In Ötzis Weinbergen
Südtirol hat sich zu einem Zentrum vielfältigsten Weinbaus entwickelt
Südtirol hat nicht nur den Ötzi, Luis Trenker und die Drei Zinnen. Und es hat mehr zu bieten als Schüttelbrot und Kaminwurz, König Laurin und Reinhold Messner, die Gustav-MahlerWochen in Toblach und Biathlon im Antholzertal. Südtirol hat auch Wein, und nicht den schlechtesten.
Neben vielen Geheimnissen, die den Iceman umranken, ist die Welt – unter Respektierung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten – darüber informiert worden, dass der Ötzi vor mehr als 5300 Jahren der fleischlichen Nahrung zugesprochen hat. Auf der Speisekarte sollen vor allem Hirsch und Steinbock gestanden haben. Leider ist nicht bekannt, ob der Mann vom Gletscher zur Veredelung seiner Mahlzeiten einen Becher Südtiroler Weins die Gurgel hat hinunterrieseln lassen.
Die Ursprünge des Weinbaus können aufgrund von Funden in der Nähe von Brixen auf vorrömische Zeiten und ein Alter von etwa drei Jahrtausenden bestimmt werden, sind aber beim Römer Cato (de agri cultura) erstmals dokumentiert. Kaiser Tiberius schätzte einen guten Schluck aus dem nördlichen Eroberungsgebiet so sehr, dass er mitunter despektierlich „Biberius“genannt wurde. Dass man in bayerischen Gefilden nicht nur zum Gerstensaft Affinitäten pflegt, hat der Bischof von Freising im achten Jahrhundert eindrucksvoll unter Beweis gestellt, als er die Order ausgab, im Gebiet von Etsch und Eisack Weingärten zu kultivieren. Klöster aus dem Süden Deutschlands und der Adel führten dies in selten einvernehmlich kirchlich-weltlicher Allianz weiter.
Ob er sich dem Alto Adige via Reschenpass und Vinschgau oder über den Brenner nähert, in hohem Maße fremd wird sich der Freund von Trollinger & Co. nicht fühlen. Denn nicht nur die Menschen, sondern auch die Weine scheinen ein unverkennbares „Man spricht Deutsch“vor sich herzutragen. Autochthone Sorten wie Vernatsch, Lagrein oder Gewürztraminer wetteifern im Kopf-an-KopfRennen mit internationalen Kreszenzen wie einem Sauvignon Blanc, Chardonnay, Pinot Noir und weiteren. Denn außer dem Lagrein, einer Kreuzung aus Vernatsch und Teroldego, sind alle auch an Neckar, Rems und Kocher anzutreffen, wenn der Vernatsch in Württemberg auch Trollinger heißt. Unter Aufrechterhaltung der Tradition spielt man im globalen Konzert tonangebend mit. Wie zu Hause eben. Abweichungen in der Bodenbeschaffenheit, den geographischen Koordinaten, den klimatischen Bedingungen (Temperaturen, Niederschläge, Sonneneinstrahlung, umgebende Bepflanzung) und teilweise andersartigen Ausbauweisen führen zu spannend unterschiedlichen Resultaten, was zu vergleichen den ganz speziellen Reiz für den Weinfreund ausmacht.
Rotweine auf höchstem Niveau
Signifikant eigenständige Weine werden aus der Lagrein-Traube gewonnen, der Erbhof Mayr-Unterganzner des Josephus Mayr in Bozen hat es hierbei mit seiner an Waldfrüchte, Brombeere, Kaffee und Kakao erinnernden Lagrein Riserva und dem hochkonzentrierten Lamarein, dessen überreifes Traubengut wie für einen Amarone unter dem Dach getrocknet wird, zur Perfektion gebracht. Auch Elena Walch in Tramin überzeugt mit ihrer Lagrein Riserva Vigna Castel Ringberg in allen Belangen und räumt dazuhin mit der vielschichtigen, in Barriques aus französischer Eiche gereiften Cuvée Kermesse, bei der sich zum Lagrein Anteile von Cabernet Sauvignon, Merlot, Petit Verdot und Syrah gesellen, Höchstpunktzahlen ab. Schließlich gehört auch die Lagrein Riserva Abtei-Muri von der Klosterkellerei Muri Gries in Bozen in die vorderste Reihe. Kloster und Benediktinerabtei verdienen unter architektonischen wie gesamtkünstlerischen Aspekten jeden noch so weiten Umweg. Cabernet Sauvignons auf international beifallswürdigem Niveau sind bei Alois Lageder in Margreid mit seinem Cabernet Löwengang (mit Cabernet Franc und Merlot) und Cor Römigberg (mit etwas Petit Verdot) zu finden, die durch wunderbar herausgearbeitete Sortentypik und Harmonie überzeugen und zu den besten Cabernets der Apenninenhalbinsel zählen, sowie einmal mehr bei Mayr-Unterganzner mit der Cabernet Riserva Kampill (Cabernet Sauvignon und Franc) und
Elena Walch mit der reinsortigen Riserva Vigna Castel Ringberg.
