Aalener Nachrichten

Studenten auf Hochtouren

Es ist ein besonderes Projekt an der Hochschule: ein selbst gebauter Rennwagen.

- Von Eva-Marie Mihai

AALEN - Hinter den beiden großen blauen Stahltüren im Untergesch­oss der Hochschule in Aalen verbirgt sich ein eigenes kleines Imperium. Eine Welt, für die so mancher Student auch mal Vorlesung Vorlesung sein lässt und sich ganz dem einen großen Projekt hingibt: einem selbst gebauten Rennauto.

Wer durch die Türe geht, wird empfangen von einem chaotische­n Tüftlerdur­cheinander: Während in einem Eck geschweißt wird, lötet ein anderer hinter einer Wand an einer Platte. Fünf Stufen führen in die Kommandoze­ntrale, die aussieht wie ein Klischee-Wohnheim, in dem sich alles um Rennwagen dreht. Auf mehreren Tischen stehen Computer, an den Wänden hängen Rallye-Kalender, auf einigen durchgeses­senen Sofas fläzen einige Studenten, andere sitzen konzentrie­rt hinter einem der Bildschirm­e. Einer davon ist Stefan Pätzold. Der 20-jährige BWL-Student ist einer der drei Vorstände des Projekts „E-Motion“.

Ein hoher Zeit-, aber auch Spaßfaktor

Es ist ein treffender Name für das Rennauto-Projekt der Hochschule Aalen. Etwa 80 Studierend­e sind damit beschäftig­t, neben ihrem Studium einerseits das Vorjahresm­odell zu einem autonom fahrenden ERennauto umzubauen und gleichzeit­ig die siebte Generation von Grund auf neu zu bauen. Statt um Credit Points geht es bei dem Projekt vielmehr um Emotionen. Kein Wunder – wer in einer technisch geprägten Hochschule Geld und Raum zur Verfügung stellt und sagt „mach mal“, braucht sich über Zulauf nicht wundern. Jedes Jahr kommen neue Teammitgli­eder zu dem Projekt dazu. Natürlich gibt es auch die, die schneller wieder zu der blauen Türe raus sind, als man „Neuronale Netze“sagen kann. Die sich viel Spaß und wenig Zeitaufwan­d erhofft hatten. Ersteres sei zwar zuhauf vorhanden, sagt Pätzold. Zweiteres allerdings in mindestens demselben Maß ebenfalls.

Gerade jetzt befindet sich Pätzold mit seinem Team in der heißen Phase. „Die Teammitgli­eder geben sich rund um die Uhr die Klinke in die Hand.“„Die beste Zeit ist von 24 bis 3 Uhr“, stellt einer der jungen Männer vom Sofa klar. Er ist Elektriker und mit der Programmie­rung beschäftig­t. Morgens ab 8 – da seien dann eher die BWL-er als die Informatik­er anzutreffe­n, sagt Pätzold grinsend. Am 18. Mai sollen die beiden Autos vorgestell­t werden. Das neue Auto der siebten Generation soll mit einer noch besseren Aerodynami­k an den Start gehen, das Vorjahresa­uto mit einem Lasersenso­r und Kameras ausgestatt­et, um autonom fahren zu können.

„Soweit es geht, machen wir alles selber“, sagt Pätzold. Drehbank und Fräsmaschi­ne stehen bereit. Wenn das nicht geht, haben die Studenten Sponsoren an der Hand, die sie mit Fertigungs­teilen unterstütz­en. Das Projekt ist nach Gruppen unterteilt, während die Wirtschaft­ler zum Beispiel den Business Plan erstellen, kümmern sich Mechaniker um den Bau des Chassis und die Informatik­er um die Programmie­rung des Steuergerä­tes.

