LEA: Afrikaner verhindern Abschiebung
Situation drohte zu eskalieren – Polizei zieht sich zurück – Ermittlung wegen Gefangenenbefreiung
ELLWANGEN - Rund 150 Afrikaner haben die Abschiebung eines 23-jährigen Togolesen aus der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen mit Gewalt verhindert. Die Polizei musste die Aktion in der Nacht zum Montag abbrechen, weil die Situation für die drei Streifenwagenbesatzungen zu gefährlich war.
Wie die Polizei mitteilt, hatte sie den Mann zur Vorbereitung der Abschiebung gegen 2.30 Uhr bereits in Gewahrsam genommen und zum Streifenwagen gebracht, als sich zunächst rund 50 Bewohner mit dem Mann solidarisierten und die Polizei durch aggressives und drohendes Verhalten zur Freilassung des Mannes nötigen wollten.
Die als extrem aggressiv und gewaltbereit empfundene Konfrontation führte dazu, dass die Polizei den Togolesen, den sie bereits in Gewahrsam hatte, wieder freilassen musste, auch um eine massive Eskalation der Situation zu vermeiden. Zu diesem Zeitpunkt hatten 50 Bewohner der LEA schon mit Fäusten auf zwei Streifenwagen eingeschlagen und sie beschädigt.
Die Gruppe derer, die die Abschiebung verhindern wollte, wuchs laut Polizei dann auf rund 150 an. Der Vizepräsident des Polizeipräsidiums Aalen, Bernhard Weber, weist darauf hin, dass die Straftatbestände des Landfriedensbruches und der Gefangenenbefreiung eine Durchsetzung der polizeilichen Maßnahme auch mit Gewalt gerechtfertigt hätte. Er könne seinen Kollegen nur großen Respekt zollen, dass sie in einer so aggressiven und gewaltbereiten Ausnahmesituation einen kühlen Kopf bewahrt hätten.
Flüchtlinge drohten, die Pforte zu stürmen
Weber geht aber auch davon aus, dass sich auch die Gruppe der Afrikaner in einem äußerst angespannten Zustand befunden habe und sich diese Menschen in dieser Gruppendynamik möglicherweise zu etwas hätten hinreißen lassen, das sie bei nüchterner Überlegung vielleicht nicht getan hätten. Es sei aber auch ganz klar, dass sich der Rechtsstaat nicht von einer aggressiven Menge in der Durchsetzung rechtsstaatlichen Handels abbringen lasse: „Das Recht wird durchgesetzt werden, dafür stehen wir. Wir werden auch weiterhin unserem Auftrag konsequent nachgehen“, lässt sich Weber in der Pressemitteilung zitieren.
Die Deutsche Presseagentur hatte berichtet, dass während der Auseinandersetzung ein von den Migranten als Mittelsmann beauftragter Security-Mitabeiter zu den Polizisten gekommen sei. Seine Botschaft war mit einem Ultimatum verbunden: Die Polizei müsse dem 23 Jahre alten Togolesen binnen zwei Minuten die Handschließen abnehmen, andernfalls würden sie die Pforte stürmen. Daraufhin habe die Polizei entschieden, dass der Security-Mitarbeiter einen Schlüssel mitnimmt, damit der Togolese von den Handschellen befreit wird. Der 23-Jährige ist untergetaucht.
Bernhard Kohn, Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen, verwahrt sich gegen Vorwürfe, hier sei ein rechtsfreier Raum entstanden. Den werde es auch künftig nicht geben. Rechtsfrei wäre die LEA, wenn die Polizisten
„Das Recht wird durchgesetzt werden. Dafür stehen wir.“
dort gar nicht mehr hingingen. Das tun sie aber, gerade auch jetzt, denn die Polizei ermittelt gegen die Rädelsführer wegen Gefangenenbefreiung und Landfriedensbruch.
Man müsse bei einem Einsatz immer überlegen, welche Mittel verhältnismäßig seien, das verlange der Gesetzgeber. Hier sei es darum gegangen, eine Abschiebung durchzusetzen. Die Polizei hatte das als Routine-Einsatz geplant. Dazu gehört auch, dass es oft beim ersten Mal nicht klappt, weil die Betroffenen nicht Zuhause sind. Was ein Grund dafür war, warum die Polizisten mitten in der Nacht anrückten.
Als die Auseinandersetzung zu eskalieren drohte, hatte die Polizei zwar zehn Streifenwagen aus den benachbarten Landkreisen zusammengezogen. Um die Situation zu ihren Gunsten zu entscheiden, hätte sie
Bernhard Weber, Vizepräsident des Polizeipräsidiums Aalen
aber entsprechende Mittel einsetzen müssen, sagt Kohn. Diese müssten aber auch erfolgversprechend sein. Gewalt hätte in diesem Fall womöglich Verletzte auf beiden Seiten provoziert. Deshalb dürfe man auch einen Schritt zurück tun, wenn es vernünftig sei. Kohn macht aber auch klar, dass die Polizei bei der nächsten Abschiebung gewappnet sein wird.
Ob und welche Auswirkungen die missglückte Abschiebung auf die Organisation innerhalb der LEA haben wird, soll im Regierungspräsidium Stuttgart jetzt erst einmal genau analysiert werden, sagte eine Sprecherin. „Wir ducken uns nicht weg.“Der stellvertretende Leiter der LEA, Roland Herzog, darf sich zu dem Vorgang nicht äußern. Das Regierungspräsidium ist für den Betrieb der LEA zuständig, hat aber mit der Abschiebung nichts zu tun.
Laut Regierungspräsidium wird das Sicherheitskonzept in der LEA laufend den aktuellen Bedürfnissen angepasst, das gilt auch für die Zahl der Mitarbeiter im Sicherheitsdienst. Derzeit sind es rund 20 Personen, im Bedarfsfall werde deren Zahl entsprechend aufgestockt.
Solidaritätsaktionen bei Abschiebungen sind nichts Neues
Das Innenministerium hält sich bedeckt bei der Frage, wie Abschiebungen künftig gehandhabt werden sollen. Dass es bei Abschiebungen zu Solidarisierungsaktionen komme, sei kein neues Phänomen. Der Vorfall in Ellwangen habe aber ein höheres Aggressionspotenzial gezeigt. Klar sei aber auch, dass sich der Rechtsstaat nicht von seinem Handeln abbringen lassen werde. Der Vorfall werde jetzt intensiv von den beteiligten Stellen vor Ort nachbereitet.
Der Mann aus Togo sollte nach Italien abgeschoben werden. Insgesamt hat das Land von Januar bis April 1116 Personen abgeschoben. In der LEA leben derzeit 452 Menschen, der Großteil aus Schwarzafrika, unter denen die Nigerianer mit 112 die größte Gruppe stellen.