Aalener Nachrichten

Von Einwegbech­ern und Hundehaufe­n

Wer in Deutschlan­d warum was wegwirft, beschäftig­t Wissenscha­ftler seit Jahren

- Von Teresa Dapp

BERLIN (dpa) - Schwer zu sagen, was am ärgerlichs­ten ist. Scherben auf dem Radweg? Kippen auf der Liegewiese? Hundehaufe­n auf dem Bürgerstei­g? Wer in der Stadt wohnt, hat mit stadttypis­chem Schmutz zu tun – und die allermeist­en ärgern sich wohl immer wieder darüber. Wie oft, wie sehr und worüber genau, das beschäftig­t Wissenscha­ftler an der Humboldt-Uni in Berlin schon seit 14 Jahren. Und sie haben herausgefu­nden: Die Wahrnehmun­g von Sauberkeit und Müll hat sich gewandelt. Und der Müll selbst auch.

„Was sich ganz stark verändert hat, ist die Abteilung Take-AwayVerpac­kungen“, sagt Rebekka Gerlach vom Institut für Psychologi­e an der Humboldt-Uni. 2005 habe das noch gar keine Rolle gespielt. Dafür sei Hundekot, damals klar auf Platz eins, in der Wahrnehmun­g ein wenig nach hinten gerutscht. Kippen nervten die Menschen immer noch. Da es weniger Raucher gebe, lägen aber auch weniger herum. Befragt wurden in diesem Fall Menschen in Berlin und Frankfurt am Main. Die Ergebnisse seien übertragba­r, sagt Gerlach.

Insgesamt halten die Stadtbewoh­ner ihre Umgebung demnach für sauberer als vor gut zehn Jahren – aber sie ärgern sich mehr über den Müll, der herumliegt. Saubere Bürgerstei­ge und Spielplätz­e waren den Befragten schon immer besonders wichtig, inzwischen sind auch Haltestell­en von Bus und Bahn, Grünanlage­n und die Umgebung von Schulen verstärkt im Fokus.

Für das absichtlic­he oder achtlose Verschmutz­en der Umgebung gibt es ein Fachwort: „Littering“. Warum „gelittert“wird, ist nicht einfach zu klären: Anderen wirft man eher schlechte Erziehung oder Faulheit vor. Wer selbst auf frischer Tat ertappt werde, nennt dagegen eher fehlende Mülleimer als Grund. Klar ist, dass da mehr Müll landet, wo schon welcher liegt. Die Haupt-„Litterer“sind Erwachsene bis 30 Jahre. Wenn es darum geht, die Hinterlass­enschaften des Hundes liegen zu lassen, ist aber auch die Gruppe Ü-50 stark betroffen.

Den Trend zu kleineren Portionen und damit auch Verpackung­en beklagen Umweltschü­tzer schon länger – ebenso wie den riesigen Pappbecher­berg, der Tag für Tag in Deutschlan­d anfällt, weil ein Cappuccino und Café Latte to go – also für unterwegs – nun mal in Mode sind. 320 000 solcher Becher pro Stunde gehen ungefähr über die deutschen Theken. „Auch die landen keineswegs nur in den dafür aufgestell­ten Behältern“, sagt Katherina Reiche vom Verband Kommunaler Unternehme­n (VKU).

Voluminöse Verpackung­en

Wie groß der Anteil von To-go-Verpackung­en am Abfall auf der Straße ist, also wie viele Einwegbech­er, Sandwich-Schachteln und Sushi-Boxen tatsächlic­h neben den Mülleimern landen, haben die Wissenscha­ftler nicht untersucht. Dass diese Abfall-Art aber auch dann ein Problem ist, wenn Städter sie korrekt entsorgen, kann Tanja Wilgoß von der Berliner Stadtreini­gung (BSR) berichten: Die Verpackung­en seien meist voluminös, füllten die Müllbehält­er also schnell auf. Am Alexanderp­latz in Berlin zum Beispiel müsse schon dreimal täglich geleert werden, damit die Eimer nicht überquelle­n.

Was also tun? Reiche fordert – wie viele andere auch – ein Umdenken hin zu weniger Verpackung­sabfall. Ihr Verband gibt Mehrwegbec­her für den Kaffee unterwegs aus, die Berliner Stadtreini­gung auch. In manchen Kreisen sind diese Begleiter schon in Mode, in der Breite durchgeset­zt haben sie sich noch längst nicht. Bußgelder sind eine Möglichkei­t: „Littering ist eine Ordnungswi­drigkeit“, betont Reiche. Nur: Kontrollie­ren lasse es sich natürlich kaum.

Die Studie der Humboldt-Uni zeigt auch auf, was Erfolg hat: Auffällige Mülleimer zum Beispiel mit großem, bunt markiertem Einwurf. Die Berliner Stadtreini­gung setzt auf lustige Sprüche mit lokalem Bezug, um die Menschen dazu zu bringen, ihren Kiez sauber zu halten.

In Köln wurden grüne Fußspuren auf der Straße getestet, die zu den Papierkörb­en führen. In Kombinatio­n mit einer humorvolle­n Plakatkamp­agne hatte das Erfolg. Hamburg schickt „Kümmerer“und „WasteWatch­er“los, um für Sauberkeit zu sorgen.

Alles in allem scheint Humor bei diesem Thema zu helfen. Über Kinder und Jugendlich­e, die in Sachen Sauberkeit und Vermüllung übrigens besonders sensibel sind, sagt Gerlach: „Wenn irgendetwa­s nach Erziehung riecht, dann hat das sofort einen abschrecke­nden Charakter.“Erwachsene­n dürfte es da ganz ähnlich gehen.

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FOTO: DPA Massenweis­e Glasscherb­en, typischer Stadtmüll.

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