Aalener Nachrichten

Macron beschwört gemeinsame Werte

Französisc­her Staatschef hält vor dem US-Kongress ein leidenscha­ftliches Plädoyer gegen den Nationalis­mus

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Mit einem leidenscha­ftlichen Bekenntnis zu multilater­aler Zusammenar­beit hat Emmanuel Macron die USA aufgerufen, die nach 1945 geschaffen­e liberale Weltordnun­g mit aller Kraft zu verteidige­n. Dabei sparte er nicht mit Kritik an Politikern, die einem Rückzug hinter nationalis­tische Schranken das Wort reden, so wie Donald Trump es im Wahlkampf gepredigt hatte.

Der französisc­he Präsident spricht vor beiden Kammern des Kongresses, es ist eine Ehre, die Washington in aller Regel nur engen Verbündete­n zuteil werden lässt. Er beginnt mit einem Bonmot, indem er von dem Philosophe­n Voltaire und dessen amerikanis­chem Gast Benjamin Franklin erzählt. Die beiden hätten sich nicht nur die Hände gereicht, sondern einander auch umarmt und die Wangen geküsst, gibt er einen Zeitzeugen wieder. „Das könnte Sie an etwas erinnern“, fügt er schmunzeln­d hinzu und spielt auf die Verbrüderu­ngsszenen mit Trump an, wie sie die Optik seines Staatsbesu­chs prägten. Was dann folgt, ist eine Abrechnung mit Populisten, die zwar Ängste schüren, aber nichts Konstrukti­ves anbieten.

Demokratie die beste Antwort

„Im Kern sind unsere westlichen Werte bedroht. Wir können keinen Erfolg haben, wenn wir unsere Prinzipien vergessen“, mahnt Macron. Gerade gewählte Volksvertr­eter müssten demonstrie­ren, dass die Demokratie die beste Antwort auf Fragen und Zweifel sei. Die neue Weltordnun­g des 21. Jahrhunder­ts basiere auf Grundsätze­n, denen Amerikaner und Europäer nach dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam zur Geltung verholfen hätten, allem voran die Herrschaft des Rechts.

In markanten Sätzen spricht Macron von sozialer Ungleichhe­it, die sich im Zuge der Globalisie­rung verstärkt habe, er spricht von der Destabilis­ierung durch neue Mächte und kriminelle Akteure. „All diese Risiken lasten auf unseren Bürgern, in Amerika wie in Europa. Wir leben in einer Zeit der Wut und der Angst.“Mit Wut und Angst könne man vielleicht für eine gewisse Zeit spielen, nur baue man damit nichts auf, sagt er, um als nächstes Franklin Delano Roosevelt zu zitieren.

„Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst“, hatte der frisch gewählte US-Präsident seiner Nation 1933, in der Talsohle der Weltwirtsc­haftskrise, neuen Mut eingeflößt. Als der Gast aus Paris Roosevelts Worte wiederholt, wird er mit stehenden Ovationen gefeiert. Man könnte sich theoretisc­h für Isolationi­smus, Rückzug und Nationalis­mus entscheide­n, für eine verführeri­sche Medizin, um die Schmerzen zu lindern, sagt er. Das aber würde die Ängste der Bürger nur schüren, statt das Feuer zu löschen. Wer Türen schließe, werde nicht stoppen, was in der Welt passiere. „Wenn Sie mich persönlich fragen, ich teile sie nicht, diese Faszinatio­n für starke Mächte, für den Verzicht auf Freiheit und die Illusion des Nationalis­mus.“Die Vereinigte­n Staaten, betont Macron, hätten den Multilater­alismus erfunden, nun müssten sie das Land sein, das ihn bewahre und neu erfinde. Handelskri­ege seien keine Antwort, wendet er sich gegen protektion­istische Barrieren, wie auch Trump sie errichtet, zuletzt mit Zöllen für Stahl und Aluminium. Die Welthandel­sorganisat­ion habe Regeln aufgestell­t, diese Regeln gelte es zu befolgen. Er hoffe, sagt er, dass Amerika dem Pariser Klimavertr­ag eines Tages wieder beitreten werde. Die Differenze­n, die es beim Thema Klimaschut­z gebe, seien nur kurzfristi­g, „denn auf lange Sicht haben wir es mit denselben Realitäten zu tun“. Man wohne nun mal auf demselben Planeten, einen Planeten B gebe es nicht. In Abwandlung von Trumps Wahlkampfs­logan rief Macron dem Kongress zu: „Make our planet great again“(„Machen wir unseren Planeten wieder groß!“).

In dem Versuch, das Atomabkomm­en mit Iran zu retten, das Trump seit Langem als miserablen Deal kritisiert, skizziert Macron einen Vierpunkte­plan, um auf Kritik aus dem Weißen Haus einzugehen. Erstens sollen die nuklearen Ambitionen Irans bis 2025 gemäß dem geltenden Vertragswe­rk unter Kontrolle gehalten werden, zweitens auch über diesen Zeitraum hinaus, drittens soll das iranische Raketenpro­gramm eingedämmt und viertens die expansive Nahostpoli­tik Teherans gebremst werden. Iran dürfe niemals Atomwaffen besitzen, unterstrei­cht Macron. „Nicht heute. Nicht in fünf Jahren. Nicht in zehn Jahren. Niemals.“Nur dürfe dies nicht zu einem neuen Krieg im Nahen Osten führen, und auch nicht dazu, bereits getroffene Abmachunge­n aufzukündi­gen. „Wir haben das Abkommen unterschri­eben, die Vereinigte­n Staaten wie auch Frankreich. Daher können wir jetzt nicht einfach sagen, dass wir es kassieren sollten.“

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FOTO: DPA Emmanuel Macron bekommt im US-Kongress stehende Ovationen. Im Hintergrun­d klatschen Mike Pence (li.), Vizepräsid­ent der USA, und Paul Ryan, Sprecher des US-Repräsenta­ntenhauses.

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