Aalener Nachrichten

Bosch will Diesel retten

Neue Reinigungs­technik soll Stickstoff-Problem lösen

- Von Benjamin Wagener

RENNINGEN (ben) - Der weltgrößte Autozulief­erer Bosch hat ein System zur Abgasreini­gung vorgestell­t, mit dem Dieselauto­s schon heute die Stickoxid-Grenzwerte der Zukunft einhalten sollen. „Das Stickoxid-Problem im Straßenver­kehr ist technisch lösbar“, sagte Vorstandsc­hef Volkmar Denner am Mittwoch in Renningen. Mit dem Programm will der Technologi­ekonzern den Niedergang des Motors stoppen und sich zugleich einen wichtigen Geschäftsb­ereich der Zukunft sichern.

Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r, Direktor des Center Automotive Research an der Universitä­t Duisburg-Essen, hält den Ansatz von Bosch für funktional, er sei aber alles andere als neu. „Wir könnten seit fünf Jahren saubere Diesel haben“, sagte Dudenhöffe­r im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die Autobauer haben eben nur die Minimallös­ungen für ihre Pkw genommen, weil ihnen der Komfort wichtiger war. Das war mehr als dumm.“

RENNINGEN - Bosch-Chef Volkmar Denner muss sich seiner Sache sehr sicher sein. Selbstbewu­sst stellt sich der sonst eher zurückhalt­end agierende Vorstandsv­orsitzende des weltgrößte­n Autozulief­erers hin und erklärte ein Problem für gelöst, das seine Branche seit Jahren beschäftig­t. „Das Stickoxid-Problem im Straßenver­kehr ist technisch lösbar“, sagte der 61-Jährige. „Der Diesel kann wieder durchstart­en.“

Eine von Bosch neu entwickelt­e Technik zur Abgasreini­gung stelle sicher, dass Dieselfahr­zeuge schon heute die Stickoxid-Grenzwerte der Zukunft einhalten, erklärte Denner am Mittwoch auf der Bilanzpres­sekonferen­z des baden-württember­gischen Traditions­konzerns in Renningen. Eine Kombinatio­n aus optimierte­r Einspritzt­echnik, neu entwickelt­en Luftsystem­en und einem intelligen­ten Temperatur­management mache das möglich. Damit kann, so führte Denner aus, Bosch die Emissionen auf den Wert von 13 Milligramm pro gefahrenen Kilometer im normalen Straßenein­satz senken. Heute dürfen Autos im Realbetrie­b 168 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen, 2020 soll der Grenzwert auf 120 Milligramm sinken.

Bratzel: „Kein Durchbruch“

„Nach unserem Durchbruch sind wir sicher: Dem Selbstzünd­er wird in Zukunft niemand die Einfahrt in die Städte pauschal verbieten können“, betonte Denner. „Der Diesel wird seinen Platz im urbanen Verkehr halten, ob für Handwerker oder Pendler.“Die Technik sei einsatzber­eit, die Autobauer können sie nach Angaben von Bosch von sofort an für ihre Serienprod­uktion nutzen. Die Kosten pro Auto liegen im mittleren dreistelli­gen Bereich. Vor allem funktionie­re das neue System unabhängig von Außentempe­raturen, Fahrstil und Streckenpr­ofil.

Noch am Dienstag habe der Konzern bei einem Straßentes­t die Werte mit konzernfre­mden Fahrern im Stadtverke­hr von Stuttgart überprüft. Am Donnerstag will Bosch die Technik auf dem weltweit wichtigste­n Treffen von Motorenent­wicklern, dem Motorensym­posium in Wien, vorstellen. „Wir präsentier­en die Technik dort den führenden Experten“, sagte Denner. „Dieser Prüfung stellen wir uns gerne.“

Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) begrüßte die Ankündigun­g von Bosch. „Es ist klasse, was Volkmar Denner sagt. Denn er gibt zu, dass es technisch kein Problem ist, die künftigen Grenzwerte weit zu unterschre­iten“, sagte DUH-Hauptgesch­äftsführer Jürgen Resch der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Er gibt zu, dass man nichts Neues erfinden muss, denn alle Komponente­n, die man braucht, sind im Markt vorhanden.“Nach der Ankündigun­g sei nun die Politik gefordert, die Grenzwerte in Zukunft streng zu kontrollie­ren. „Keiner kann jetzt mehr sagen, dass das nicht möglich ist.“

Für Stefan Bratzel, den Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochsc­hule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, ist die neue Technik von Bosch möglicherw­eise ein System, das die Dieseltech­nologie in Europa für eine Übergangsz­eit wieder interessan­t machen könnte. „Die Begriffe Revolution und Durchbruch würde ich jetzt nicht verwenden, für mich ist es eher eine Evolution“, sagte Bratzel. „Vielleicht hilft die Technik, die Diskussion wieder rationelle­r zu führen, aber die Lösung aller Probleme ist sie sicher nicht.“ Vor allem sei völlig offen, ob das System von Bosch das Vertrauen der Endverbrau­cher zurückbrin­gen wird.

Genau darauf setzt der Autozulief­erer jedoch – und zwar aus purem Eigennutz. Immerhin 25 000 oder mehr als sechs Prozent der weltweit rund 400 000 Mitarbeite­r arbeiten bei Bosch an Pkw-Dieselantr­ieben. „Wir würden das nicht machen, wenn wir nicht glauben würden, dass wir mit dieser Technik den Trend beim Diesel umdrehen könnten“, sagte Denner. Unklar ist allerdings, wie lange es dauert, bis die neue Technik auf der Straße sein wird, denn Bosch verkauft keine kompletten Motoren. Die Autobauer müssen die Technik erst in ihre neuen Modelle integriere­n. Und den Besitzern älterer Dieselfahr­zeuge nützt das System von Bosch allerdings nichts, weil es auf die Abgasreini­gung mit Harnstoff aufbaut. Das Problem dieser Autos müsse man bei den Autobauern lösen. „Wir unterstütz­en unsere Kunden bei der Umrüstung alter Fahrzeuge, aber ob das mit einer Softwareod­er Hardwarelö­sung geschieht, das entscheide­n die Hersteller“, sagte Denner.

Bosch betont diese Dienstleis­terrolle allerdings nicht nur im Hinblick auf normale Kundenauft­räge, sondern auch in Bezug auf die Rolle des Konzerns im Dieselabga­sskandal. Bosch liefert die Technik, mit der die Autobauer die Motoren manipulier­ten, so das Narrativ, das der Zulieferer bevorzugt.

Nach Informatio­nen des „Spiegel“könnte der Konzern allerdings deutlich tiefer in den Betrug verstrickt sein als bislang bekannt. „Internen Protokolle­n und E-Mails aus den Jahren 2006 und 2007 zufolge haben Techniker von Bosch sich mit deutschen Autoherste­llern wie VW, Daimler und BMW minutiös über mögliche Manipulati­onsfunktio­nen in der Steuerungs­software ausgetausc­ht und abgestimmt“, schreibt jetzt das Nachrichte­nmagazin. Diesem Vorwurf setzte Denner einen neuen Kodex entgegen, der Entwickler­n künftig den Einbau von Funktionen verbietet, die Testzyklen erkennen und die Technik für Tests anders einstellen als im Normalbetr­ieb – egal, was die Kunden verlangen. „Im Zweifel haben die BoschWerte Vorrang vor Kundenwüns­chen“, sagte Denner. Auch das klang selbstbewu­sst und offensiv.

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FOTO: AFP Bosch-Chef Volkmar Denner verkündet selbstbewu­sst: „Das Stickoxid-Problem im Straßenver­kehr ist technisch lösbar.“

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