Die Palette prächtiger Rotweine wird von einer Reihe durch und durch untadeliger Pinot Noir-Gewächse ergänzt. Die Riserva Praepositus aus der vorbildlichen Ab-
bazia di Novacella in Vahrn nördlich von Brixen (Kloster Neustift), die dem kulturell aufgeschlossenen Weinfreund auch als Klosteranlage uneingeschränkte Bewunderung abverlangt, verkörpert einen delikaten, fein gewobenen Burgundertypus mit Himbeer- und Kirscharomen, die dem Gaumen nachhaltig schmeicheln. Auch die Riserva St. Daniel von Colterenzio in Girlan ist eine ambitionierte Suche wert und bei der Cantina Terlano erhält man mit der Riserva Montigl einen kraftvollen, aber gleichzeitig eleganten Burgunder. Weißweine mit Frucht und frischer Säure Das Portfolio der Weißweine trägt unverkennbar die Handschrift des nördlichen, von alpinen Einflüssen geprägten Anbaugebiets. Der Hitze der Tage sind die reiche Fruchtausbeute und Aromenfülle, den kühlen Nächten ein natürliches, frisches Säurerückgrat zu danken. Im Bunde mit dem ebenfalls weit nördlich gelegenen Anbaugebiet des Friaul wartet das Alto Adige mit einer Armada der faszinierendsten Weißweine Italiens auf. Sauvignons, die die Eigenarten der Traube exemplarisch herausarbeiten und sich wohltuend von so vielen marmeladig-modernistischen Weinen, die dieser Traube abgerungen werden, unterscheiden, sind bei
Peter Dipoli in Neumarkt mit dem herausragenden Sauvignon Voglar, ausgestattet mit einem Bündel tropischer Aromen, markanter Säure, Nerv und Rasse und bei der Kellerei
Girlan mit dem Sauvignon Flora (Stachelbeeren, Paprika, mineralische Töne, erfrischende Säure) zu finden. Unterganzner präsentiert mit seinem Platt & Pignat einen anmutigen Sauvignon mit Anklängen an reife exotische Früchte (Mango, Ananas, Orangenschale) und mundfüllend cremiger Struktur. Ein Juwel besonderer Art ist der Dessertwein Sauvignon Passito Saphir vom Landesweingut Laimburg in Pfatten, dessen sensorische Eindrücke an Blütenhonig, reife Feigen und Trockenfrüchte erinnern.
Als weiterer Vertreter global ausgerichteter Weine ist auch der Chardonnay aus Südtirol nicht mehr hinwegzudenken. Optimale Ergebnisse erzielen Colterenzio mit dem Einzellagen-Chardonnay Lafoa (Zitrusfrüchte, Melone, Mango, zarte Nusstöne, leichte Holznote) und Alois Lageder mit dem Löwengang, der sich mit seinen Aromen nach Pfirsich und Südfrüchten, gebutterten Tönen und einem Hauch Vanille vor den weißen Burgundern von der Côte d’Or nicht zu verstecken braucht. Als weiße Burgundersorte bringt der Pinot Bianco Weine von delikater Eleganz, die in feiner Balance mit einer geschmeidigen Körperhaftigkeit und feiner Säure steht, hervor. Besonders gelungen sind die Pinot Bianco Riserva Flora von Girlan, sowie die Riserva Vorberg von der Cantina Terlano. Die Abbazia di Novacella vervollständigt die Reihe ihrer fabelhaften Praepositus-Weine mit dem von feinem Spiel geprägten Riesling, einem charaktervollen Gewürztraminer sowie dem Dessertwein Moscato Rosa mit feiner Süße. Einen solchen offeriert auch die Cantina Kaltern mit dem Moscato Giallo Passito Quintessenz auf beachtenswertem Niveau. Übrigens: Südtirol hat auch einen Andreas Hofer. Der war nicht nur Freiheitskämpfer, sondern gleichermaßen – Weinhändler. Cin cin!