Aalener Nachrichten

„Schön war die Zeit!“

Der Rock ’n’ Roll lässt ihn nicht los – Peter Kraus steht auch mit fast 80 Jahren noch auf der Bühne

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Andere in seinem Alter wären wohl noch in der Reha – Peter Kraus steht nach seinem vergangene­n September in Jörg Pilawas TV-Show „Spiel für dein Land“erlittenen Schulterbr­uch wieder auf der Bühne und singt die „Kulthits der wilden 50er- und 60erJahre“. Der 79-jährige ist wieder genesen und präsentier­t auf einer zweimonati­gen Tour die Lieblingss­ongs seiner Jugend, denn: „Schön war die Zeit!“Vor seinem Konzert in Friedrichs­hafen hat Christoph Forsthoff den deutschen Nestor des Rock ’n’ Roll getroffen und mit Peter Kraus über Liebesbrie­fe, Nostalgie und die perfekte Ehe gesprochen.

Was war denn so schön an den „wilden 50er und 60er-Jahren“?

In meinem Leben war das natürlich eine schöne Zeit, denn wenn man – was damals noch nicht Usus war – mit 16 Jahren Karriere macht, Geld verdient und die Mädels laufen einem nach: Was willst du noch mehr? (lacht) Aber ich glaube auch für die Jugend damals war es eine schöne Zeit …

… inwiefern?

Wir hatten wenig, die Eltern waren dominieren­d und ein Teil der Jugend wollte etwas anders machen – und so waren wir genötigt, kreativ zu sein. Und das fehlt der Jugend von heute ein bisschen, denn die werden so zugeschütt­et mit Angeboten, dass sie nur noch auswählen müssen: Was kann ich mir leisten, was will ich machen, wozu habe ich Zeit – aber es geht nicht mehr darum, aus dem Nichts kreativ etwas aufzubauen. Doch genau das war das Schönste an der Zeit damals – und das gab es eben nur einmal.

„Schön war die Zeit“…, was zweifellos auch Ihre Fans mit Blick auf Ihren Abschied vom Abschied sagen, denn eigentlich hatten Sie mit Ihrer Tournee 2016 ja Ihren Rückzug von der Bühne verkündet.

Ja, ich hatte nach der dritten Verlängeru­ng wirklich aufhören wollen und mir auch etwas Neues geschaffen, indem ich mir einen Weinberg zugelegt habe. Aber auf Dauer ist das einfach nicht befriedige­nd – und so kam irgendwann die Idee für ein Programm, das speziell die Wünsche meines Publikums erfüllt und einmal allein in dieser Zeit bleibt.

Und was wird nun aus Ihrem Weinberg, wenn Sie auf die Bühne zurückkehr­en?

Leider war ich bei der ersten richtigen Weinernte im vergangene­n Jahr in ärztlicher Behandlung, sodass ich weder bei der Vor- noch bei der Hauptlese dabei sein konnte. Aber es sind wirklich sehr schöne Muskatelle­r-Trauben und Manfred Tement, einer der größten Weinbauern in der Südsteierm­ark, keltert diese dann.

Zurück zur Musik – was hat Ihnen gefehlt?

Es ist einfach wahnsinnig schön, auf der Bühne zu stehen und Erfolg zu haben – das ist einfach toll. Und dazu kommt die Tatsache, dass ich mich körperlich sehr fit gefühlt und mich gefragt habe: Warum mache ich nicht wieder Musik? Da ist einfach dieser Drang, wieder auf die Bühne zu gehen – und es macht riesig Spaß, auf Konzerttou­rnee zu sein und live in einem möglichst vollen Saal zu spielen.

Welche Rolle spielt in einem solchen Programm das Moment der Nostalgie?

Ich habe lange gedacht, ich müsste immer aktuell und modern sein. Bis mir ein großer Produzent eines Tages gesagt hat: Irgendwann bleibst du stehen und stellst fest „Das ist jetzt meine Musik“– und dann lebst du mit dieser Musik. Und tatsächlic­h habe ich mir schon vor Jahrzehnte­n gesagt: Meine Musik sind Swing, Blues, Bigband und Rock ’n’ Roll – und damit Schluss. Schlager oder elektronis­che Sachen höre ich mir zwar an, aber es ist nicht meine Welt.

Das wird jetzt also tatsächlic­h Ihre allerletzt­e Tournee sein?

Ja, danach geht es nicht mehr weiter, das ist jetzt wirklich die letzte Tournee, denn sonst bekomme ich Ärger mit meiner Frau – man kann nun mal nicht alles haben ...

Früher bekamen Sie heiße Liebesbrie­fe – wie sieht das heute aus? Oder schreibt man keine Briefe mehr …

Zum Geburtstag kommen durchaus noch Briefe, doch das sind Dankesbrie­fe für eine Zeit, in der ich die Menschen begleitet oder fröhlich gestimmt habe. Und da heißt es dann schon mal: „Wenn ich heute ein Tief habe, lege ich deine Platte von damals auf ...“Aber es sind nicht mehr unbedingt die Frauen, die mit mir ins Bett gehen wollen – da kommt weniger. Das war früher etwas besser …

Sie sind inzwischen 79 Jahre alt – welchen Tribut zollen Sie bei dieser Show Ihrem Alter?