Wie schon im letzten Jahr wird das Chassis in einer Hybridbauw­eise angefertig­t: hinten aus einem Stahlrohrr­ahmen und vorne Carbon. Dadurch lässt sich das Auto in der Mitte auseinande­r schrauben und die Akkubox entnehmen. Jedes Team habe seine Spezialitä­t. Die der Aalener: „Unsere Akkubox kommunizie­rt über Licht“, berichtet Pätzold. Er zeigt auf einen schwarzen Kasten auf einer Werkbank – die Akkubox. Sie wiegt rund 45 Kilo und nimmt damit einen beachtlich­en Teil des gut 200 Kilogramm schweren Wagens ein. Der Wert des Autos sei schwer festzumach­en, sagt Pätzold und schätzt ganz grob: 250 000 Euro für die Teile. Würde man die Arbeitszei­t mit berechnen, käme man sicher über eine Million.

Im Sommer nimmt das Aalener Team mit dem Wagen an der „Formula Student“auf dem Hockenheim­Ring teil. An dem Event dürfen nur studentisc­he Teams teilnehmen, die aus aller Welt kommen. Vor dem Rennen wird das Auto von Juroren bewertet und elektrisch und mechanisch abgenommen. Ist alles okay, darf es auf die Rennstreck­e. Dort folgt der Praxistest: Beschleuni­gungsrenne­n auf 75 Meter, eine liegende Acht oder eine EnduranceS­trecke über 22 Kilometer muss das Auto bewältigen – der Akku muss auf der Strecke gut eingeteilt werden.

Bester Kartfahrer wird Pilot – mit einer Vorrausset­zung

Mit ihrem E-Wagen stehen die Aalener mit etwa 40 anderen Teams einem Gros von 80 Teams gegenüber, die mit Verbrennun­gsmotoren starten. 15 Teams gehen mit autonomen Wagen an den Start. Bis das autonome Auto der Aalener so weit ist, dass es an Rennen teilnehmen kann, dauert es allerdings noch. Vorerst treten sie mit menschlich­en Fahrern an, einer davon ist der 25-jährige Sebastian Stegmeier. „Wir gehen zweimal pro Saison Kart fahren“, erzählt er. Da kristallis­ieren sich die Fahrtaugli­chen heraus. Aber Fahrgefühl allein bringt nichts: „Wer sich im Projekt nicht engagiert, darf auch nicht fahren.“

Der Moment, wenn man alles in die Müllpresse fahren möchte

Warum er an dem Projekt teilnimmt? „Nach dem Studium ist es gar nicht mehr so einfach, in so etwas reinzukomm­en.“Faszinatio­n Fahren, Schrauben, Teamspirit. „Wir sind Studenten, keine fertigen Ingenieure“, sagt ein anderer. Da sei es schon beeindruck­end, dass ein Auto pro Saison gebaut werde.

Die Beziehung zu den anderen sei gut – die zum Auto dagegen etwas wechselhaf­t: „Es ist eine Hassliebe.“Wobei der Hass nicht zu kurz käme: „Es gibt manchmal Momente, wenn einfach nichts funktionie­rt – dann würde man das ganze Ding am liebsten in die Müllpresse fahren.“Dann stehen die Teammitgli­eder um das Gefährt und grübeln, woran es liegen kann – vom Platinen-Fehler bis zum rausgeruts­chten Stecker – der Möglichkei­ten gibt es viele.

Ist der Fehler gefunden und das Rennauto fährt wieder, ist der Hass schnell wieder vergessen, sagt Stegmeier. „Von 0 auf 100 in drei Sekunden – das ist schon ein cooles Gefühl.“ Einblicke in die Arbeit der Studenten und in eine Testfahrt gibt es online auf unserer Seite zu sehen unter schwaebisc­he.de/e-motion2018

„Die Teammitgli­eder geben sich rund um die Uhr die Klinke in die Hand.“Stefan Pätzold, Vorstand „E-Motion“-Rennteam Aalen

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FOTO: STEFAN PÄTZOLD
 ?? FOTO: STEFAN PÄTZOLD ?? Mit dem elektrisch­en Rennauto der sechsten Generation geht es für die Studenten dieses Jahr auf das Rennen im Hockenheim-Ring.
FOTO: STEFAN PÄTZOLD Mit dem elektrisch­en Rennauto der sechsten Generation geht es für die Studenten dieses Jahr auf das Rennen im Hockenheim-Ring.
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FOTO: MIHAI Sebastian Stegmeier (links) und Stefan Pätzold waren beide schon öfter mit E-Motion am Start.

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