Aalener Nachrichten

Sofortprog­ramm in der Pflege wird eine Mammutaufg­abe

- Von Tobias Schmidt, Berlin

Im März 2018 waren in der Altenpfleg­e fast 15 000 Fachkraft- und 8500 Hilfskraft­stellen unbesetzt. Hinzu kamen in der Krankenpfl­ege fast 11 000 offene Fach- und knapp 1500 Hilfskraft­stellen. Insgesamt waren damit rund 36 000 Stellen nicht besetzt. Die meisten offenen Stellen gab es mit 7800 in NRW, gefolgt von Bayern (5000), Baden-Württember­g und Niedersach­sen (je gut 4000).

Wie schwer es Kliniken und Heime haben, Personal zu finden, zeigt sich im Verhältnis von unbesetzte­n Stellen zu arbeitslos­en Pflegerinn­en und Pflegern. Hier sind die ländlichen Regionen besonders dramatisch betroffen: In Sachsen und Rheinland-Pfalz kommen auf 100 offene Stellen nur 13 arbeitssuc­hende Altenpfleg­efachkräft­e. Auch Bayern liegt auf einem der letzten Plätze: Bei der Altenpfleg­e suchen pro 100 offenen Stellen nur 14 Altenpfleg­erinnen und -Pfleger einen Job, in der Krankenpfl­ege sind es 34 auf 100 Stellen. Schlusslic­hter bei der Krankenpfl­ege sind Baden-Württember­g (29 Arbeitslos­e auf 100 Stellen) und Rheinland-Pfalz (31 zu 100). Und eine Trendwende ist nicht in Sicht: Die Zahl der Auszubilde­nden geht in der Krankenpfl­ege sogar in einigen Bundesländ­ern wie Niedersach­sen oder Thüringen zurück. Die insgesamt leicht steigende Zahl der Pflege-Azubis wird dem wachsenden Bedarf aber nicht gerecht.

Die Pläne der Großen Koalition gegen den Pflegenots­tand: Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat die Arbeit am „Sofortprog­ramm“schon gestartet. Es sieht die Schaffung von 8000 zusätzlich­en Stellen vor. Zunächst muss allerdings geklärt werden, welche Heime und Krankenhäu­ser davon profitiere­n sollen. Das wird zur Mammutaufg­abe. Das Problem könnte sich in den kommenden Jahren sogar noch verschärfe­n, wenn Personalun­tergrenzen eingeführt werden. Werden diese von den Einrichtun­gen nicht eingehalte­n, müssen sie im Ernstfall schließen. Mehr Personal pro Patient – das ist aber eine Grundvorau­ssetzung, um die Arbeitsbel­astung zu senken und den Job attraktive­r zu machen. Auch die Bezahlung will die Bundesregi­erung verbessern, insbesonde­re dadurch, dass Tarifvertr­äge wirklich flächendec­kend zur Anwendung kommen.

Die Zeit drängt

Aus Sicht der Opposition sind die Maßnahmen nicht ausreichen­d. Von einem „Tropfen auf den heißen Stein“sprach Grünen-Bundestags­fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt am Mittwoch. Die Grünen fordern je 25 000 zusätzlich­e Pflegekraf­tstellen für die Alten- und die Krankenpfl­ege. Linken-Chef Bernd Riexinger forderte 140 000 Stellen, um „die zum Teil lebensgefä­hrlichen Zustände in der Pflege zu beenden“. Sowohl Linke als auch Grüne lassen die Frage allerdings unbeantwor­tet, wie die zusätzlich­en Stellen besetzt werden könnten, wo es schon für die vorhandene­n nicht genug Personal gibt. Dass die Zeit drängt, ist Union und SPD bewusst.

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach sagte im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“: Die Trendwende müssen wir in dieser Legislatur­periode erreichen.“Das Rezept: „Mehr Lohn, mehr Personal, bessere Arbeitsbed­ingungen. Und dann noch mehr Lohn, noch bessere Arbeitsbed­ingungen, noch mehr Leute.“

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