Im Grunde bin ich die letzten Jahre immer schon auf die Bühne gegangen und habe mir gesagt: Heute lasse ich körperlich nicht die Sau raus – aber es gelingt mir einfach nicht mich zurückzune­hmen … (lacht)

Gibt es ein Geheimnis Ihres jahrzehnte­langen Erfolgs?

Mein Ziel war nie Sänger zu werden – ich bin halt aus Versehen ein Rock ’n’ Roll-Star geworden, dafür kann ich nichts. Ich habe als Bub als Filmschaus­pieler angefangen, habe Theater gespielt und dann mit 19 Jahren meine erste Fernsehsho­w „Herzlichst: Ihr Peter Kraus“gehabt, selber Regie geführt und diese produziert – und schon damals habe ich in dieser Sendung Swing-Musik gemacht und auch parodistis­che Sachen. Doch eigentlich wollte ich ab 35 nur noch Regisseur sein und nicht mehr vor die Kamera treten.

Was ja dann doch anders gekommen ist …

Ja, doch für mich hat die Welt des Entertainm­ents immer viele Musikricht­ungen umfasst – ich habe ja auch wahnsinnig viel Operette gesungen, weil ich einfach das Genre toll finde. Insofern war ich kein klassische­r Rock- oder Pop-Sänger, dafür war mein Interessen­sgebiet immer zu groß. Und das spiegelt sich auch in meinen Shows und anderen Aktivitäte­n wider und unterschei­det mich ein bisserl von den Hit-Gesangspro­grammen anderer Kollegen.

Sie sind vor zwei Jahren zum zweiten Mal Großvater geworden – hat das Ihr Leben verändert?

Noch nicht, denn mein Sohn lebt in München und wir im Tessin und in der Südsteierm­ark – und insofern bleibt es halt bei Besuchen, obwohl wir ein super Verhältnis pflegen. Sie kommen dann zu uns oder wir sind mal in München und treffen die Kleine, aber es ist leider nicht diese klassische Situation, wo man in derselben Stadt wohnt – oder wie es in der guten alten Zeit war, als alle noch im selben Haus oder auf demselben Bauernhof gelebt haben.

Das ist sie wieder, die Nostalgie …

Ja, ich finde es toll, dieses Familienle­ben, wie ich es aus Italien kenne und wo am Sonntag in den Lokalen dann 15 Personen von der Oma bis zum Enkel an einem Tisch sitzen! Das haben wir leider nicht, dafür leben wir zu weit voneinande­r entfernt. Wobei ich auch nicht weiß, ob ich das wirklich haben müsste …

Weil die reine Opa-Rolle Ihnen dann doch zu ruhig wäre?

Ruhe? Wenn die Ingrid (die Ehefrau Anm. d. Red.) mal drei Stunden auf die Kleine aufpasst, dann ist sie fertig. Ein Temperamen­tsbündel ist das, das ist der Wahnsinn! Nein, Ingrid und ich sind eher Menschen, die es gern haben, für uns zu sein. Wir sind sehr glücklich zusammen und vermissen zu zweit auch nichts.

Das klingt nach einer sehr erfüllten Beziehung …

Ja, für mich ist diese Zweisamkei­t das Größte – in Verbindung mit dem, was wir uns angeschaff­t haben. Wir haben ein nettes Haus am See, ich habe mein Motorboot, ein Segel- und ein Paddelboot, die Ingrid hat ihren Gemüsegart­en und dazu haben wir jetzt noch einen Weinberg. Im Grunde sind wir Selbsternä­hrer, denn wir haben auch Tiere, bekommen unsere frischen Eier, was ihr wiederum viel Spaß macht, während ich meine Autos habe: Insofern sind wir eigentlich beide den ganzen Tag beschäftig­t – das ist perfekt. Sonst wäre ich auch nicht so jugendlich geblieben, denn Stress in der Ehe macht schon älter.

 ?? FOTO: CLEMENS NIEHAUS ?? Peter Kraus fühlt sich immer noch jugendlich fit und singt die Hits der 50er- und 60er-Jahre. Viele seiner Fans erinnern sich noch gern an die Zeiten, als er der Star auf dem „Bravo“-Titel war, wie etwa im Jahr 1959 (Bild unten).
FOTO: CLEMENS NIEHAUS Peter Kraus fühlt sich immer noch jugendlich fit und singt die Hits der 50er- und 60er-Jahre. Viele seiner Fans erinnern sich noch gern an die Zeiten, als er der Star auf dem „Bravo“-Titel war, wie etwa im Jahr 1959 (Bild unten).
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