Retter in Not – Wenn Helfer angegriffen werden
Da gab’s kein Durchkommen: Wegen des Ipf-RiesHalbmarathons 2016 hatte die Bopfinger Feuerwehr die Straße gesperrt. Das ärgerte einen Autofahrer so, dass er drauf losfuhr – einem Feuerwehrmann über den Fuß. Dieser erstattete Anzeige. Der rabiate Autofahrer wurde schließlich vom Gericht wegen Körperverletzung verurteilt. Sie wollen helfen – und leben gefährlich: Feuerwehrleute, Sanitäter, Hilfskräfte. Im vergangenen Jahr sind nach Schätzung des Landeskriminalamtes in BadenWürttemberg mehr als 100 Rettungsdienstmitarbeiter, Feuerwehrleute und Ärzte bei Übergriffen verletzt worden – sieben mehr als 2016. Dazu kämen annähernd 200 weitere Verletzte in Pflegeberufen. 26 Prozent der befragten Rettungskräfte gaben in einer aktuellen Studie der Uni Bochum an, im vergangenen Jahr Opfer körperlicher Angriffe geworden zu sein. Und auf der Ostalb? „Verbale Gewalt gibt es sicherlich“, sagt Marc Sachsenmaier, Rettungsdienstleiter beim DRK Aalen. Körperliche Angriffe seien allerdings nicht gemeldet worden: „Und sie würden gemeldet, wenn es sie gäbe“, sagt er. Auch bei der Feuerwehr sind Vorkommnisse wie beim Halbmarathon die große Ausnahme. Allerdings nehmen Beschimpfungen von Feuerwehrangehörigen, zum Teil sehr heftig und rabiat, zu: Davon berichtet Klaus Kurz, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands: „Sei es auf Einsatzstellen,
„Kein Respekt mehr gegenüber Uniformierten“
wenn Straßen oder Wege aus Sicherheitsgründen gesperrt werden müssen, oder noch mehr, bei Veranstaltungen, bei denen die Feuerwehr die verkehrsrechtlichen Anordnungen des Landratsamtes ausführen: Es ist festzustellen, dass es keinen Respekt mehr gegenüber ehrenamtlichen Helfern oder gar Uniformierte gibt“, klagt er. Ähnlich die Worte von Kommandant Michael Wörz bei der diesjährigen Abteilungsversammlung der Feuerwehr Wasseralfingen-Hofen: Wenn man vor einem Einsatz damit rechnen müsse, angegriffen, angepöbelt oder bespuckt zu werden, könne man sich nicht zu 100 Prozent auf den Einsatz konzentrieren, so Wörz. Verbandsvorsitzender Kurz hat die Erfahrungen seiner Kameraden abgefragt: Die Wehren in Lorch, Böbingen und Waldstetten berichteten über vermehrte Pöbeleien, die Westhausener beschwerten sich „gerade auf der Autobahn und der B 29 über übelste Beschimpfungen“. Gewaltsame Vorfälle meldeten ausschließlich – und lediglich sehr vereinzelt – seine Kollegen von den großen Berufsfeuerwehren in Stuttgart und Heidelberg. Es gebe also keinerlei Anlass, sich gegen aggressive Betrunkene oder gewaltbereite Demonstranten mit Schutzwesten zu wappnen: Diesen Weg gehen bislang einzelne Wehren in Deutschland, etwa in Laufach bei Aschaffenburg. Schon gar nicht denken die hiesigen Helfer an eine Bewaffnung mit Pfefferspray oder Elektroschockern. Wer eine solche Waffe mitführt und sich damit wehrt, warnen Experten, dem könnte vor Gericht Vorsatz statt Notwehr angelastet werden. Zudem könnten Unbeteiligte verletzt werden. „Ein Thema fließt aber schon seit einiger Zeit in unsere Feuerwehrausbildung mit ein“, sagt Kurz: „Das Thema Kommunikation und Deeskalation. Da wir auf unseren Einsatzstellen schon immer mit emotional aufgewühlten Menschen zu tun hatten und haben werden, ist dies ein Thema, wie man mit solchen Menschen umgeht“. Auch Marc Sachsenmaier vom DRK rät Helfern, sich zunächst selbst außer Gefahr bringen. „Man geht einen Schritt zurück.“