Paninibildchen sammeln – eine echte Leidenschaft?
Wie bitte, Sie kennen Mohamed Amine Ben Amor nicht, den 1,84 Meter großen und 76 Kilogramm schweren Mittelfeldspieler der tunesischen Fußball-Nationalmannschaft, der gewiss bei der WM für Furore sorgen wird? Ach ja, wie sollten Sie auch – wenn Sie das Paninialbum boykottieren und sich bewusst ins Abseits stellen. Dann kommt eben eine Wissenslücke zur nächsten. Ein echtes Eigentor, das Sie da schießen.
Zudem wider die Natur. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet, stammen wir nämlich alle von den Jägern und – Achtung! – Sammlern ab. Dass wir Früchte und Grünzeug inzwischen durch bunte Bildchen ersetzen – eine spaßige Laune der Evolution, die uns nicht weiter stören sollte. Im Gegenteil, reiche Beute lässt die Glückshormone des Fans sprudeln. Überdies: Ist es nicht ein überfälliger Akt der Völkerverständigung, sich der kickenden Jugend der Welt auf diesem friedlichen Weg zu nähern – all den Hawsawis und Chungyongs, deren Bilder uns leider noch fehlen? Und könnten wir die Fingerfertigkeit je besser trainieren als beim Abziehen der Schutzfolie vom Porträtfoto? Eben!
Allen Geizhälsen sei ins Sparbuch geschrieben: Ja, das Paninialbum taugt nicht als Wertanlage. Aber bei der Ersatzbank unseres Misstrauens werden auch bald Strafzinsen fällig.
Vor vier Jahren erfand ich ein lustiges Spiel: Ich legte zehn Paninibilder von Fußballern und ein Passfoto von mir in eine Reihe und stellte auf WhatsApp die Frage: Erkennen Sie den Fehler? Fast alle antworteten: Kevin Großkreutz. Außerdem kursierte im Netz ein Paninibild von Philipp Lahm, das nur seine obere Gesichtshälfte zeigte. Lahm war einfach zu klein für den PaniniPaparazzo.
Paninibilder sind eine großartige Spielerei, es ist spannend, sie zu öffnen, anzugucken, einzukleben. Beim Tauschen sammelt man tolle soziale Kontakte, und es tut den Stickern gut, dass es nach wie vor nur wenige Spieler gibt, die einen dieser saublöden Pseudomännervollbärte tragen wie 1984 der Rainer Scholz von Waldhof. Natürlich kaufe ich mir inzwischen keine Bildle mehr. Was als Spaß begann, ist längst pure Geldmacherei. Wer keinen zum Tauschen hat, muss laut Wissenschaftlern 870 Euro zahlen und 967 Tütchen kaufen, um das Album mit seinen 682 Bildern voll zu bekommen. 870 Euro sind ein Haufen Geld, bedenkt man, dass das Album nach der WM keinen Buben mehr interessiert. 870 Euro kann ein Vater in Besseres investieren – etwa in eine E-Gitarre, ein halbes E-Bike, einen Golden Retriever oder ein Pferd, falls er das Glück hat, eine Tochter zu haben. Ein Vierbeiner ist ein treuer Begleiter, und er garantiert auch schönere Naturerlebnisse als ein Paninialbum.