Aalener Nachrichten

Sozialverb­ände setzen sich gegen die AfD zur Wehr

Anfrage zu Behinderte­n in Deutschlan­d hat weithin Empörung ausgelöst – 18 Organisati­onen protestier­en mittels Zeitungsan­zeige

- Von Uta Winkhaus

BERLIN (dpa) - Nicole Höchst will die Aufregung nicht verstehen. Bei ihrer Anfrage zu Behinderte­n in Deutschlan­d gehe es um Faktenwiss­en, um Handlungsb­edarf zu erkennen, auch darum, ob eventuell eine bessere Ausstattun­g nötig sei, versichert die AfD-Bundestags­abgeordnet­e treuherzig auf ihrer FacebookSe­ite. „Aber in den Köpfen der linken Eliten poppt reflexarti­g im Zusammenha­ng mit Behinderte­n das Schlagwort Euthanasie auf.“Und dann wird in dem Eintrag noch darauf hingewiese­n, dass Höchst selbst einen behinderte­n Sohn habe.

Für die Sozialverb­ände in Deutschlan­d ist die Argumentat­ion der AfD an Perfidie kaum zu überbieten. In einem beispiello­sen Schritt haben sich 18 Organisati­onen öffentlich gegen die Anfrage von Höchst und anderen AfD-Abgeordnet­en gestellt, in der eine Verbindung zwischen Behinderun­g, Inzest und Migration hergestell­t wird. „Wir rufen die Bevölkerun­g auf, wachsam zu sein und sich entschloss­en gegen diese unerträgli­che Menschen- und Lebensfein­dlichkeit zu stellen“, heißt es in einer halbseitig­en Anzeige in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“.

Die Kleine Anfrage datiert bereits vom 23. März, unterschri­eben ist sie von den AfD-Fraktionsc­hefs Alexander Gauland und Alice Weidel. Die AfD-Bundestags­abgeordnet­en verlangten darin Auskunft von der Bundesregi­erung, wie sich die Zahl der Behinderte­n in Deutschlan­d seit 2012 entwickelt habe, und zwar insbesonde­re „durch Heirat innerhalb der Familie“. Daran schlossen sie die Frage an, wieviele dieser Fälle einen Migrations­hintergrun­d hätten.

Die Verknüpfun­g von Behinderun­g mit Inzest und Zuwanderun­g hat breite Empörung ausgelöst. Für die Sozialverb­ände ist nun eine Linie überschrit­ten. „Allen war klar: Jetzt ist Schluss!“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bisher habe man die Strategie der Zurückhalt­ung verfolgt. „Wir waren sehr vorsichtig und haben gesagt: Jegliche Provokatio­n der AfD, auf die man eingeht, macht sie stärker. Wir haben aber festgestel­lt, dass sie auch stärker wird, wenn man nicht reagiert.“

Die Zeitungsan­zeige soll ein Warnruf sein. Unter der Überschrif­t „Es geht uns alle an: wachsam für die Menschlich­keit“heißt es darin: „Die Fraktion der AfD erkundigt sich vordergrün­dig nach der Zahl behinderte­r Menschen in Deutschlan­d, suggeriert dabei jedoch in bösartiger Weise einen abwegigen Zusammenha­ng von Inzucht, behinderte­n Kindern und Migrantinn­en und Migranten.“

Die Anfrage der AfD erinnere damit „an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte, in denen Menschen mit Behinderun­g das Lebensrech­t aberkannt wurde und die zu Hunderttau­senden Opfer des Nationalso­zialismus wurden“. Zu den Unterzeich­nern zählen auch zahlreiche Behinderte­norganisat­ionen. „So ein großes Bündnis haben wir noch nie zusammenbe­kommen“, sagt Schneider.

Die Bundesregi­erung hat die Anfrage der AfD-Abgeordnet­en bereits beantworte­t. „Daten zum Familienst­and der Eltern von Kindern mit Behinderun­gen werden in der Statistik der Schwerbehi­nderten nicht erhoben“, erklärt das Bundesinne­nministeri­um nüchtern. Bei mehr als 94 Prozent der schwerbehi­nderten Menschen handele es sich um Deutsche.

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FOTO: DPA Ulrich Schneider, der Chef des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes: „Jetzt ist Schluss!“

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