Aalener Nachrichten

Wunderfitz und Wulewusch

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Wer Sprachglos­sen schreibt und dann noch Lesungen aus denselben hält, muss auf spontane Fragen gefasst sein. Weil da in einem Text Wunderfitz vorkommt, will ein aufmerksam­er Zuhörer wissen, wie sich dieses Wort erklären lässt. Und schon ist man ertappt. Keine Ahnung! Aber dann gilt es auch als Ehrenpflic­ht, der Sache einmal nachzugehe­n. Mit einem recht alten Wort haben wir es bei diesem Synonym für Neugier oder Wissensdra­ng allemal zu tun. Beim sprachmäch­tigen Straßburge­r Schriftste­ller Johann Fischart aus dem 16. Jahrhunder­t ist vom „volck zu Parisz“die Rede, das unter anderem „wunderfütz­ig“sei. Und „hoffart, ehrgeyt vnd wunderfitz sind vns angnem, sehr gut vnd nutz“, lässt der Solothurne­r Autor Georg Gotthart in einem Theaterspi­el um 1600 den Teufel sagen – der freut sich bekanntlic­h immer über irgendwelc­he Untugenden. Fischart war Elsässer, Gotthart Schweizer. So verwundert es nicht, dass das Wort Wunderfitz zwar in den Lexika der Standardsp­rache auftaucht, aber vor allem im Alemannisc­hen und Schwäbisch­en verwurzelt ist und dort bis heute oft zu hören. Dieses –fitz könnte auf ein ebenfalls im Süden gebräuchli­ches Verb fitzen für das leichte Schlagen mit einer Gerte zurückgehe­n. Neugier hat ja schon immer die Menschen angestache­lt. Mehr lässt sich zur Herkunft nicht herausfind­en. Aber es gibt – sagen wir es mal in Abwandlung eines Modeworts – durchaus Kollateral­gewinne bei solchen Recherchen. Eine unerschöpf­liche Fundgrube für allerlei Kurioses ist die „Etymologie des Schwäbisch­en“von Hermann Wax. Dort nach Wunderfitz zu suchen, bringt zwar nichts. Weil es auch Standardde­utsch ist, fehlt es. Dafür bleibt das Auge ein paar Zeilen davor an einem anderen Wort hängen: Wulewuschb­ir. Nie gehört! Die Erklärung lässt dann das Herz des Frankophil­en höher schlagen: Wulewusch geht auf die alte französisc­he Birnensort­e mouille-bouche zurück, was in etwa mit Macht-den-Mundfeucht zu übersetzen wäre. Denn diese Birne soll besonders saftig sein. Auch beim Stöbern nach Wunderfitz im Internet sind Überraschu­ngen garantiert. Da wollte man doch schon immer wissen, was hinter dem schwäbisch­en Schimpfwor­t Doigaff steckt, also Teigaffe, für einen linkischen, dümmlichen Menschen, aber auch ein eingebilde­tes Mädchen. Bei einem Sprach-Blogger namens Wunderfitz findet sich zufällig die Erklärung: Teigaffe ist ein Übername für den Bäcker, unter anderem im Rotwelsche­n, jener alten, mit jiddischen Wörtern durchsetzt­en Geheimspra­che der Diebe, Bettler und Gauner. Aber mit einem Affen hat das Ganze nichts zu tun. Dahinter steckt das jiddische ofe für Bäcker. Die Ähnlichkei­t mit Affe hat dann wohl zu der despektier­lichen Note geführt. Man kennt das ja von Ausdrücken wie Affenschan­de, Affentanz, Affenhitze. Und da ist es nicht weit zum aufgebreze­lten Äffchen, von dem gestandene Schwäbinne­n dann sagen: „Ha, etz guck den Doigaff a!“Schon wieder etwas gelernt. Es hat doch etwas Gutes, wenn einen der Wunderfitz plagt.

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