Der Vorzeige-Eisbär hat Spaß
André Rankel ist Kapitän und Rekordschütze des DEL-Finalisten – und vielleicht heute Abend zum achten Mal Meister
BERLIN (lin) - Das fünfte, das entscheidende Tor war Kapitänssache: Der Titelverteidiger, taumelnd, hatte seinen Torhüter Danny aus den Birken knapp zweieinhalb Minuten vor der Schlusssirene durch einen sechsten Feldspieler ersetzt, ging notgedrungen volles Risiko. Was hätte der EHC Red Bull München auch anderes tun sollen? 2:4 stand es, Spiel sieben in der Finalserie der Deutschen Eishockey Liga drohte – noch einmal ein Gang gegen die so widerborstigen, sperrigen Eisbären aus Berlin. 19 Sekunden hielt die Münchner Hoffnung, dann kam André Rankel an die Scheibe. Und die ins verwaiste Tor. 5:3 (1:1, 1:0, 3:2) hieß es schließlich, 3:3 damit in der Serie. Meisterkür verschoben, auf heute, 19.30 Uhr, in München.
Alles auf null! Oder sind Ihre Berliner jetzt nicht sogar im Vorteil, Herr Rankel? Zweimal dem Favoriten die Party gecrasht, zweimal kräftig Zweifel gesät? André Rankel antwortet wie André Rankel: „Keine Ahnung, ob die Münchner einen mentalen Knacks haben. Das ist auch egal.“Den 32-Jährigen interessiert anderes: seine Eisbären. „Wir haben gerade so viel Spaß daran, Eishockey zu spielen. Ich freue mich riesig auf Donnerstag.“
André Rankel ist kein Lautsprecher. Und Westberliner, aufgewachsen in Friedenau. Die Frau Berlinerin, die Töchter Nora und Mira in Berlin geboren. Sozialisiert worden – in Sachen Eishockey – ist André Rankel, nachdem ihn sein Vater zu einem Spiel der Capitals mitgenommen hatte. Drei war er da ... und rannte fortan mit Besen und Ball durch die Wohnung. Bei den Capitals tauschten sie das Equipment in Kelle und Puck, formten das Talent und ließen es, mit 17, schweren Herzens zu den Eisbären ziehen. 15 Jahre ist das her, 766 DELSpiele, 231 Tore, 244 Vorlagen sind in dieser Zeit zusammengekommen. Und: sieben Meisterschaften, der Pokalsieg 2008, der Gewinn der European Hockey Trophy 2010. Kapitän ist André Rankel im sechsten Jahr, Vorzeige-Eisbär, Identifikationsfigur.
Was – natürlich – mit seinen Qualitäten auf dem Eis zu tun hat, wo er derzeit mit Louis-Marc Aubry und Marcel Noebels eine Angriffsformation bildet. Eine überaus effektive: zehn Tore Aubry (plus neun Vorlagen), sechs (plus acht Assists) Noebels, fünf Treffer schließlich (und fünf Vorlagen) Rankel – die Zahlen nach 17 Play-off-Auftritten. André Rankel kommentiert sie gewohnt bescheiden: „Wir sind ähnliche Spielertypen, groß und kräftig, wir haben ein gutes Tempo.“Das mag helfen, doch der Kapitän sieht das Ganze, sieht mehr als individuelle Statistiken, als die Bilanz nur (s)einer Reihe. André Rankel sieht die Mannschaft. Und was er sieht, gefällt ihm: „Wir sind eine gute Gruppe in der Kabine, das muss man echt sagen. Das erleichtert vieles.“
Offenbar auch den Umgang mit einem 1:3-Rückstand nach Siegen im DEL-Finale. „Wir geben nicht auf!“, hatte André Rankel vor Spiel fünf mantramäßig kundgetan – um dann beim 6:5-Coup nach Verlängerung in München zweimal selbst zu treffen. Bester Eisbären-Torschütze der Nachwendezeit (und der DEL-Ära) ist er bereits, zum Clubrekord von Joachim Ziesche (284 Treffer) fehlt nicht mehr allzu viel. André Rankel weiß es, André Rankel sagt: „Die Mannschaftsziele sind mir wichtiger.“
Wer das nicht glaubt, darf heute Abend gerne ganz genau hinschauen.