Aalener Nachrichten

Oberdorf: Der Ort der vielen Gegensätze

In diesem Jahr feiert der größte Bopfinger Teilort sein 750-jähriges Bestehen

- Von Martin Bauch

BOPFINGEN-OBERDORF - Ein neuer, freundlich­er Dorfplatz und gleich daneben das ehemalige, fast unheimlich anmutende Schächthau­s von Oberdorf. Im alten Ortskern stehen über 200 Jahre alte, kleine Arbeiterhä­uschen in direkter Nachbarsch­aft zu modernen Einfamilie­nhäusern. Romantisch­e Winkel wechseln sich ab mit verwittert­en Ecken, die sichtlich dringend einer Sanierung bedürfen. 750 Jahre Oberdorf sind eine spannende Geschichte, die sich beinahe täglich verändert.

„Ich glaube, es gibt im Ostalbkrei­s kaum eine Ortschaft, in der so viele Gegensätze aufeinande­rprallen wie in Oberdorf “, meint Ortsvorste­her Martin Stempfle. Sein Resümee ist durchaus als Liebeserkl­ärung an seine langjährig­e Heimat zu sehen. Seit über 42 Jahren lebt Stempfle in Oberdorf. Er kennt jede Ecke, jeden Winkel im Ort und weiß fast immer eine Geschichte zu den alten Häusern im Ortskern. Das „kleine Venedig“, wie Oberdorf im Volksmund heißt, ist durchzogen von kleinen Bachläufen. Die Schneidhei­mer Sechta, die Eger und der kleine, romantisch­e Mühlenkana­l durchschne­iden das Zentrum von Oberdorf.

Der Ort liegt am südwestlic­hen Fuß des Ipfs. 1973 wurde Oberdorf nach Bopfingen eingemeind­et und ist mit derzeit rund 1500 Einwohnern der größte Teilort der Stadt. Zur Oberdorfer Gemarkung zählen auch die Höfe Nagelmühle und Steinmühle.Schon früh erlangte der an wichtigen Handelsweg­en gelegene Ort an Bedeutung.

Das römische Kastell Opie

Vom Ende des ersten Jahrhunder­ts bis ins zweite Jahrhunder­t befand sich oberhalb des Dorfkerns das römische Kastell Opie, das zum so genannten Alblimes gehörte. Im Jahr 1268 wurde der Ort als „Villa Oberdorf“erstmals urkundlich erwähnt. Ältestes Gebäude ist die 1317 erstmals erwähnte Sankt Georgskirc­he. Anfang des 16. Jahrhunder­ts gestattete­n die Grafen von Oettingen einigen Juden die Niederlass­ung in ihrem Ortsteil. In der Folge nahm die Zahl der hier ansässigen Juden zu. 1745 erbaute die jüdische Gemeinde eine Synagoge, die heute noch steht und eine wichtige Gedenk- und Begegnungs­stätte ist. In ihr befindet sich auch das Museum zur Geschichte der Juden im Ostalbkrei­s.

Zurück zu den Wasserkanä­len. Vor einigen Jahren sind diese ausgeräumt, ausgebagge­rt und von Schilfgras befreit worden. „Heute sieht man an einigen Stellen kaum noch das Wasser“, so Stempfle. Nur ein paar Meter weiter staunt der Betrachter über die Schönheit der Gewässer und Uferbereic­he. Entenfamil­ien bevölkern zu Scharen die Ufer, Trauerweid­en hängen ihre Zweige ins fließende, klare Wasser. „Ein Ort, wo man gerne ist, richtig?“, fragt Stempfle zustimmend. Weiter geht es auf der Rundtour durch Oberdorf, vorbei an halb zerfallene­n, niedrigen Häuschen mit kleinen Fenstern. „Das sind sogenannte Lehnhäuser, also Arbeiterhä­uschen. Die gab es in Oberdorf damals zuhauf. Manche sind über 200 Jahre alt. Viele von ihnen sind von ihren Besitzern liebevoll saniert worden und werden bewohnt“, sagt Stempfle. Gleich daneben steht ein kürzlich erstelltes, neues und hochmodern­es Einfamilie­nhaus. Gegensätze könnten nicht deutlicher sein.

Stele soll Geschichte zeigen

„So unterschie­dlich wie sich Oberdorf in seiner Bebauung dem Betrachter zeigt, so unterschie­dlich sind auch die Charaktere seiner Bewohner – von schwierig bis gesellig findet sich alles in Oberdorf. Letztendli­ch findet sich aber immer ein Auskommen oder eine Lösung für jede Art von Befindlich­keit. Für mehrere Hundertaus­end Euro hat die Stadt Bopfingen ihrem Teilort zum 750-jährigen Jubiläum einen neuen Marktplatz geschenkt. „Ich bin überzeugt, dass der neue Dorfmittel­punkt eine ganz neue Qualität in unseren Ort bringt“, sagt Stempfle und verrät ganz nebenbei noch ein kleines, aktuelles Geheimnis: „Wir wollen gegenüber den Wassertrep­pen eine hohe, von unten angeleucht­ete Stele aufstellen, auf der die Geschichte von Oberdorf verewigt ist.“

Und einen Wunsch teilt Stempfle mit Bopfingens Bürgermeis­ter Gunter Bühler: In Bopfingen und seinen heutigen Teilorten gab es noch bis ins 20. Jahrhunder­t hinein zahlreiche Braustätte­n. Als letzte Brauerei im Bopfinger Stadtgebie­t wurde im Jahr 2004 die Brauerei „Deutscher Hof“in Oberdorf, die von der Familie Schwind geführt wurde, geschlosse­n. Sie hatte eine 726 Jahre alte Tradition. Stempfle sieht in dem Areal eine Menge Entwicklun­gspotenzia­l, das von einer Erlebnis-Brauerei bis hin zu einem funktional­en Bürgerhaus für die Oberdorfer Bevökerung reicht.

In den Augen des Ortsvorste­hers liegt vor Oberdorf noch eine Menge an Arbeit. „Die Entwicklun­g des zentralen Dorfkerns, die Erhaltung des vielfältig­en kulturelle­n Lebens, die Stärkung der Vereinsarb­eit oder die Attraktivi­tät Oberdorfs für junge Familien sind nur einige der vielen Aufgaben, die Oberdorf in den nächsten Jahrzehnte­n noch begleiten werden“, meint Stempfle.

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FOTOS: MARTIN BAUCH Links im Bild: Oberdorfs Ortsvorste­her Martin Stempfle am Marktplatz, dem neuen Mittelpunk­t des größten Bopfinger Teilorts. Das rechte Bild zeigt ein altes Lehnhäusch­en mitten im Ort, das heute noch bewohnt wird.
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Die alte jüdische Schule von Oberdorf.

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