Ein 1000 Kilo schweres Ungetüm
Der erste Geldautomat der Bundesrepublik wurde in Aalen gebaut.
AALEN - Das Monstrum ist ein 1000 Kilogramm schweres Ungetüm, ein Panzerschrank, in dem sich viel Mechanik und Elektronik verbirgt und das maximal 100 000 Mark enthält: Der erste Geldausgabeautomat in Deutschland. Gebaut wurde er vor 50 Jahren bei der traditionsreichen Firma Ostertag in Aalen, zum Einsatz kam er erstmals Ende Mai 1968 bei der Kreissparkasse in Tübingen. Damals war noch nicht absehbar, dass ein halbes Jahrhundert später in Deutschland 58 000 Geldautomaten stehen würden, die in Sekundenschnelle rund um die Uhr Bargeld ausspucken können.
Denn der Einstieg war 1968 mühsam: Man brauchte einen Spezialschlüssel, einen Plastikausweis, eine Lochkarte – und viel Geduld. Das Zubehör, ist einem Bericht der Sparkassenzeitung zu entnehmen, bekam nicht jeder: Höchstens 1000 registrierte Kunden sollten Zugang zu dem mit einer dicken Metalltür gesicherten „Geldausgabe“-Schacht an der Außenwand der Bank haben. Diese Kunden bekamen zehn Lochkarten auf Vorrat. Pro Karte gab es einen Hundertmarkschein, höchstens 400 Mark konnten auf einmal abgehoben werden.
Lochkarten nur für solvente Kunden
In den Genuss der Lochkarten kamen nur die, die die Bank für solvent genug hielt. Schließlich sollten sie auch dann nicht in die roten Zahlen rutschen, wenn sie 1000 DMark abhoben.
Aber wenigstens waren sie nicht mehr auf die Öffnungszeiten ihrer Bank angewiesen, wenn sie Bargeld brauchten. Darauf wies die Aalener Tresorbaufirma Ostertag AG, die den Automaten gemeinsam mit AEG-Telefinken gebaut hatte, in einer Broschüre hin: „Er verhindert, dass berufstätige Kunden aus Zeitmangel größere Beträge auf Vorrat abheben müssen.“
Damals erhielten die meisten Arbeiter und Angestellten ihren „Zahltag“, wie es seinerzeit noch hieß, in Lohntüten bar ausbezahlt. Sonst gab's Bargeld nur, wenn man mit dem Sparbuch zum Bankschalter ging und sich die benötigten Scheine hinblättern ließ. Und das sollte nun eine Maschine machen?
Routinearbeit „draußen vor der Tür“erledigen
Allerdings war damals schon das Ziel, dass Betriebe Löhne und Gehälter nicht mehr auszahlen, sondern überweisen sollten. Banken und Sparkassen sollten nicht nur Girokonten für jede und jeden anbieten, sondern auch den zunehmenden Bargeldbedarf decken. Bei Ostertag und AEGTelefunken hatte man erkannt, dass dies ohne Rationalisierung nicht möglich wäre. In einer Werbebroschüre unter dem Titel „Der Zukunft wegen“hieß es daher, dass „Routinearbeit, die einen Kassierer nahezu voll beschäftigt“, nun „draußen vor der Tür“erledigt werden könne.
Dann wurde vorgerechnet und versprochen: „Bis 100 000 D-Mark einlegen: eine Minute. Schecks entnehmen – eine Minute. Auszahlung freigeben – eine Minute...“Daher liege auf der Hand, dass sich die Anschaffung des Geldautomaten „durch diese wertvolle personelle Entlastung und die anspruchslose Wartung sehr bald amortisiert“. Jedoch: Zwar hatten die Kassierer dank des Automaten mehr Zeit, die handverlesenen Kunden aber mussten einen Doppelbartschlüssel, einen gelochten Plastikausweis und eine weitere Lochkarte als Auszahlungsbeleg mitbringen, wenn sie außerhalb der Öffnungszeiten an Bargeld kommen wollten. 1500 Kunden, vorwiegend Ärzten, Architekten, Professoren und Lehrern, bot die Kreissparkasse Tübingen den neuen Service an. Nach zehn Monaten gab es jedoch lediglich 125, die die Automaten tatsächlich nutzten. An Wochenenden wurden während der ersten zehn Monate 25 bis 30 Geldscheine abgehoben, an Wochentagen vier. Der Tagesdurchschnitt lag bei 2000 D-Mark.
Zehn Jahre später, also 1978, gab es in der ganzen Bundesrepublik 100 Geldausgabeautomaten. Der Umschwung kam erst, als die mit Magnetstreifen und PIN-Code versehene EC-Karte das Geldabheben möglich machte. Und wie könnte es weitergehen? Tamara Stepczynski, Expertin für SB-Technik beim Deutschen Sparkassenund Giroverband, hält es laut Sparkassenzeitung für denkbar, dass der Kunde am Automaten ein Girokonto eröffnen kann oder per Smartphone Beträge zur Abholung am Automaten reserviert. Geräte mit Sensortechnik könnten einen Kunden schon beim Betreten des SB-Bereichs erkennen, seine Nutzungsgewohnheiten kennen und deshalb bei der persönlichen Begrüßung fragen: „Wollen Sie 200 Euro abheben – wie immer?“
Die Kreissparkasse Ostalb hat übrigens ihre ersten Geldautomaten im Jahre 1983 aufgestellt. In den Hauptstellen Aalen und Schwäbisch Gmünd wurden je zwei davon installiert.