Aalener Nachrichten

Forscher sehen Anzeichen für Umweltverb­rechen

Spuren eines seit 2010 verbotenen Treibmitte­ls in der Atmosphäre entdeckt

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BOULDER (dpa) - Amerikanis­che Forscher sind womöglich einem Umweltverb­rechen auf der Spur. Sie fanden verdächtig­e Messwerte eines Ozonkiller­s in der Atmosphäre, berichten sie in der Fachzeitsc­hrift „Nature“. Die Stoffmenge von Trichlorfl­uormethan in der Atmosphäre sinkt demnach seit 2012 langsamer, als nach den geltenden Umweltrege­lungen zu erwarten wäre. Die Gruppe um Stephen Montzka von der National Oceanic and Atmospheri­c Administra­tion in Boulder (Colorado, USA) vermutet eine neue, illegale Quelle von Trichlorfl­uormethan.

Trichlorfl­uormethan gehört zu den Fluorchlor­kohlenwass­erstoffen (FCKW), die früher unter anderem als Kühlmittel und als Treibmitte­l in Spraydosen verwendet wurden. In den 1970er-Jahren erkannten Wissenscha­ftler, dass FCKW die schützende Ozonschich­t in der höheren Atmosphäre schädigen können. Nach der Entdeckung des Ozonlochs über der Antarktis im Jahr 1985 einigte sich die Staatengem­einschaft zwei Jahre später mit dem Montrealer Protokoll und folgenden Vereinbaru­ngen auf eine drastische Reduzierun­g der FCKW. Seit 2010 gilt ein internatio­nales Produktion­sverbot für diese Stoffgrupp­e.

Die Regelungen spiegeln sich auch in den Messdaten für Trichlorfl­uormethan in der Atmosphäre wider: Nach einem Stoffmenge­nanteil von knapp 270 Teilchen pro 1000 in der Mitte der 1990er-Jahre sank der Anteil zunächst kontinuier­lich. Dass der Anteil auch nach dem Verbot der FCKW-Produktion nicht sofort auf null sank, hat zum einen damit zu tun, dass der Abbau der Stoffe in der Atmosphäre zum Teil Jahrzehnte dauert. Zum anderen werden geringe Mengen FCKW weiterhin freigesetz­t, wenn etwa alte Kühlschrän­ke verschrott­et oder Gebäude abgerissen werden. Doch etwa 2012 bekam die Trichlorfl­uormethan-Kurve einen Knick: Der Stoffmenge­nanteil sank nicht mehr wie erwartet. Dazu kamen steigende Unterschie­de des Anteils auf der nördlichen und der südlichen Erdhalbkug­el. Außerdem zeigt der Verlauf der Kurve innerhalb eines Jahres verdächtig­e Ähnlichkei­ten mit dem Messkurven­verlauf zweier anderer FCKW: Chlordiflu­ormethan und Dichlormet­han. Das lasse vermuten, dass alle drei Stoffe aus derselben Quelle freigesetz­t werden.

Quelle wohl in Ostasien

Die Forscher simulierte­n mit verschiede­nen Atmosphäre­nmodellen die Ausbreitun­g von Trichlorfl­uormethan anhand der vorhandene­n Messwerte. Aber allein mit dem Luftaustau­sch in der Atmosphäre, auch wenn er ungewöhnli­che Formen annehmen sollte, waren die Werte nicht zu erklären.

Die Forscher um Montzka gehen deshalb davon aus, dass es eine neue Quelle für den Stoff gibt – dass er entgegen internatio­naler Klimaschut­zvereinbar­ungen wieder hergestell­t wird. Als Größenordn­ung nennen die Wissenscha­ftler 13 000 Tonnen pro Jahr. Die Computersi­mulationen ergaben eine hohe Wahrschein­lichkeit für eine Quelle in Ostasien.

In einem ebenfalls in „Nature“veröffentl­ichten Kommentar bescheinig­t Michaela Hegglin von der University of Reading (Großbritan­nien) dem Autorentea­m eine sorgfältig­e Analyse. Sie betont dabei auch die große Bedeutung solcher wissenscha­ftlicher Untersuchu­ngen: „Die Studie von Montzka und Kollegen zeigt einmal mehr, dass Umweltvors­chriften nicht selbstvers­tändlich sind und geschützt werden müssen, und dass eine Überwachun­g erforderli­ch ist, um die Einhaltung sicherzust­ellen.“

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