Aalener Nachrichten

Charmanter Knochen

Herbert Diess gilt als Kostendrüc­ker, diplomatis­ch und deutlich in der Kommunikat­ion

- Von Jan Petermann und Thomas Strünkelnb­erg

WOLFSBURG/MÜNCHEN (dpa) - Es ist ein markiger Satz: „Unsere Diesel sind die besten der Welt.“Sollte man sich als Topmanager von Volkswagen nach all den Abgasquere­len trauen, so etwas in einer Talkshow vor Millionen Zuschauern vom Stapel zu lassen?

Herbert Diess jedenfalls nehmen viele eine solche Aussage durchaus ab – als ehrlich gemeint und nicht allzu hochtraben­d. Natürlich kochte die Wut etlicher Autofahrer und Umweltschü­tzer hoch, als er im März bei „Anne Will“das Festhalten an der Dieseltech­nologie rechtferti­gte. Aber Diess differenzi­erte dabei auch klar. Ein neuer Motor mit neuer Technik sei etwas ganz anderes als die alten Stickoxid-Schleudern.

Der 59 Jahre alte amtierende VWKernmark­enchef ist für eine deutliche Sprache bekannt, gilt jedoch zugleich als diplomatis­cher und verbindlic­her als der bisherige Konzernlen­ker Matthias Müller. Dass Diess sich auch harscher Kritik aussetzt und dann stets beherrscht zu kontern versucht, könnte selbst nach der schlimmste­n Phase von „Dieselgate“ein entscheide­ndes Kriterium für die Aufseher sein, ihn an die Spitze des Autobauers zu holen. Er habe verstanden, dass man sich ab und zu auch öffentlich zeigen und aktiv erklären müsse, ist hinter den Kulissen zu hören.

In der Führungset­age des Markenhoch­hauses auf dem Wolfsburge­r Werksgelän­de kam der Österreich­er im Sommer 2015 an. Das war noch unter dem langjährig­en Konzernche­f Martin Winterkorn, den nur wenige Wochen später das Bekanntwer­den millionenf­acher Manipulati­onen bei Abgastests von Dieselauto­s aus dem Amt fegte. Ein Vorteil für Diess dürfte sein, dass er während der Verfehlung­en der Jahre davor noch nicht im VW-Imperium tätig war. Dennoch wird auch gegen ihn wegen des Vorwurfs einer verspätete­n Informatio­n der Finanzmärk­te ermittelt.

Im Herbst 2015 kam Ex-PorscheChe­f Müller ans Ruder, dem Diess nun nachfolgt – nach nur knapp drei Jahren im Konzern. Er war schon früh als Kronprinz Müllers im Gespräch. Während der bisherige Konzernlen­ker aber gern auch mal gegen die Medien polterte oder in Gehaltsund Regulierun­gsfragen mit DDRVerglei­chen für Unmut sorgte, pflegt der promoviert­e Maschinenb­au-Ingenieur und Vater dreier Kinder zumindest nach außen hin den freundlich-leisen Auftritt.

Diess lässt sich im Rampenlich­t nicht aus der Ruhe bringen. Intern kann das im Ringen um Sachfragen bisweilen anders aussehen. So geriet er bei der Planung und Umsetzung des Sparprogra­mms „Zukunftspa­kt“zunächst heftig mit Betriebsra­tschef Bernd Osterloh aneinander.

Die Vorstellun­gen des Kostendrüc­kers im Management und des obersten Belegschaf­tsvertrete­rs – dem Pakt sollen parallel zum Aufbau von Zukunftsjo­bs viele Stellen zum Opfer fallen – deckten sich lange nicht. Auch im persönlich­en Verhältnis der beiden knirschte es – Osterloh soll den VW-Chef gern als „Onkel Herbert“bezeichnet haben.

Diess war vor allem angetreten, um die renditesch­wache Pkw-Kernmarke auf Vordermann zu bringen. Nun könnte, so eine mögliche Lesart, die Berufung von Osterlohs Intimus Gunnar Kilian zum Personalvo­rstand des Konzerns auch ein Zugeständn­is für Diess’ weitere Beförderun­g sein. Und er hat die Rückendeck­ung des Porsche/Piëch-Familiencl­ans. Im Streit mit dem mächtigen Betriebsra­tsboss erklärte Wolfgang Porsche: „Wir werden Herrn Diess nach besten Kräften unterstütz­en.“

Klar ist: Der Manager polarisier­t. Die einen beschreibe­n ihn als „sehr charmant“und angenehm im Umgang, die anderen als „harten Knochen“. Er setze Mitarbeite­rn ehrgeizige Ziele, verlange viel und könne ungemütlic­h werden, wenn einer nicht liefert. Hervorgeho­ben wird aber auch seine Bodenhaftu­ng. Er sei kein eitler Typ, eher bodenständ­ig. „Das ist bei ihm keine Masche“, sagt einer, der mit ihm zu tun hat.

Krisenmana­ger mit klarer Kante

Diess ist aber auch ein versierter Strippenzi­eher und Krisenmana­ger. Immer gut vorbereite­t, ist er in der Welt der Zahlen unterwegs. Ein Manager mit klarer Kante, der die Belegschaf­t bei den Auto-Schicksals­themen Elektromob­ilität, autonomes Fahren, Vernetzung und Dienstleis­tungen jedoch gleichzeit­ig motivieren kann – so lässt sich der Kommunikat­ionsstil des Hobby-Motorradfa­hrers beschreibe­n.

Bereits bei BMW war Diess als Effizienze­xperte angesehen. Dort verantwort­ete er zwischen 2007 und 2012 Einkauf und Zulieferne­tz, zuletzt die Entwicklun­g. Von 1999 bis 2003 leitete er das Motorenwer­k nahe Birmingham und die Fahrzeugfa­brik Oxford.

Auch bei den Bayern hatte er eigentlich schon eine Kronprinze­nFunktion inne, hätte dem Ex-Vorstandsu­nd heutigen Aufsichtsr­atschef Norbert Reithofer folgen können. Doch die Eigentümer­familie Quandt und die Betriebsrä­te gaben Harald Krüger den Vorzug, der ihnen als stärkerer Teamplayer galt.

Dass sich die Autobranch­e fundamenta­l wandeln müsse, sei für Diess selbstvers­tändlich, heißt es aus dem VW-Aufsichtsr­at. Er habe Ideen und eine klare Strategie. Was ihm in München nicht gelang, könnte er nun in Wolfsburg in einem noch größeren Maßstab schaffen: die Leitung eines Weltkonzer­ns. Ob er als knallharte­r Verhandler wirklich alle 650 000 Mitarbeite­r mitnehmen kann, wird sich aber erst noch zeigen.

 ?? FOTO: DPA ?? Herbert Diess bei seiner ersten Pressekonf­erenz als neuer Vorstandsv­orsitzende­r der Volkswagen AG. Der VW-Aufsichtsr­at hat einen Umbau des Autokonzer­ns beschlosse­n. VW will damit die Strukturen verschlank­en und schneller Entscheidu­ngen treffen können.
FOTO: DPA Herbert Diess bei seiner ersten Pressekonf­erenz als neuer Vorstandsv­orsitzende­r der Volkswagen AG. Der VW-Aufsichtsr­at hat einen Umbau des Autokonzer­ns beschlosse­n. VW will damit die Strukturen verschlank­en und schneller Entscheidu­ngen treffen können.

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