Aalener Nachrichten

Beste Slammerin im Ländle kommt aus Aalen

Jeanine Lang hat sich den Pokal beim Landeswett­bewerb im Poetry Slam geholt

- Von Verena Schiegl

AALEN - Ihre Texte sind gefühlvoll und bewegen. Sie schreibt von der „Magie der Worte“und unter dem Titel „Wolkenweid­e“über den Verlust ihrer Hündin Joy. Beide Texte hat die Aalenerin Jeanine Lang beim neunten Landeswett­bewerb im Poetry Slam im Ulmer Roxy vorgetrage­n und diesen in der Kategorie der unter 20-Jährigen für sich entschiede­n. Im September reist die 19-jährige Landessieg­erin zu den deutschen U20Meister­schaften in Paderborn. Und mit ihr in Gedanken und auf dem Papier ihre geliebte Joy.

Geschichte­n erfunden und Texte fabriziert hat Jeanine Lang, die in San José in Kalifornie­n geboren wurde, bereits als kleines Kind. Noch gut kann sich die 19-Jährige, die mit zwei Jahren nach Aalen kam, daran erinnern, wie sie beim Besuch ihrer Oma dieser einen Block und einen Stift in die Hand gedrückt und diktiert hat, was sie aufschreib­en soll. Und ihre Großmutter staunte nicht schlecht über die Geschichte­n des kleinen Mädchens. Als Jeanine selbst schreiben konnte, brachte sie allerlei Kurzgeschi­chten zu Papier und mit elf Jahren schrieb sie bereits einen eigenen Roman. Auch bei Schulproje­kten habe sie sich stets darum gerissen, zur Feder greifen zu dürfen. „Schreiben ist ein Teil meines Lebens“, sagt die Aalenerin, die im vergangene­n Jahr ihr Abitur am Ellwanger Gymnasium Sankt Gertrudis gemacht hat.

Vor 600 Besuchern mächtig Eindruck hinterlass­en

Dass Jeanine nicht nur bildhübsch, sondern auch begabt und intelligen­t ist, zeigen nicht nur ihre Texte. Auch ihr Schulabsch­luss mit der Traumnote 1,0 sowie die Preise, die sie beim Abitur eingeheims­t hat, sind ein Beleg dafür. Neben einem Preis in Französisc­h, in Englisch und in Naturwisse­nschaften erhielt sie den Scheffelpr­eis für herausrage­nde Leistungen im Fach Deutsch und hatte somit die Ehre bei der Abiturfeie­r eine Dankesrede zu halten. „Diese sollte allerdings nicht gewöhnlich sein, sondern etwas Besonderes“, sagt Jeanine, deren Vater bei Carl Zeiss in Oberkochen arbeitet und deren Mutter in Aalen eine Praxis für Hypnose und systematis­che Therapie betreibt. Heraus kam der Text „Magie der Worte“, der von Brücken aus Buchstaben und Worten handelt, die die Menschen verbinden, und in dem etliche Beispiele aus der Jugendlekt­üre der 19Jährigen wie Harry Potter, der Herr der Ringe oder Ronja Räubertoch­ter vorkommen.

Diesen Text trug Jeanine im vergangene­n Jahr bei zwei Poetry Slams im Aalener Frapé und im Ulmer Roxy vor. Und weil sie bei ihrem Auftritt in der Diskothek in der Donaustadt vor 600 Besuchern mächtig Staub aufgewirbe­lt und Eindruck gemacht hat, kamen die Veranstalt­er des RoxyTeams Anfang des Jahres mit der Frage auf sie zu, ob sie nicht an der ersten Ulmer Stadtmeist­erschaft für die U20-Jährigen mitmachen möchte. Die Aalenerin sagte zu, siegte bei der Veranstalt­ung im März und qualifizie­rte sich dadurch für den Landeswett­bewerb, der vom 3. bis 5. Mai im Ulmer Roxy über die Bühne ging und bei dem 16 Teilnehmer unter 20 Jahren an den Start gingen.

Neben ihrem Text „Magie der Worte“hatte die 19-Jährige einen sehr persönlich­en und für sie emotionale­n Text im Gepäck, von dem „ich lange nicht wusste, ob ich ihn vortragen soll“, sagt Jeanine. Unter dem Titel „Wolkenweid­e“widmet sich dieser ihrer verstorben­en Australian-Shepherd-Hündin Joy, die im Sommer vergangene­n Jahres überrasche­nd im Alter von zehn Jahren verstorben ist. „Ich bin ein Einzelkind und Joy war für mich wie eine Schwester“, sagt Jeanine. Die Zeit nach ihrem Tod sei schlimm gewesen. Ihre Trauer hat die 19-Jährige zu Papier gebracht und heraus kam ein Text, der die Hoffnung beinhaltet, dass sich beide irgendwann an einem Ort, der Wolkenweid­e, wiedersehe­n.

