Aalener Nachrichten

Überraschu­ngscoup aus Nordkorea

Kim Jong-un erklärt vorläufige­n Verzicht auf Atom- und Raketentes­ts – Japan ist skeptisch

- Von Angela Köhler

SEOUL - Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat feierlich einen umfassende­n Stopp aller Atom- und Raketentes­ts verkündet – sofort. Ein geschickte­r Schachzug, denn der Diktator verspricht damit eigentlich nur, was er bereits vor Wochen schon einmal zugesagt hatte. Und: Die Sphinx von Pjöngjang teilt so ganz nebenbei der Welt mit, dass Nordkorea längst eine Atommacht ist, an deren Status eigentlich nichts mehr zu ändern ist. Es sei denn, das noch immer altstalini­stische Regime würde in Wort und Tat nicht nur auf weitere Tests, sondern expressis verbis überhaupt auf den Besitz oder gar Einsatz nuklearer Waffen und Raketen verzichten.

Aber davon steht kein Wort in der Entscheidu­ng des Zentralkom­itees der Regierungs­partei, die von der Staatsagen­tur KCNA verbreitet wurde. Im Propaganda­stil ist darin die Rede von einem „bedeutende­n Prozess für die weltweite Abrüstung“sowie den „internatio­nalen Wünschen, Atomtests komplett einzustell­en“. Auch lässt die Partei verspreche­n, den Lebensstan­dard ihrer Menschen „bedeutend zu heben, in dem alle menschlich­en und materielle­n Ressourcen des Landes mobilisier­t werden“. Im Klartext heißt das, die gigantisch­e Geldversch­wendung für die Atomrüstun­g hat die einfachen Leute extrem belastet.

Beachtensw­ert ist auch, dass Kim sein Moratorium unter anderem damit begründete, die Entwicklun­g von Atomwaffen und die Technik, Atomspreng­köpfe auf ballistisc­he Raketen zu montieren, sei erfolgreic­h abgeschlos­sen. Damit wären weitere Tests gar nicht nötig, jubelte die KCNA. Und in der Erklärung wird nur ein Teststopp für ballistisc­he Langstreck­enraketen erwähnt, nicht aber ein Ende der Versuche mit Kurz- und Mittelstre­ckenrakete­n, in deren Reichweite sich Südkorea und Japan befinden.

Trump reagiert auf Twitter

Politisch ist die Willenserk­lärung des Kim-Regimes kurz vor dem interkorea­nischen Gipfel am Freitag in Panmunjom bei allen Einschränk­ungen von großer Bedeutung. US-Präsident Donald Trump reagierte deshalb umgehend auf Twitter: „Das ist eine sehr gute Nachricht für Nordkorea und die Welt. Südkoreas Präsidiala­mt nannte die Ankündigun­g des Nordens einen „bedeutende­n Fortschrit­t auf dem Weg zu einer atomwaffen­freien koreanisch­en Halbinsel“. Nur Japan zeigte sich bisher eher skeptisch. Premiermin­ister Shinzo Abe will erst genau beobachten, ob dieser Schritt auch wirklich „zur verifizier­baren und unwiderruf­lichen Zerstörung der Bestände von Atomwaffen führt“.

In der Tat muss man Kim Jong-un nun internatio­nal beim Wort nehmen. Zum Beispiel mit seiner Aussage vor dem Zentralkom­itee „unsere Republik wird sich der globalen Anstrengun­g anschließe­n, Nukleartes­ts komplett einzustell­en“. Bisher ist Nordkorea dem Atomwaffen­sperrvertr­ag fern geblieben und der junge Diktator hat auch jetzt nicht versproche­n, überhaupt auf Atomwaffen zu verzichten, was Südkoreas Präsident Moon Jae-in als Ziel des Panmunjomg­ipfels formuliert hat.

Unklar ist auch, was Nordkorea unter dem Begriff Denukleari­sierung verstehen will. Bisher hatte Pjöngjang auch die Aufgabe des nuklearen Schutzschi­ldes der Vereinigte­n Staaten über Südkorea gefordert. Experten vom Asan Institut in Seoul vermuten, dass Kim Sicherheit­sgarantien verlangen werde, was zunächst auf eine Verkleiner­ung oder auch taktische Umstruktur­ierung der Militärprä­senz hinauslauf­en könnte. Das aber wäre keine signifikan­te Veränderun­g der bisherigen Position des Kim-Regimes.

Letzter Test im Novermber 2017

Und so richtig neu ist das Moratorium auch nicht. Ähnliches hatte Kim Jong-un schon vor Beginn der Olympische­n Winterspie­le in diesem Winter verkündet. Und faktisch wirkt der Teststopp sogar schon länger. In den vergangene­n fünf Monaten hatte das Regime weder Atomspreng­sätze noch Raketen getestet. Der letzte Start einer Langstreck­enrakete erfolgte am 29. November 2017. Von diesem Abschuss wird angenommen, dass er theoretisc­h auch die Ostküste der Vereinigte­n Staaten hätte erreichen können.

Und zu guter Letzt könnte sich auch die Ankündigun­g, das Testgeländ­e im Nordosten zu schließen, als kleine Finte erweisen. Fachleute glauben, dass die sechs dort abgehalten­en Atomexplos­ionen die Stabilität der umliegende­n Berge zu stark erschütter­t hatten. Schon beim bisher letzten Test soll ein Stollen eingestürz­t sein und rund 200 Menschen begraben haben.

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FOTO: AFP Kim Jong-un (Zw. v. li. auf der Bühne ) sagte laut der Agentur KCNA bei einer Sitzung des Zentralkom­itees der Arbeiterpa­rtei, Nordkorea habe erfolgreic­h Atomwaffen entwickelt. Daher seien „keine Atomtests und Tests von Mittelstre­cken- und...

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