20 Jahre Haft für Abdeslam
Gericht in Brüssel verurteilt islamistischen Terroristen
BRÜSSEL (dpa) - Nach den verheerenden Anschlägen von Paris galt er als meistgesuchter IS-Terrorist Europas: Salah Abdeslam ist wegen versuchten Polizistenmordes in Belgien zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das zuständige Gericht sah es als erwiesen an, dass der Franzose marokkanischer Abstammung im März 2016 vorsätzlich und im „terroristischen Kontext“auf drei Polizisten feuerte. Sein mitangeklagter Komplize Sofien Ayari erhielt ebenfalls 20 Jahre Haft. Beide können noch Berufung einlegen.
Abdeslam soll zu einer Zelle der Organisation Islamischer Staat gehören, die die Anschläge in Frankreich im November 2015 und in Brüssel im März 2016 verübte. In Paris töteten IS-Extremisten bei koordinierten Angriffen, unter anderem im Konzertsaal Bataclan, 130 Menschen. In Brüssel töteten Selbstmordattentäter in der Metro und am Flughafen 32 Menschen.
BRÜSSEL - Salah Abdeslam galt eine Zeit lang als einer der meistgesuchten Terroristen Europas. Nun ist das erste Urteil gegen ihn gefällt worden. Ein weitreichenderes dürfte noch folgen. Während seiner Flucht hatte Abdeslam auf drei belgische Polizisten gefeuert – nun soll er für 20 Jahre ins Gefängnis. Das Brüsseler Gericht folgte der Forderung der Staatsanwaltschaft und verhängte die Höchststrafe gegen den 28-Jährigen.
Abdeslam ist vermutlich der letzte lebende Beteiligte an den Pariser Terroranschlägen vom November 2015, bei denen 130 Menschen starben und sich mehrere Attentäter in die Luft sprengten, darunter sein Bruder Brahim. Kurz nach Salahs Festnahme im Brüsseler Marokkanerviertel Molenbeek im März 2016 wurden am dortigen Flughafen und an einer Metrostation ebenfalls Attentate verübt. Diese Taten aber waren nicht Gegenstand des am Montag beendeten Verfahrens. Wenige Tage zuvor, am 15. März 2016, hatte sich Abdeslam mit zwei Komplizen in einer Wohnung im Stadtteil Forest versteckt gehalten. Die Polizei erhielt einen entsprechenden Tipp. Als sich drei Beamte dem Gebäude näherten, wurden sie beschossen und verletzt. Die hinzugerufenen belgischen und französischen Spezialeinheiten lieferten sich eine stundenlange Schießerei mit den Bewohnern. Als sie eindringen konnten, fanden sie den algerischen Islamisten Mohamed Belkaid tot neben seiner Kalaschnikow. An der Wand eine Fahne der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS).
Auch 20 Jahre für Ayari
Zwei Männer konnten damals entkommen. Die Ermittler sind überzeugt, dass es sich um Abdeslam und Sofien Ayari handelte, einen heute 24-jährigen Tunesier, der 2015 im Flüchtlingsstrom über die Türkei und Griechenland nach Europa gekommen sein soll. Auch er war in dem aktuellen Verfahren angeklagt und muss ebenfalls für 20 Jahre hinter Gitter. Die Angeklagten wurden zudem verurteilt, Schadenersatz in Höhe von 500 000 Euro an den belgischen Staat sowie an einen schwer verletzten Polizisten zu zahlen. Abdeslam und Ayari blieben der Urteilsverkündung fern. Beide Angeklagte können Berufung einlegen.
Abdeslams Bruder Mohamed, der ihn zunächst regelmäßig im Gefängnis besucht hat, sitzt seit Februar selbst in Untersuchungshaft. Er wird beschuldigt, beim Überfall auf eine Angestellte der Gemeinde Molenbeek als Tippgeber mitgewirkt zu haben. Die Frau hatte Gemeindeeinnahmen in Höhe von 68 000 Euro ohne Begleitschutz zur Bank bringen sollen und war dabei von einem Täter ausgeraubt worden, der sie mit dem Messer bedrohte. Mohamed Abdeslam arbeitet bei der Gemeinde Molenbeek.
1998 bezog die Familie Abdeslam eine Sozialwohnung in Molenbeek. Als nach der Gemeinderatswahl 2012 die Mehrheit im Stadtrat wechselte, wurden die Mieter von Sozialwohnungen daraufhin überprüft, ob sie zum Kreis der Berechtigten gehörten. Familie Abdeslam musste ausziehen, da das Familieneinkommen zu hoch war. Als Brahim, der spätere Paris-Attentäter, von dem Beschluss erfuhr, rannte er zur Kommunalverwaltung, bedrohte dort Angestellte und trat die Türe ein.
Salah Abdeslam und Sofien Ayari wurden drei Tage nach der Schießerei in Forest in Molenbeek gefasst. Abdeslam war wenige Stunden nach der Pariser Terrorwelle mit drei Begleitern im Auto an der belgischen Grenze kontrolliert worden. Später fand man seine Spuren und Hinweise auf das Fahrzeug in der Nähe der Tatorte. Er soll seinen Sprengstoffgürtel weggeworfen haben und gilt als einziger Überlebender der Anschläge. Auch die Brüsseler Attentate soll er mit vorbereitet haben. Zwar wurde der in Belgien geborene Franzose, dessen Familie aus Marokko stammt, vier Tage vor den Bombenattacken auf die Brüsseler Metro und den Flughafen gefasst. Die Ermittler vermuten aber, dass seine Verhaftung dazu führte, dass die Anschläge überstürzt und dilettantisch ausgeführt wurden.
Die Ermittlungen zu den Pariser und Brüsseler Attentaten sind aktuell noch nicht abgeschlossen. Es wird damit gerechnet, dass frühestens 2019 Anklage erhoben werden kann. Dann muss sich Abdeslam erneut vor Gericht verantworten.