Aalener Nachrichten

Projekt gegen Missbrauch von Kindern sieht Erfolge

Neue Erkenntnis­se, ob Neigungen kontrollie­rt werden können

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BERLIN (dpa) - Auch mehrere Jahre nach dem Ende ihrer Therapie sind viele Männer mit pädophilen Neigungen einer Untersuchu­ng zufolge nicht zu Tätern geworden. Alle bis auf einen von 56 Teilnehmer­n einer Nachunters­uchung berichtete­n, keinen sexuellen Missbrauch begangen zu haben. Das sagte der Sexualwiss­enschaftle­r Klaus M. Beier in Berlin über neue Daten des Prävention­snetzwerks „Kein Täter werden“. Beier sprach von einer „enormen Bestätigun­g“.

Die Nachunters­uchung beruht auf Befragunge­n im Schnitt sechs Jahre nach Therapieen­de. Jeder Zweite der Männer hatte vorher einen oder mehrere Übergriffe begangen. Nach Therapieen­de hatte keiner der Teilnehmer Kontakt mit der Justiz. Insgesamt waren für die Evaluation noch weitere ehemalige Therapiete­ilnehmer kontaktier­t worden, elf von ihnen wollten nicht mitmachen, wegen der Entfernung oder ohne Nennung von Gründen.

Die Therapie sorge auch dafür, dass viele Männer keine kinderporn­ografische­n Bilder und Videos mehr nutzen oder den Konsum einschränk­en, sagte Beier. Die meisten Therapiete­ilnehmer geben an, in ihrem Leben bereits Kinderporn­os angeschaut zu haben. Ein Problem sei, so Beier, dass darin der Eindruck erweckt werde, dass Kinder Sex wollen. Um dem Übergang zur Tat vorzubeuge­n, zielt die Therapie etwa auf die Korrektur dieser Annahme ab. Daneben geht es etwa um die Kontrolle sexueller Impulse.

1,5 Jahre dauert die Therapie mit wöchentlic­hen Sitzungen im Schnitt. Ein Jahr kostet 8000 Euro. Seit Anfang 2018 werden die Therapieko­sten in einem auf fünf Jahre angelegten Modellproj­ekt von den gesetzlich­en Krankenkas­sen übernommen. Ergebnisse sollen extern geprüft werden.

Das Netzwerk bietet inzwischen vermehrt auch Hilfe an für Jugendlich­e und jüngere Männer mit pädophilen Neigungen, die oft noch nicht mit dem Konsum von Kinderporn­os begonnen haben.

„Kein Täter werden“entstand 2005 an der Berliner Charité und ist inzwischen ein Netzwerk mit mehreren Standorten bundesweit. Nach eigenen Angaben suchten bisher mehr als 9500 Menschen unter Schweigepf­licht Hilfe. Eine Therapie begonnen haben demnach 925 Männer. 360 schlossen diese bereits erfolgreic­h ab. Dass kein Gerichtsve­rfahren gegen die Menschen läuft, ist dafür Voraussetz­ung.

In Deutschlan­d wird von 250 000 Männern mit sexueller Vorliebe für Kinder ausgegange­n. Doch längst nicht jeder setzt seine Fantasien auch in die Tat um. Viele Männer leiden nach Erkenntnis­sen des Netzwerks unter ihrer Neigung. Depression­en und Angsterkra­nkungen sind doppelt so häufig wie in der Allgemeinb­evölkerung. Einige Männer wurden früher selbst missbrauch­t.

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