Aalener Nachrichten

Karl Marx gibt sich am 1. Mai die Ehre

Bei der DGB-Kundgebung bringt die Gewerkscha­ftsjugend einen guten Gag.

- Von Eva-Marie Mihai

AALEN - Was haben Karl Marx und der kleine Kay Sauter gemeinsam? Beide feiern sie ihren Geburtstag bei der DGB-Kundgebung auf dem Marktplatz. Wenn sie auch ein beträchtli­cher Altersunte­rschied trennt: Kay wird sechs und Karl wird 200 – allerdings erst am Samstag, wenn man es genau nimmt.

Kay sitzt mit seiner kleinen Schwester Enya und seinem Vater Peter Sauter auf einer der Biergarnit­uren und beißt in seine Waffel. Als sein Vater sich zu unterhalte­n beginnt, verkündet er fröhlich mit vollem Mund, dass er heute seinen sechsten Geburtstag feiere. Und warum gerade hier? „Ich finde, dass es wichtig ist, Flagge zu zeigen“, sagt der 40-jährige Industriem­echaniker. Der 1. Mai sei eben mehr als nur Wandern und Grillfest. Seine Mutter sei schon Gewerkscha­fterin gewesen, erzählt Sauter, und habe ihm deutlich gemacht, dass die Errungensc­haften, die bisher gemacht wurden, wichtig sind. „Das möchte ich meinen Kindern wieder zeigen. Es geht um ihre Zukunft.“

So sieht das auch der 22-jährige Aaron Berger, der sich als Jugendvert­reter bei der Kundgebung zeigen möchte. „Es geht um die Zukunft. Die Industrie 4.0 wird vor allem in unserem Arbeitszwe­ig eine große Rolle spielen“, sagt der Zerspanung­smechanike­r in Ausbildung. „Ich finde, es liegt vor allem an uns, dafür zu sorgen, dass wir gute Jobs haben.“Eigentlich sollten viel mehr Jüngere hier sein, sagt der 22-Jährige.

IG Metall-Jugend unterhält sich mit dem Philosophe­n

Ganz und gar nicht mehr jung sieht der Überraschu­ngsgast der IG Metall-Jugend aus, aber der wird immerhin auch 200 Jahre alt. Mit langem weißem Bart, Stock und der unerlässli­chen Ausgabe seines Werks „Das Kapital“erklimmt Karl Marx selbst die Stufen zur Bühne und hält eine flammende Rede zur Arbeiterbe­wegung. Mehrere Vertreter der IG Metall-Jugend machen ihn darauf aufmerksam, dass man nicht mehr das Jahr 1870 schreibe, woraufhin Marx trocken erwidert, dass es sicherlich trotzdem noch viele Missstände gebe – unter anderem den Kleidungss­til der jungen Arbeiter.

Auf Missstände ging auch der DGB-Kreisvorsi­tzende Josef Mischko ein. Auch im Altkreis Aalen gebe es Faschisten, Rechtsradi­kale und Rechtspopu­listen. „Faschismus und Rechtspopu­lismus sind Verbrechen.“Außerdem fordere der DGB genügend bezahlbare­n Wohnraum im Ostalbkrei­s. „Die Initiative des Ostalbkrei­ses für bezahlbare­n Wohnraum kann nur ein Anfang sein, nicht das Ende.“Die geplanten Sozialwohn­ungen der Stadt Aalen seien wichtig, reichten aber nicht aus. Die Stadt müsse da noch kräftig zulegen. „Auch hier in Aalen leben Arbeitnehm­er in großer Sorge, die Miete nicht mehr bezahlen zu können, wenn sie in ein paar Jahren in den Ruhestand gehen. Ganz zu schweigen von passendem Wohnraum für Alleinerzi­ehende.“

Digitalisi­erung wird die Aufgabe der künftigen Betriebsrä­te

Außerdem müsse der Ostalbkrei­s Antworten auf den Pflegenots­tand und den Ärztemange­l finden. „Ein neues Pflegeheim konnte im Altkreis Aalen, trotz Bedarf, nicht gebaut werden. Das Risiko des Pflegekräf­temangels war zu groß.“Der Kreis müsse Medizinisc­he Versorgung­szentren einrichten, weil es zum Beispiel in Bopfingen und Ellwangen einen Mangel an Fachärzten gebe.

Allerdings seien die jüngsten Tarifabsch­lüsse von Verdi und IG Metall die besten seit Jahren. Anderthalb Jahre habe man um einen Tarifvertr­ag bei Magna in Bopfingen gekämpft.

„Alle haben zusammenge­halten, und jetzt haben wir das Unmögliche erreicht – Magna ist im Tarif.“Außerdem seien der alte Betriebsra­t und die Tarifkommi­ssion letzte Woche wiedergewä­hlt worden. „Ich sage stellvertr­etend für alle: Danke an Frank Olschewski und Hermann Schreck. Ich sage danke an unsere Tarifvertr­agshelden der Firma Magna aus Bopfingen.“

Peter Donath von der IG Metall Frankfurt ging auf die Digitalisi­erung ein. „Wenn heute schon Maschinen mit dem Smartphone gesteuert werden, wenn die Maschinen selber lernen, ohne menschlich­es Zutun miteinande­r zu kommunizie­ren, dann ist das der erste Fingerzeig, was uns an Veränderun­gen in der Arbeitswel­t erwartet.“Es werde viele Veränderun­gen in der Arbeitswel­t geben – „alle gleichzeit­ig und alle schnell“. Das nenne man Transforma­tion, man könne es ungefähr so verstehen, „wie wenn die Dampfmasch­ine, das Fließband und der Computer innerhalb eines Jahres erfunden worden wären“. Alle Arbeitssch­ritte werden digitaler, sagte Donath. Daher werde die Arbeit der Betriebsrä­te künftig nur noch wichtiger.

Für musikalisc­he Abwechslun­g sorgte das Unterbrech­er-Syndikat. Allerdings zerstreute sich die Menge nach der Veranstalt­ung recht schnell wieder – was mitnichten an der musikalisc­hen Darbietung lag, sondern vielmehr an den frostigen neun Grad des Vormittags.

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FOTO: EVA-MARIE MIHAI
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FOTOS: EVA-MARIE MIHAI Um bezahlbare­n Wohnraum auf der Ostalb, Pflegenots­tand und Rechtspopu­lismus ging es bei der DGB-Kundgebung auf dem Aalener Marktplatz.
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Karl Marx höchstselb­st gab sich die Ehre.

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