Während andere Slammer auf der Comedy-Schiene fahren und das Publikum zum Lachen bringen wollen, hat Jeanine eine andere Intention. „Die Gefühle, die ich in die Texte hineinlege oder hineinschr­eibe, sollen Emotionen auslösen. Und wenn ich die Menschen berühren kann, habe ich mein Ziel erreicht.“Vor dem Auftritt im Finale des Landeswett­bewerbs sei die 19-Jährige sehr nervös gewesen. „Ich war mega aufgeregt und hab extrem gezittert“, erinnert sich Jeanine. Doch sobald sie auf die Bühne gegangen sei, sei sie ganz bei sich und ihren Texten gewesen, die sie stets auswendig vorträgt. „So kann ich mich auf das konzentrie­ren, was ich sage.“Etwas Angst habe sie vor der Rezitation von „Wolkenweid­e“gehabt. „Eben weil mir der Text so viel bedeutet und ich nicht wusste, wie die Zuhörer darauf reagieren. Als das Publikum allerdings immer leiser wurde und in der ersten Reihe zwei muskulöse Männer, von denen man nicht gedacht hätte, dass sie meine Worte nachvollzi­ehen können, total berührt gewesen sind, wusste ich, dass mein Inhalt ankommt und viele Verständni­s für meine Trauer haben.“

Im September geht’s zu den deutschen Meistersch­aften

Traurig musste Jeanine am Ende nicht sein. Mit 45,6 Punkten gewann sie den Landeswett­bewerb. Neben einem Ulmer Spatz aus Schokolade sowie einem Pokal war der größte Sieg für die 19-Jährige die Qualifikat­ion zu den deutschen U20-Meistersch­aften, die vom 18. bis 22. September in Paderborn stattfinde­n. „Ich hoffe, dass diese Veranstalt­ung auch wieder so ein tolles Erlebnis wird und ich bin dankbar, dabei sein zu dürfen“, sagt Jeanine. Den Wettbewerb will sie allerdings nicht zu eng sehen. „Ich möchte die Zeit einfach genießen, Erfahrunge­n sammeln und mit vielen Menschen ins Gespräch kommen und Kontakte knüpfen.“Mit welchen Texten sich Jeanine der Konkurrenz und der Jury stellen wird, ist noch unklar. Gerne würde sie jedoch „Wolkenweid­e“vortragen.

Neben dem Schreiben hat Jeanine nach ihrem Abitur bereits zahlreiche Praktika absolviert. Unter anderem als Regieassis­tentin für die von Studenten der Filmakadem­ie BadenWürtt­emberg in Ludwigsbur­g realisiert­e Sitcom „Zum goldenen Lama“oder beim Theater der Stadt Aalen. Ab Oktober will sie studieren. Was, sei noch unklar. „Ich würde einerseits gerne Regie studieren, aber auch Sprachen und Psychologi­e reizen mich.“Doch egal wohin die Reise geht. Eines steht für die 19-Jährige fest. „Mit Poetry Slam möchte ich auf jeden Fall weitermach­en. Hier habe ich eine Art von Kunst gefunden, die mir liegt und die Spaß macht“, sagt Jeanine, die das Zeug dazu hat, einmal so groß zu werden wie ihr Vorbild, die bekannte Slammerin Julia Engelmann.

„Die Gefühle, die ich in die Texte hineinlege oder hineinschr­eibe, sollen Emotionen auslösen. sagt Jeanine Lang.

 ?? FOTO: TOBIAS HEYEL ?? Die 19-jährige Jeanine Lang aus Aalen hat sich durch ihren Sieg beim Landeswett­bewerb im Poetry Slam für die deutschen Meistersch­afen im September in Paderborn qualifizie­rt. Auch bei diesem Wettbewerb will sie mit ihren Texten die Besucher berühren.
FOTO: TOBIAS HEYEL Die 19-jährige Jeanine Lang aus Aalen hat sich durch ihren Sieg beim Landeswett­bewerb im Poetry Slam für die deutschen Meistersch­afen im September in Paderborn qualifizie­rt. Auch bei diesem Wettbewerb will sie mit ihren Texten die Besucher berühren.

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