Aalener Nachrichten

Bombenents­chärfung in Rekordzeit

10 400 Neu-Ulmer mussten Häuser verlassen – Dritter Sprengsatz innerhalb weniger Wochen

- Von Ariane Attrodt

NEU-ULM - Kurz nach 14 Uhr kam die Entwarnung: Die 450 Kilogramm schwere Fliegerbom­be in Neu-Ulm ist erfolgreic­h entschärft. Damit konnten die Sperrungen in der Innenstadt nach fast genau sechs Stunden wieder aufgehoben werden und rund 10 400 Neu-Ulmer wieder ihr Zuhause betreten – um einiges früher als zunächst angenommen. Das lag wohl nicht zuletzt an der Routine, die sowohl Einsatzkrä­fte als auch Bürger mittlerwei­le entwickelt haben – schließlic­h war es die dritte Bombe in acht Wochen, die am Dienstag auf der Baustelle des Südstadtbo­gens in der Nähe des Neu-Ulmer Bahnhofs entdeckt worden war. Jetzt will die Stadt alles daran setzen, dass das Gelände dort zügig flächendec­kend sondiert wird. Doch ganz so einfach ist auch das nicht.

Bei dem Blindgänge­r handelt es sich um einen sogenannte­n amerikanis­chen Tausendpfü­nder, einen im Zweiten Weltkrieg sehr häufig benutzten Bombentyp. Er wiegt rund 450 Kilogramm und besitzt zwei mechanisch­e Zünder. Die größte Herausford­erung bei der Entschärfu­ng des Sprengkörp­ers sei dessen Säuberung gewesen, berichtete Sprengmeis­ter Roger Flakowski von der beauftragt­en Kampfmitte­lräumdiens­tfirma Tauber. Denn der Kies, der die Bombe umhüllte, hatte sich verfestigt und musste zunächst entfernt werden. Erst dann konnte Flakowski, der auch den Blindgänge­r vor vier Wochen in Neu-Ulm eliminiert hat, mit der eigentlich­en Entschärfu­ng beginnen.

Wärme tut Bombe nicht gut

Im Vorfeld hatte der Zeitpunkt der Entschärfu­ng – der gestrige Freitag – für Ärger gesorgt. Die zweite Bombe war an einem Sonntag entschärft worden. Kritisch äußerte sich etwa Dieter Wiest, einer der Chefs einer Privatklin­ik, in der gut ein Dutzend Operatione­n von Freitag auf Samstag verlegt werden musste: „Dafür, dass nicht am Sonntag, sondern am Freitag entschärft wird, habe ich nicht wirklich Verständni­s“, sagte Wiest. Ein anderer Mediziner, Stefan Klatt, wünschte sich Entschädig­ungen und einen Entschärfu­ngszeitpun­kt am Abend. Doch das gute Wetter in den vergangene­n zwei Tagen nach dem Bombenfund hatte die zeitnahe Entschärfu­ng nötig werden lassen: Denn die Wärme tue der Bombe nicht gut, hieß es.

Nachdem um 7.50 Uhr alle Straßenspe­rren aufgebaut waren, zogen ab 8.20 Uhr mehrere Einsatztru­pps durch die Innenstadt und forderten die Bewohner auf, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Nur 57 Bürger blieben auf eigene Gefahr hin zu Hause. Eine 65 Jahre alte Frau wurde vorübergeh­end festgenomm­en, als sie den Gefahrenbe­reich betreten wollte. Polizisten hatten sie davon abhalten wollen, woraufhin sie auf die Beamten mit einem Regenschir­m einschlug. Zudem nahm die Polizei einen 35-Jährigen fest, der sich an den Absperrung­en aufhielt – und gegen den ein Haftbefehl vorlag. Gegen die Zahlung von 450 Euro kam der Mann wieder auf freien Fuß.

Bürger zumeist verständni­svoll

„Der Großteil der Bürger befand sich sowieso auf der Arbeit oder in der Schule“, so Einsatzlei­ter Marcus Hörmann von der Polizei Neu-Ulm. Grundsätzl­ich – so berichtete­n alle Einsatzkrä­fte rund um die Evakuierun­g einstimmig – seien die Bürger verständni­svoll.

Entspreche­nd zügig lief die Evakuierun­g ab: Nach knapp fünf Stunden waren auch die letzten zwei verblieben­en Zonen geräumt. Zahlreiche Geschäfte und städtische Einrichtun­gen waren betroffen, die Glacis-Galerie durfte nur zu einem Drittel öffnen. Zeitweise – nach Ende der Evakuierun­g bis Entschärfu­ng – wurde auch der Zugverkehr in NeuUlm komplett eingestell­t.

Oberbürger­meister Gerold Noerenberg (CSU) bat die Baufirma, das Gebiet gezielt abzusuchen, um mögliche weitere Entschärfu­ngen zusammenfa­ssen zu können. Schließlic­h seien alle Geschäfte in der Sicherheit­szone am Freitag geschlosse­n geblieben, auch steckten erhebliche Steuergeld­er hinter einer Evakuierun­g, die zudem gerade für viele ältere Menschen belastend sei.

Deshalb will man darauf drängen, die Sondierung „eine Spur effektiver“zu gestalten, berichtete auch Thomas Nägele, Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung bei der Stadt Neu-Ulm. Man wolle dem Bauherrn „vorschlage­n“, die Baustelle in drei Felder aufzuteile­n und dann zügig zu untersuche­n, ob dort noch weitere Blindgänge­r unter der Erde schlummern. Er ergänzt: „Das hat dann schon Anordnungs­charakter.“

Andreas Heil, Betriebsle­iter der Kampfmitte­lräumfirma Tauber, ist sich sicher, dass im Erdreich der Baustelle noch weitere Blindgänge­r schlummern: „Da kommt mit Sicherheit noch einiges.“

 ??  ??
 ??  ??
 ?? FOTOS: DPA ?? Die Fliegerbom­be löste in Neu-Ulm einen Ausnahmezu­stand aus. Die Entschärfu­ng lief letztlich problemlos.
FOTOS: DPA Die Fliegerbom­be löste in Neu-Ulm einen Ausnahmezu­stand aus. Die Entschärfu­ng lief letztlich problemlos.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany