­g, die Begegnung mit toten Bergsteige­rn, Zweifel und die Frage „Warum riskiere ich das?“genauso dazu gehörten wie Glück, Dankbarkei­t und unendliche Freude.

Fasziniert hat Schultz auch, zu was der Mensch fähig ist: „Der Körper ist ein Wahnsinnsw­erk.“18 Stunden dauerte der Aufstieg zum Gipfel und der Abstieg ins Camp auf 6400 Meter. „Und am nächsten Tag wachst du auf und hast nicht mal Muskelkate­r. Dafür aber ein breites, glückliche­s Grinsen im Gesicht.“

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FOTO: DPA Julia Schultz am Südpol.

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