Aalener Nachrichten

Existenzän­gste bei den Ferkelzüch­tern

Ab 2019 müssen Ferkel bei der Kastration betäubt werden – Minister fürchtet um Betriebe

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Bauern fürchten um ihre Existenz, Tierschütz­er pochen auf geltendes Recht: Die Agrarminis­ter der Bundesländ­er beschäftig­en sich bei ihrem Treffen in Münster mit der Kastration von Ferkeln. Ab 2019 dürfen die Tiere nur noch unter Betäubung kastriert werden. Sowohl CDU-Minister Peter Hauk als auch die FDP im Landtag denken, die Regeln könnten vor allem für kleine Betriebe das Aus bedeuten. Die Tierschutz­beauftragt­e Julia Stubenbord fordert indes die rasche Umsetzung des Gesetzes.

STUTTGART - Wie viel Schmerzen dürfen Ferkel erleiden, die von ihren Züchtern kastriert werden? Um diese Frage ist eine Debatte zwischen Landwirten, Tierschütz­ern und Politikern entbrannt. Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) fürchtet um die Zukunft von Metzgern und Züchtern im Südwesten, die FDP springt ihm bei. Tierschütz­er dagegen mahnen zur Eile. „Es ist seit Jahren bekannt, dass das Gesetz 2019 in Kraft tritt. Doch statt sich vorzuberei­ten, hat man nur nach Lösungen für die Landwirte gesucht. Dabei ging es leider nicht vorrangig um die Verbesseru­ng des Tierschutz­es“, moniert die Landestier­schutzbeau­ftragte Julia Stubenbord.

Schweinezü­chter kastrieren männliche Ferkel wenige Tage nach deren Geburt. Sobald die Tiere bestimmte Hormone produziere­n, kann ihr Fleisch stinken, es ist dann nahezu unverkäufl­ich. Ab dem 1. Januar 2019 soll in Deutschlan­d ein Gesetz in Kraft treten, das die gängige Praxis verbietet. Dabei werden den Tieren die Hoden vom Züchter ohne Betäubung entfernt. Die Prozedur dauert wenige Sekunden.

Zähes Ringen um Lösungen

Die neue Vorschrift wurde bereits 2013 verabschie­det. Doch bis heute bietet sich aus Sicht der Landwirte noch immer kein praktikabl­er Weg an, um diese umzusetzen. Deshalb debattiere­n die Agrarminis­ter der 16 Bundesländ­er darüber seit Donnerstag bei ihrer Konferenz in Münster.

Der FDP-Agrarexper­te Friedrich Bullinger hat klare Vorstellun­g davon, was Minister Hauk in den Verhandlun­gen erreichen soll. Er plädiert für den sogenannte­n vierten Weg. Dabei werden die Tiere örtlich betäubt. „Warum soll in Deutschlan­d nicht möglich sein, was sich in Schweden und Dänemark als praktikabe­l bewährt hat? Die Landwirte erwerben in einem Kurs bei einem Amtstierar­zt einen Sachkunden­achweis und anschließe­nd führen sie die örtliche Betäubung eigenständ­ig durch.“Sollte das nicht klappen, werde die Ferkelzuch­t ins Ausland abwandern.

„Bei vollem Bewusstsei­n“

Tierschütz­er lehnen die Kastration unter Lokalbetäu­bung ab. „Das Tier ist bei vollem Bewusstsei­n und steht unter erhebliche­m Stress. Außerdem kann das Tier bei Fehlern bei diesem Eingriff versterben“, kritisiert Stefan Hitzler, Vorsitzend­er des Landestier­schutzbund­es. Aus seiner Sicht dürfen ab Januar nur Methoden angewandt werden, bei denen die Ferkel keinerlei Schmerz verspüren.

Als Alternativ­e existieren drei weitere Methoden. Erstens könnte man auf die Kastration verzichten. Doch die Haltung geschlecht­sreifer Eber ist aufwendig und aus Tierschutz­gründen schwierig. Die Tiere gehen aufeinande­r los. „Gerade für kleine Züchter ist das kaum praktikabe­l“, sagt Marco Eberle vom Landesbaue­rnverband (LBV). Rund 90 Prozent der Betriebe im Land haben weniger als 250 Tiere im Stall. Wer gegen Massentier­haltung sei, könne nicht gleichzeit­ig immer mehr Nachteile für kleine Höfe einführen, sagte Eberle. Minister Hauk fürchtet vor allem um die Metzger. „Gerade in Baden-Württember­g kaufen Metzger 20 Prozent der Schweine und verarbeite­n diese. Sie stehen vor erhebliche­n Schwierigk­eiten, wenn sie etwa Tiere aus Ebermast abnehmen müssten. Das fördert letztlich große Schlachter­eien und konterkari­ert unsere Bemühungen um regionale Qualität von Lebensmitt­eln.“

13 Millionen Euro Mehrkosten

Zweitens kann ein Medikament verhindern, dass die Ferkel bestimmte Hormone produziere­n. Damit stinkt deren Fleisch später nicht. Doch ob Verbrauche­r ein so behandelte­s Fleisch kaufen, ist nicht geklärt. Befragunge­n von Schlachtbe­trieben und Verbrauche­rn ergeben kein einheitlic­hes Bild. Außerdem kostet die Impfung sechs Euro pro Tier.

Drittens bleibt die Narkose der Ferkel durch einen Tierarzt. Die derzeit zugelassen­en Mittel führen aber dazu, dass die Jungtiere lange schlafen – Züchter fürchten, viele Ferkel könnten dadurch Schäden davontrage­n oder gar sterben. Das Verfahren sei ohnehin zu teuer und aufwendig. Der LBV rechnet mit Mehrkosten von 13 Millionen Euro in ganz Süddeutsch­land. Minister Hauk spring den Bauern bei: „Wenn am Ende nur eine Vollnarkos­e durch den Tierarzt zulässig ist, bedeutet es das Aus für die Ferkelmast in Deutschlan­d. Damit würden wir die Verantwort­ung abschieben. Denn wir müssten künftig Ferkel aus anderen EU-Staaten importiere­n, die sich nicht an die strengen deutschen Vorgaben zum Tierschutz halten.“

Hauk sieht den Knackpunkt in der juristisch­en Bewertung der Gesetzesvo­rlage. Reicht es, den Schmerz angemessen zu lindern oder muss er völlig gestillt werden? „Ich erwarte, dass der Bund jetzt klar sagt, was er will“, fordert er. Nur im ersten Fall wäre eine lokale Betäubung der Ferkel ausreichen­d. Zu der Frage gibt es ein Gutachten. In Auftrag gegeben haben es die Bauernverb­ände in Bayern und Baden-Württember­g. Die Juristen kommen zu dem Schluss: Auch eine lokale Betäubung würde den Anforderun­gen des neuen Gesetzes entspreche­n. Das sieht die Tierschutz­beauftragt­e Stubenbord anders: „Das Rechtsguta­chten ist lediglich eine juristisch­e Meinung, die den Auftraggeb­ern des Gutachtens sehr zu Pass kommt. Ich halte es für fragwürdig.“

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FOTO: DPA Wie in Zukunft die Kastration männlicher Ferkel gemacht werden soll, daran scheiden sich die Geister.

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