Was machen, wenn die Erde bebt?
Erdbebentrainings bereiten nepalesische Waisenkinder von Govinda auf den Ernstfall vor
AALEN (an) - Professionelle Erdbebentrainings gehören seit vielen Jahren für die Waisen- und Schulkinder des Vereins Govinda in Nepal zum festen Präventionsprogramm. Nepal ist ein geografisches Hochrisikogebiet für Erdbeben. Die verheerenden Beben vom 25. April und 12. Mai 2015 mit knapp 9000 Toten und 880 000 zerstörten Häusern machten dies der ganzen Welt deutlich. Seismologen prognostizieren weitere schwere Erdbeben in der Region.
Ein lautes, bebendes Läuten ertönt und die Kinder des Shangrila-Waisenhauses von Govinda im Dorf Neopane Gaon in Nepal schnappen sich möglichst schnell ein Kissen oder einen Rucksack, schützen ihre Köpfe damit und verstecken sich unter Tischen und Betten. Sobald das ungewöhnliche Läuten aufhört, laufen die Kinder den kürzesten Weg aus dem Gebäude hinaus zum vereinbarten Sammelplatz an den Orangenbäumen hinter dem Waisenhaus. Hier sind sie sicher vor eventuell einstürzenden Gebäudeteilen und Mauern. Angestellte nehmen entweder an den professionellen Trainings teil, um im Ernstfall gezielt und richtig reagieren zu können, oder beobachten die Kinder, um im Anschluss günstige und ungünstige Verhaltensmuster zu erläutern.
„Die Erdbebentrainings dienen der Sicherheit der Kinder und Angestellten, damit sie sich bei einem Beben gezielt und richtig verhalten. Wie wichtig dies ist, hat sich vor drei Jahren bei den schweren Erdbeben im April und Mai gezeigt“, erläutert Corinna Hilgner, Vorsitzende vom Aalener Vereins Govinda. „Die Erdbebengefahr ist in Nepal immer präsent und daher sind die Trainings seit langem ein fester Bestandteil zur Vorbereitung und Wissensvermittlung in Schule und Waisenhaus.“Die regelmäßige Durchführung ist für die neu aufgenommenen Waisenund Schulkinder wichtig und dient der stetigen Auffrischung des Gelernten. „Wir überlegen, dieses Programm auf weitere Schulen in der Umgebung auszudehnen, da Seismologen auf weitere noch schwerere Erdbeben hinweisen und leider die wenigsten Gebäude in erdbebensicherer Bauweise erstellt sind“, so Hilgner.
Nepal ist ein Hochrisikogebiet für Erdbeben, es liegt geografisch auf der Grenze zwischen der Indischen und der Eurasischen Erdplatte. Seit 50 Millionen Jahren drücken die Erdplatten gegeneinander und sind für die Entstehung des Himalaya Gebirges verantwortlich. Die dabei entstehenden Spannungen entladen sich durch massive Erdbeben. Im Frühjahr 2015 erschütterten Beben der Stärke 7,9 Nepal bei welchen knapp 9000 Menschen ihr Leben verloren. 2,4 Millionen Menschen Nepals waren direkt von den Erdbeben betroffen. Die Schulen für eine Million Schulkinder wurden zerstört. Diese Naturkatastrophe nahm ein unvorstellbares Ausmaß an.
Seismologen erwarten weitere Erdbeben in der Himalayaregion mit noch höherer Intensität. Erdbeben sind schwer berechenbare Naturphänomene, die in Nepal seit Jahrhunderten immer wiederkehren. Prävention und erdbebensichere Bauweisen sind ein Weg, die Menschen zu schützen und die Opferzahlen zukünftiger Erdbeben zu minimieren.
Als neues Projekt ist ein Geburtshaus geplant
Govinda hat in Folge der großen Beben in den vergangenen drei Jahren umfangreiche Wiederaufbauarbeiten in Nepal initiiert. Insgesamt wurden vier Schulen, ein Bildungshaus, ein Gemeindehaus und 110 Wohnhäuser für betroffene Familien wiederaufgebaut. Alle Baumaßnahmen wurden in aufwendiger und erdbebensicherer Bauweise in Zusammenarbeit mit den nepalesischen Partnern und den betroffenen Familien erstellt.
Der 1998 in Aalen gegründete Verein Govinda setzt sich für Waisenkinder, gesellschaftlich benachteiligte Kinder, von Lepra betroffene Familien, Menschen aus ländlichen Regionen und Bürgerkriegsregionen, durch das Kastensystem Benachteiligte, für Frauen sowie von Naturkatastrophen betroffene Menschen in Nepal ein, einem der ärmsten Länder Asiens. Innerhalb der 20-jährigen Vereinstätigkeit von Govinda konnten über 8000 Not leidende Menschen durch die Projektarbeit und die Spenden vieler Menschen aus dem Ostalbkreis unterstützt werden. Derzeit wird ein Geburtshaus geplant, um den werdenden Müttern in einer ländlichen und schwer erreichbaren Region im Süden Nepals medizinisch betreute Geburten unter hygienischen Bedingungen zu ermöglichen.
„Die Erdbebengefahr ist in Nepal immer präsent“, sagt Corinna Hilgner.