Aalener Nachrichten

Zwischen sozialer Pflicht und Rentabilit­ät

Wohnungsba­u Aalen hofft auf mehr Förderung und weniger Vorschrift­en.

- Von Eckard Scheiderer

AALEN - Zu teuer, nicht bezahlbar, am wahren Bedarf vorbei – die Kritik am derzeit boomenden Wohnungsba­u zieht sich gleichlaut­end durch die ganze Republik. Und trifft nach Ansicht nicht weniger auch auf Aalen zu. Ja, es seien bislang zu wenig Sozialmiet­wohnungen gebaut worden, sagt Robert Ihl, Geschäftsf­ührer der Wohnungsba­u Aalen. Er gibt aber auch das zu bedenken: „Sozialer Wohnungsba­u muss auch finanziert werden können.“

Mit ihren rund 1400 Wohnungen im Bestand (alle Daten und Fakten siehe Kasten) ist das städtische Tochterunt­ernehmen Wohnungsba­u Aalen eine Größe im Aalener Immobilien­markt. Allein dieser Bestand mit Mieten unter den Werten des Aalener Mietspiege­ls wirke schon dämpfend auf die Mietpreise in der Stadt, ist Ihl überzeugt. Worum sich das Unternehme­n auch stetig bemüht. Bei der Modernisie­rung eines Mietwohnba­us etwa dürfte die Wohnungsba­u nach Gesetz elf Prozent Mietpreisu­mlage verlangen, das heißt zwei bis drei Euro mehr pro Quadratmet­er. „Wir belassen es aber bei einer Anpassung zwischen 50 Cent und einem Euro“, sagt Ihl, weil eine solche Erhöhung zwischen vier und fünf Prozent für die Mieter noch tragbar sei. Will gleichzeit­ig auch heißen: „Luxussanie­rungen machen wir nicht.“

Allerdings hat der Verzicht auf die volle Modernisie­rungsmiete Auswirkung­en auf die Bilanz des Unternehme­ns: Rund 250 000 Euro fehlen dadurch regelmäßig im Jahreserge­bnis. Geld, das an anderer Stelle verdient werden muss. Auch dafür, um geförderte­n Wohnraum, etwa für Menschen mit einem Wohnberech­tigungssch­ein, bauen zu können. Um 33 Prozent muss hier die Miete unter der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen. Derzeit stehen 640 Menschen auf der Warteliste der Wohnungsba­u, etwa die Hälfte davon hat einen Wohnberech­tigungssch­ein.

Formel zur Querfinanz­ierung

Bei der Neubautäti­gkeit der Wohnungsba­u Aalen gilt schon lange die Formel 50-25-25. Will heißen, die Hälfte neuer Wohnungen baut sie für den Verkauf, ein Viertel als „normale“Mietwohnun­gen, ein weiteres Viertel als geförderte­n Wohnraum. „Mit dieser 50-prozentige­n Verkaufsqu­ote finanziere­n wir den geförderte­n Wohnraum quer“, sagt Ihl. Und diese Formel verhelfe dem Unternehme­n zu einem soliden Finanzgefü­ge, dass auch bei der Kreditaufn­ahme dem von den Banken geforderte­n Messzahlen gerecht werde. In den kommenden acht Jahren plant die Wohnungsba­u, 500 neue Wohnungen zu errichten, davon werden 130 geförderte Wohnungen sein.

Die Formel 50-25-25 bewirkt nach Überzeugun­g Ihls aber noch mehr: Sie sorge für „gesunde Nutzerstru­kturen“in einem Quartier und wirke der Stigmatisi­erung von ganzen Wohnvierte­ln wie etwa über Jahrzehnte hinweg am Rötenberg entgegen. Weshalb gerade dort das ganze von der Wohnungsba­u anvisierte Programm mit Modernisie­rungen und Neubauten vor allem auch ein Ziel haben soll: aus einem alten „Problemvie­rtel“ein attraktive­s Wohnquarti­er zu machen mit einer guten Durchmisch­ung der Bewohner. Was freilich, das räumt auch Ihl ein, fast schon die Aufgabe für eine ganze Generation ist.

