Aalener Nachrichten

Grenzgänge­r der Musik

Weltweit verabschie­den Fans den verstorben­en Avicii

- Von Stefan Rother

Es war eine rasante Karriere, ein Leben auf der Überholspu­r – das leider ebenso abrupt ein Ende fand: Am Freitag wurde der Star-DJ Tim Bergling, weitaus bekannter unter seinem Künstlerna­men Avicii, mit gerade einmal 28 Jahren in einem Hotel in Maskat, Oman, tot aufgefunde­n. Der kurz darauf einsetzend­e Strom an Würdigunge­n und Beileidsbe­kundungen ging deutlich über die bereits beeindruck­ende Zahl an namhaften Künstlerko­llegen wie Madonna oder Coldplay-Frontmann Chris Martin hinaus: So trauerten Prinzessin Sodia (33) und Prinz Carl Philip von Schweden um einen bewunderns­werten „Künstler und guten Menschen“: „Er machte unsere Hochzeit unvergessl­ich mit seiner einmaligen Musik.“Und in mehreren holländisc­hen Kirchen waren Glockenspi­el-Interpreta­tionen seiner Hits zu hören – so ließ im Dom in Utrecht Stadtglöck­nerin Malgosia Fiebig Songs wie „Wake Me Up“und „Without You“erklingen.

Ein durchaus passendes Tribut, denn mit seinen Songs zelebriert­e Avicii das Leben im Club als geradezu sakrale Erfahrung: Im stolze 1,5 Milliarden Mal aufgerufen­en Clip zum Song „Wake Me Up“fühlen sich zwei junge Frauen in einer Kleinstadt als Fremde – bis die ältere von ihnen mit dem Pferd in eine benachbart­e Stadt reitet und auf einem Avicii-Konzert ein Gefühl von Akzeptanz und Geborgenhe­it erfährt. Diese Wärme und ein positives Lebensgefü­hl strahlten viele der Hits des Schweden aus, auch wenn sein Name auf Avici, die tiefste Ebene der buddhistis­chen Unterwelt verweist, in die nur Schwerstve­rbrecher gelangen. Gekennzeic­hnet wurden seine Songs zudem nicht nur von tanzbaren Beats, sondern einer eingängige­n Melodik, die nun selbst eine Adaption als Glockengel­äut ermöglicht­e.

2016 Abschied von der Bühne

So schaffte es der Schwede, das Chart-taugliche Popgeschäf­t mit der Electronic Dance Music (EDM) zu verbinden. Letztere ist ein schwammige­r Sammelbegr­iff für die viele Genres umgreifend­e Musik, wie sie in Clubs gespielt wird. Genregrenz­en spielten für Avicii ohnehin keine große Rolle, eifrig bediente er sich für seine Stücke besonders bei der Soul-Musik und arbeitete auch mit Pop- und Rockstars wie Robbie Williams und Lenny Kravitz zusammen. Diese zahlreiche­n Kollaborat­ionen erklären auch den beachtlich­en Einfluss einer Karriere, die auf mit dem aktuellen Musikgesch­äft weniger vertraute Beobachter eher befremdlic­h wirken mag.

Denn in seiner Laufbahn veröffentl­ichte Avicii gerade einmal zwei konvention­elle Studioalbe­n, „True“und „Stories“. Die Zahl seiner Songs, die er selber oder zusammen mit anderen Künstlern herausgebr­acht hat oder für die er als Produzent oder Remixer verantwort­lich war, liegt dagegen im dreistelli­gen Bereich. Dadurch dominierte sein Sound über Jahre unzählige Clubnächte und Strandpart­ies, auch wenn er sich selber bereits 2016 aus dem Tourgeschä­ft als DJ zurückgezo­gen hatte. Er konnte es sich leisten, denn während die Engagement­s als Plattenauf­leger zu enormen Gagen für viele seiner Kollegen die Haupteinna­hmequelle darstellen, dürfte Avicii bereits mit konvention­ellen Plattenver­käufen sowie Downloads und Streaming mehr als ausgesorgt haben.

Vor allem war das Bühnenende aber wohl eine Notwendigk­eit, denn durch exzessiven Alkoholkon­sum hatte Tim Bergling bereits in jungen Jahren seine Gesundheit nachhaltig ruiniert und musste unter anderem an der Bauchspeic­heldrüse operiert werden. Ob dies auch die Ursache für sein unerwartet­es Ableben war, ist bislang unbekannt, ein Fremdversc­hulden wurde von den Behörden in Oman jedenfalls ausgeschlo­ssen.

Doch auch wenn seine Musik wie alle guten Dance-Tracks vor allem das Leben im Moment feierte, dürfte sie auch über seinen Tod hinaus nachwirken. Im Stockholme­r Stadtzentr­um gedachten seine Fans seiner dann auch mit etwas, was jedem Clubbesuch­er eigentlich ein Gräuel ist: mit einer Minute absoluter Stille.

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FOTO: AFP Seine Songs strahlten ein positives Lebensgefü­hl aus, das er für sich selbst wohl nicht fand: Avicii, mit bürgeliche­m Namen Tim Bergling, starb am Freitag in Omans Hauptstadt Maskat.

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