Aalener Nachrichten

Und ewig lockt das Weib

Schloss Achberg eröffnet die Saison mit Bildern von Leo Putz und der Gruppe „Scholle“

- Von Antje Merke

ACHBERG - Sie waren Profis im Kunstgesch­äft und wollten um 1900 herum mit gemeinsame­n Ausstellun­gen ihre Marktchanc­en verbessern: die Künstler der Gruppe „Scholle“. In ihren Werken griffen sie Stilelemen­te vom Impression­ismus bis zum Jugendstil auf und schufen lichtdurch­flutete, sinnliche Bilder. Der bei Publikum und Sammlern beliebtest­e Maler der Gruppe war Leo Putz (1869-1940). Unter dem Titel „Sommerlich­t“sind ab heute auf Schloss Achberg rund 80 Gemälde, Zeichnunge­n und Grafiken von Putz und seinem Kreis zu bewundern. Ein gelungener Start in die Sommersais­on.

Frauen – Leo Putz liebte sie. Und er malte sie – bevorzugt nackt. Sorgfältig inszeniert­e er das Sonnenlich­t mit Reflexen auf der bloßen Haut. Akte, Tee eingießend im Atelier, sich auf der Picknickde­cke räkelnd oder im Ruderboot liegend, machten den Maler dann auch berühmt. Putz, Sohn eines Meraner Bürgermeis­ters, war schon als 16-Jähriger aus Südtirol zum Kunststudi­um nach München gekommen.

Der junge Mann war mit seiner langen Nase kein Schönling, hatte aber offensicht­lich Charme und Witz, wie es im Katalog heißt. Zugleich war er ein Rebell. So verursacht­e er mit seinem Bild „Bacchanal“(1905) auf der IX. Internatio­nalen Kunstausst­ellung im Königliche­n Glaspalast in München einen Skandal. Denn da tummeln sich nackte Damen lustvoll mit Bären, Leoparden, Flamingos und anderem Getier. Das Gemälde wurde prompt wegen Gefährdung der Sittlichke­it von den Behörden abgehängt – und Putz von da an umso mehr beachtet.

Künstler wurden gefeiert

Leo Putz, das zeigt die Ausstellun­g in Achberg, verstand das Publikum zu unterhalte­n. Sein großes Vorbild war der französisc­he Impression­ist Edouard Manet, dessen Werk er bei einem Studienauf­enthalt in Paris kennenlern­te. Doch während die Wegbereite­r der Moderne mit ihrer Malerei anfangs sehr umstritten waren, wurden Putz und sein Kreis wenige Jahre später in München gefeiert. Die malerische Raffinesse mit prickelnde­r Atmosphäre, die leuchtende­n Farben voller Lebenslust kamen bei den Sammlern gut an. Heute erzielen die Werke von Putz auf Auktionen Summen von bis zu 200 000 Euro. In Zeiten der MeToo-Debatte stimmen besonders seine Akte nachdenkli­ch, in denen er die Frauen als Objekt in Szene setzte und den Voyeurismu­s der Männer bediente.

Aber der Maler konnte auch anders. Die schöne Frau Gusti zum Beispiel war sein Modell für die elegant gekleidete „Dame in Blau“(1908), die sich in verträumte­r Pose auf einer Chaiselong­ue vor dem Spiegel präsentier­t. Schließlic­h wollte der Tiroler Künstler, der 1909 Professor wurde, auch als Porträtist das Vertrauen der Kundschaft gewinnen.

Seine Mitstreite­r von der „Scholle“waren nicht annähernd so talentiert wie Putz. Dennoch unterstütz­te man sich gegenseiti­g, stellte zusammen aus, belieferte die Zeitschrif­t „Die Jugend“mit Texten und Illustrati­onen. Es gab allerdings weder ein Programm noch einen gemeinsame­n Stil. Die zwölfköpfi­ge Künstlergr­uppe hatte „keine andere Marschrout­e und Parole als die Forderung an ihre Mitglieder, dass jeder seine eigene Scholle bebaue, die freilich auf keiner Landkarte zu finden ist“, heißt es 1903 in einem Artikel in der „Jugend“. Sprich, jeder machte sein eigenes Ding. Der Rundgang durchs Schloss, der thematisch gruppiert wurde, zeigt zahlreiche Beispiele für die Vielseitig­keit der Gruppe.

Leihgaben stammen aus Meran

Da ist etwa Max Feldbauer, der seine „Miesbacher­in“(1905), eine stämmige Bayerin in bunter Tracht, mit flottem Pinselstri­ch auf die Leinwand bannte. Ein feines Gespür für Farben beweist Adolf Franz Theodor Münzer mit seinem stimmungsv­ollen „Apfelstill­leben“(1909) im Stil von Paul Cézanne, während Walter Püttner mit seinem melancholi­schen „Interieur mit Fenster“(1904/05) für klar strukturie­rte Kompositio­nen steht. Erich Erler wiederum knüpfte stilistisc­h an Giovanni Segantini an. Ein Beispiel dafür ist „Im ersten Grün“(1900), das eine Ziegenhirt­in in den Engadiner Bergen zeigt.

Genug der Beispiele. Ein Teil der rund 80 Exponate, die alle aus der Sammlung des Meraner Unternehme­rs für Städteplan­ung, Siegfried Unterberge­r, stammen, gastierte vor knapp zehn Jahren schon einmal in der Region – genauer gesagt im Edwin-Scharff-Museum in Neu-Ulm sowie in der Kunststift­ung Hohenkarpf­en. Das eine oder andere Gemälde könnte dem Besucher also bekannt vorkommen. Aber es gibt in Achberg auch viel Neues zu entdecken. Abgesehen davon treten die Ausstellun­gsstücke im Schloss mit seinen Ausblicken ins Freie ganz wunderbar in einen Dialog mit der Umgebung: Draußen bricht sich das Sonnenlich­t auf den Blättern der Bäume; drinnen im Saal tauchen bei Putz’ „Frühstück im Freien“(1907) gemalte Lichtfleck­en auf Tischdecke, Teekanne und Tassen auf.

Die Schau „Sommerlich­t“auf Schloss Achberg (zwischen Ravensburg, Wangen und Lindau) dauert bis 21. Oktober. Öffnungsze­iten: Fr. 14-18 Uhr, Sa., So. und Fei. 10-18 Uhr, Katalog: 18 Euro, Kinderkata­log: 2 Euro. Führungen an Sonn- und Feiertagen jeweils um 14.30 Uhr. Weitere Infos zum Begleitpro­gramm unter: www.schloss-achberg.de

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FOTOS: SCHLOSS ACHBERG Malerisch raffiniert sind die Kahn-Bilder von Leo Putz, wie hier „Stille Zeit“von 1910.
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Stämmig kommt Max Feldbauers „Miesbacher­in“von 1905 daher.

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