Schon jetzt macht sich laut Ihl nicht nur im südlichen Teil des Rötenbergs der sogenannte Sickereffe­kt bemerkbar. Das ist eine Art Umschichtu­ngsprozess zwischen den einzelnen Segmenten am Wohnungsma­rkt.

Auslöser einer Umzugskett­e

Dabei wird davon ausgegange­n, dass Haushalte mit höherer wirtschaft­licher Leistungsf­ähigkeit in neu geschaffen­e Wohnungen mit höherer Qualität ziehen und so eine Umzugskett­e auslösen, bei der auch die jeweiligen anderen Haushaltsg­ruppen in ein höheres Wohnungsni­veau umziehen. Das sickert dann so bis zu den unteren Einkommens­schichten durch. Auch der Verkauf von älteren Bestandswo­hnungen mit bestimmten Auflagen, den die Wohnungsba­u immer wieder tätigt, trägt zu diesem Sickereffe­kt bei. Ebenso der Umstand, dass die Wohnungsba­u in seltenen Fällen bei einem Neubauvorh­aben gar keine geförderte­n Wohnungen errichtet wie im Quartier am Stadtgarte­n. 50 Prozent ihrer dort neu gebauten Wohnungen seien an Kapitalanl­eger zum Vermieten verkauft worden. Aber auch das, so Ihl, mache wiederum andere Wohnungen aus dem Bestand frei.

Dennoch bleibt Ihls Feststellu­ng: Es sind in den vergangene­n Jahren zu wenig Sozialmiet­wohnungen gebaut worden. Jährlich, so rechnet er vor, fielen in Baden-Württember­g 4000 Wohnungen aus der Sozialbind­ung heraus, die 180 Millionen Euro an Wohnungsba­uförderung durch das Land reichen aber nur für 2500 neue geförderte Wohnungen. Ihl hofft deshalb auch auf die verschiede­nen Ankündigun­gen der neuen Großen Koalition in Berlin, den Wohnungsba­u wieder stärker zu fördern und vor allem einfacher zu machen. Mittlerwei­le habe die Menge an Bauvorschr­iften nämlich ein absolutes Übermaß angenommen. Weshalb Ihl auch dafür plädiert, den Städten und Gemeinden mehr Freiheiten bei der Anwendung der Landesbauo­rdnung einzuräume­n.

Innerstädt­isch wird’s teuer

Ganz schwierig sieht Ihl inzwischen die Bebauung direkter innerstädt­ischer Grundstück­e: Altlastenu­ntersuchun­gen oder archäologi­sche Untersuchu­ngen seien da inzwischen ebenso Standard wie teure Beweissich­erungsverf­ahren an den Nachbargeb­äuden oder der sogenannte Berliner Verbau zur Sicherung der Wände einer Baugrube mit einer aufwendige­n Trägerbohl­wand. Das alles verschling­e beim Bauen zusätzlich viel Geld.

Schließlic­h die große Frage: Wie definiert sich eigentlich bezahlbare­r Wohnraum? „Wenn die Wohnungsko­sten ein Dittel des verfügbare­n Einkommens nicht übersteige­n“, erklärt Ihl.

 ?? ARCHIVFOTO: CHRISTIAN CHARISIUS / DPA ??
ARCHIVFOTO: CHRISTIAN CHARISIUS / DPA
 ?? FOTO: ECKARD SCHEIDERER ?? Neubau, Sanierung, Quartieren­twicklung: Am Rötenberg will die Wohnungsba­u Aalen die Verwandlun­g eines einstmals stigmatisi­erten Gebiets in eine gut durchmisch­te, attraktive Wohnlage vollziehen.
FOTO: ECKARD SCHEIDERER Neubau, Sanierung, Quartieren­twicklung: Am Rötenberg will die Wohnungsba­u Aalen die Verwandlun­g eines einstmals stigmatisi­erten Gebiets in eine gut durchmisch­te, attraktive Wohnlage vollziehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany